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64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

08. - 11.09.2019, Dortmund

Dosis-Risiko-Beziehung für Gefahrstoffexpositionen beim Schweißen und Lungenkrebs

Meeting Abstract

  • Benjamin Kendzia - Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung - Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA), Bochum, Germany
  • Beate Pesch - Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung - Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA), Bochum, Germany
  • Hermann Pohlabeln - Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS, Bremen, Germany
  • Wolfgang Ahrens - Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS, Bremen, Germany
  • H.-Erich Wichmann - Helmholtz Zentrum München, Institut für Epidemiologie I, Neuherberg, Germany
  • Dirk Taeger - Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung - Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA), Bochum, Germany
  • Wolfgang Zschiesche - Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung - Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA), Bochum, Germany
  • Thomas Behrens - Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung - Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA), Bochum, Germany
  • Karl-Heinz Jöckel - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE), Universitätsklinikum Essen, Essen, Germany
  • Thomas Brüning - Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung - Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA), Bochum, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Dortmund, 08.-11.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocAbstr. 138

doi: 10.3205/19gmds053, urn:nbn:de:0183-19gmds0533

Veröffentlicht: 6. September 2019

© 2019 Kendzia et al.
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Gliederung

Text

Zielsetzung: Schweißen ist ein sehr weit verbreitetes Verfahren in der industriellen Verarbeitung von Metallen und wird von ca. 120 Millionen Erwerbstätigen weltweit angewandt [1]. Die Internationale Agentur für Krebsforschung hat sowohl den Schweißrauch selbst [2], aber auch putative Inhaltsstoffe wie hexavalentes Chrom (Cr(VI)) und Nickelverbindungen (Ni), als krebserzeugend eingestuft. Unklar ist jedoch der Beitrag der einzelnen Stoffe zum Lungenkrebsrisiko. Bislang wurden diese drei Expositionen bei Schweißern nicht gemeinsam anhand von Messwerten quantifiziert und untersucht. Viele Studien zu Krebsrisiken von Schweißern fokussierten sich auf den Berufstitel [3], [4]. Wir ermitteln das Lungenkrebsrisiko von Schweißern in Abhängigkeit von der geschätzten kumulativen Exposition gegenüber Schweißrauch, Cr(VI) und Ni im Rahmen der SYNERGY-Studie.

Methoden: Der Datensatz umfasst 6.906 Männer (3.418 Lungenkrebsfälle und 3.488 Kontrollen) aus zwei gepoolten deutschen Fall-Kontroll-Studien, die zwischen 1988 und 1996 durchgeführt wurden [5], [6]. Das Rauchverhalten und detaillierte Informationen zu den Schweißarbeitsplätzen wurden mittels Zusatzfragebögen erhoben. Da individuelle Messdaten zu diesen Schadstoffen in solchen Studien fehlen, entwickelten wir eine welding exposure matrix (WEM) basierend auf Messwerten, die für Schweißarbeiten in der MEGA-Datenbank und in eigenen Studien erfasst waren [7], [8], [9]. Die WEM wurde mit den Daten der Zusatzfragebögen zu Schweißarbeiten verknüpft, um die kumulative Belastung zu schätzen. Odds Ratios (OR) und 95% Konfidenzintervalle (KI) wurden mittels bedingter logistischer Regression (stratifiziert nach Studie) geschätzt, adjustiert für Alter, Rauchverhalten und einer Beschäftigung in anderen Berufen mit bekanntem Lungenkrebsrisiko. Das Risiko eines Gefahrstoffs wurde zusätzlich nach der medianen Konzentration der beiden anderen Gefahrstoffe adjustiert. Weiterhin wurden adjusted restricted cubic splines dem nicht-linearen Zusammenhang zwischen Exposition und Lungenkrebsrisiko angepasst. Die Robustheit der erzielten Ergebnisse wurde mit verschiedenen Sensitivitätsanalysen übergeprüft.

Ergebnisse: Insgesamt waren 1.445 Männer (800 Lungenkrebsfälle und 645 Kontrollen) jemals gegenüber Schweißrauch als Schweißer oder Gelegenheitsschweißer exponiert. Gegenüber Männern, die nie geschweißt haben oder gegenüber Metalldämpfen exponiert waren, war das Lungenkrebsrisiko bei Exposition oberhalb des Medians der exponierten Kontrollen gegenüber Schweißrauch, Cr(VI) oder Ni erhöht: Schweißrauch: ≥1,8 mg/m3-Jahre: OR 1,55 (KI 1,17-2,05); Cr(VI): ≥1,4 µg/m3-Jahre: OR 1,85 (KI 1,35-2,54); Ni: ≥9 µg/m3-Jahre: OR 1,60 (KI 1,21-2,12). Belastungen unterhalb des Medians führten zu geringer erhöhten Lungenkrebsrisiken. Das Lungenkrebsrisiko stieg mit zunehmender Exposition an, wenn Nicht-Exponierte eingeschlossen waren (p-Werte Trendtest: 0,047 für Schweißrauch, 0,095 für Cr(VI), 0,039 für Ni). Unter Exponierten ist ein Trend insbesondere für Schweißrauch zu erkennen. Bei leichten Rauchern (1-<10 Packungsjahre) waren die Lungenkrebsrisiken relativ höher als bei starken Rauchern (≥ 35 Packungsjahre). Zum Beispiel zeigte Schweißrauch ≥1,8 mg/m3-Jahre bei leichten Rauchern ein OR von 2,79 (KI 1,27-6,13) im Vergleich zu einem OR von 1,30 (KI 0,77-2,19) bei starken Rauchern. Für Cr(VI) ≥1,4 µg/m3-Jahre waren die entsprechenden ORs 4,48 (KI 1,84-10,90) bei leichten Rauchern und 1,41 (KI 0,81-2,45) bei starken Rauchern.

Schlussfolgerungen: Expositionen gegenüber Schweißrauch, Cr(VI) und Ni sind in unserer Studie mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko verbunden. Mit zunehmender kumulativer Exposition konnten höhere Risiken beobachtet werden. Schweißarbeiten erhöhen das relative Lungenkrebsrisiko unter leichten Rauchern vergleichsweise stärker als bei starken Rauchern. Die Ergebnisse unterstützen die Einstufung von Schweißrauch, Cr(VI) und Ni als Humankarzinogene.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.


Literatur

1.
Guha N, Loomis D, Guyton KZ, Grosse Y, El Ghissassi F, Bouvard V, et al. Carcinogenicity of welding, molybdenum trioxide, and indium tin oxide. Lancet Oncol. 2017; 18(5):581–2.
2.
IARC. Welding, indium tin oxide, molybdenum trioxide. (IARC Monographs; 118). Lyon: IARC Monogr Eval Carcinog Risks Hum; 2017.
3.
Ambroise D, Wild P, Moulin JJ. Update of a meta-analysis on lung cancer and welding. Scand J Work Environ Health. 2006; 32(1):22–31.
4.
Kendzia B, Behrens T, Jöckel KH, Siemiatycki J, Kromhout H, Vermeulen R, et al. Welding and lung cancer in a pooled analysis of case-control studies. Am J Epidemiol. 2013; 178(10):1513–25.
5.
Jöckel KH, Ahrens W, Pohlabeln H, Bolm-Audorff U, Müller KM. Lung cancer risk and welding: Results from a case-control study in Germany. Am J Ind Med. 1998; 33(4):313–20.
6.
Brüske-Hohlfeld I, Möhner M, Pohlabeln H, Ahrens W, Bolm-Audorff U, Kreienbrock L, et al. Occupational lung cancer risk for men in Germany: results from a pooled case-control study. Am J Epidemiol. 2000; 151(4):384–95.
7.
Kendzia B, Koppisch D, Van Gelder R, Gabriel S, Zschiesche W, Behrens T, et al. Modelling of exposure to respirable and inhalable welding fumes at German workplaces. J Occup Environ Hyg. 2019;16(6):400-409.
8.
Pesch B, Kendzia B, Hauptmann K, Van Gelder R, Stamm R, Hahn JU, et al. Airborne exposure to inhalable hexavalent chromium in welders and other occupations: Estimates from the German MEGA database. Int J Hyg Environ Health. 2015;(5):500–6.
9.
Kendzia B, Pesch B, Koppisch D, Van Gelder R, Pitzke K, Zschiesche W, et al. Modelling of occupational exposure to inhalable nickel compounds. J Expo Sci Environ Epidemiol. 2017; 27(4):427–33.