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64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

08. - 11.09.2019, Dortmund

Entwicklung eines adaptiven Reifegradmodells zur strategieorientierten Messung der KIS-Qualität am Beispiel eines Universitätsklinikums

Meeting Abstract

  • Jan-David Liebe - Hochschule Osnabrück - University of Applied Sciences, Osnabrück, Germany
  • Lena Frommer - Hochschule Osnabrück - University of Applied Sciences, Osnabrück, Germany
  • Katja Kümmel - Universitätsklinikum Münster - Geschäftsbereich IT, Münster, Germany
  • Barbara Thorberger - Universitätsklinikum Münster - Geschäftsbereich IT, Münster, Germany
  • Ursula Hübner - Hochschule Osnabrück - University of Applied Sciences, Osnabrück, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Dortmund, 08.-11.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocAbstr. 212

doi: 10.3205/19gmds047, urn:nbn:de:0183-19gmds0477

Veröffentlicht: 6. September 2019

© 2019 Liebe et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: KIS-Reifegradmodelle lassen sich entlang der Kriterien „Parameter“ (welche Daten werden erfasst?) und „Verrechnungslogik“ (wie werden die Daten zu Reifegradstufen verrechnet?) unterscheiden. Bezüglich der Parameter hat sich eine Kategorisierung nach Donabedian etabliert [1]. Demnach werden entweder strukturelle Merkmale, wie bspw. personelle oder finanzielle Ressourcen (KIS-Strukturqualität [2]), prozessbezogene Eigenschaften des Informationsmanagements, wie bspw. der Professionalisierungsgrad der Managementprozesse (KIS-Prozessqualität [3]) oder technische Parameter, wie etwa der Unterstützungsgrad klinischer Workflows (KIS-Ergebnisqualität [4], [5]) betrachtet. Bezüglich der Verrechnungslogik lässt sich vorrangig zwischen summativen und normativen Ansätzen unterscheiden. Während summative Ansätze die erfassten Daten zu kumulativen Reifegradstufen verdichten (kumulative KIS-Reifegradmodelle [2], [6]), orientieren sich normative Modelle an einem vorab definierten, optimalen Zusammenwirken der betrachteten Einzelmerkmale (normative KIS-Reifegradmodelle [3], [4], [5]). Der Nutzen beider Ansätze ist innerhalb der heterogenen KIS-Landschaften begrenzt, weshalb in der vorliegenden Arbeit ein adaptives KIS-Reifegradmodell entwickelt wurde, das sich an den bereichsbezogenen IT-Zielsetzungen orientiert.

Methode: Die Entwicklung des Reifegradmodells orientierte sich an Becker et al. [7]. Im Rahmen der Problemdefinition wurden zwei Anforderungen spezifiziert: Zum einen soll das zu entwickelnde Modell eine umfassende und wiederholbare Messung der KIS-Qualität unter Berücksichtigung einrichtungsbezogener IT-Ziele ermöglichen (strategieorientierter Ansatz). Zum anderen soll das Verfahren über das betrachtete Universitätsklinikum hinaus skalierbar sein (adaptiver Ansatz). Durch einen systematischen Abgleich von 26 Reifegradmodellen wurde sichergestellt, dass keine bestehende Lösung die aufgestellten Anforderungen erfüllt. Für die Modellentwicklung wurden sechs Fachbereiche herangezogen, die zusammengenommen ein breites Spektrum an IT-Zielen repräsentieren (Pathologie, Chirurgie, Augenklinik, Pflege, Materialwirtschaft, Geschäftsbereich IT). Zur Identifikation bereichsbezogener IT-Ziele wurden zehn leitfadengestützte Interviews mit Fachbereichsleitern und Anwendern geführt, transkribiert und in einem Inventar standardisierter Items übertragen. In einem hierarchischen Ansatz wurde ein Zielsystem modelliert, welches wiederum als Grundlage für den Aufbau eines Inventars standardisierter Fragebogenitems diente.

Ergebnis: Aus den Interviews (X̅=32 Min.) ergaben sich 164 bereichsbezogene IT-Ziele (BZ), die wiederum in 43 spezifische und 121 allgemeine Ziele unterteilt wurden. Die bereichsbezogenen IT-Ziele, die sich auf alle drei KIS-Qualitätsstufen bezogen, wurden im Rahmen der Zielhierarchisierung zu neun Zieldimensionen (ZD) zusammengefasst (bspw. BZ: „Daten der Krankenversorgung sind für die Versorgungsforschung verfügbar“, ZD: “Unterstützung der Versorgungsforschung“). Diese konnten den Unternehmenszielen des Universitätsklinikums zugeordnet werden. Für die Entwicklung des adaptiven Fragebogens wurden die standardisierte Items zur Erfassung bereichsbezogener IT-Ziele aus dem Inventar in einen Onlinefragebogen übertragen. Der Fragebogen folgt einem konditionalen Aufbau, sodass jeder Fachbereich in einem ersten Schritt den „angestrebten IT-Reifegrad“ über eine Priorisierung der Zieldimensionen eingeben kann. Je nach Priorisierung kann in einem zweiten und dritten Schritt der Ist- und Soll-Zustand zu jedem bereichsbezogenen IT-Ziel eingeschätzt werden. Die KIS-Reife ergibt sich für alle Betrachtungsebenen als Quotient aus erreichter und angestrebter IT-Reife.

Diskussion: Der vorgestellte Ansatz überwindet den normativen Charakter bestehender KIS-Reifegradmodelle, indem er die Zieldiversität einzelner Professionen und Fachbereiche durch eine strategieorientierte Verrechnungslogik abbildet. Im Zentrum des Modells steht ein erweiterbares Inventar bereichsbezogener IT-Ziele, die sich auf unterschiedliche Aspekte der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität beziehen. Das Inventar soll zukünftig um zusätzliche Parameter ergänzt werden, indem der vorgestellte Ansatz von weiteren Krankenhäusern für eine einrichtungsspezifische Reifegradmodellierung genutzt wird. Die Skalierung des Ansatzes soll schließlich Benchmarks zu IT-Zielen und Zieldimensionen ermöglichen. Das vorgestellte Modell wird aktuell evaluiert.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Winter A, Takabayashi K, Jahn F, Kimura E, Engelbrecht R, Haux R, Honda M, Hübner UH, S. Inoue S, Kohl CD, Matsumoto T, Matsumura Y, Miyo K, Nakashima N, Prokosch HU, Staemmler M. Quality Requirements for Electronic Health Record Systems – A Japanese-German Information Management Perspective. Methods of Information in Medicine. 2017; 56(4): e92-e104.
2.
Baltschukat K. IT-Benchmark Schweizer Spitäler. In: 24. Arbeitstreffen der GMDS-Arbeitsgruppe Methoden und Werkzeuge für das Management von Krankenhausinformationssystemen. Nürnberg, 06.05.2011.
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Rienhoff O, Dickmann F, Oroszi F, KIT-CON - AG IT-Controlling der Universitätsklinika Erlangen, Göttingen, Jena und Münster sowie der Klinikverbünde Asklepios und Vivantes. Der IT-Reifegrad von Krankenhäusern: Modell der KIT-CON für ein effizientes Krankenhaus-IT-Controlling. Hülsbusch; 2017.
5.
Liebe JD, Hübner U, Straede MC, Thye J. Developing a Workflow Composite Score to Measure Clinical Information Logistics. A Top-down Approach. Methods Inf Med. 2015 Oct 12;54(5):424-33.
6.
Jöckel K, Lowitsch V. Ergebnisse eines Benchmarks der Kosten, Leistungen und Zuständigkeiten der Universitätskliniken NRW/RP. In: 23. Arbeitstreffen der GMDS-Arbeitsgruppe Methoden und Werkzeuge für das Management von Krankenhausinformationssystemen. Frankfurt am Main, 08.11.2010.
7.
Becker J, Knackstedt R, Pöppelbuß J. Entwicklung von Reifegradmodellen für das IT-Management. Wirtschaftsinformatik. 2009 Jun 1;51(3):249-60.