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64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

08. - 11.09.2019, Dortmund

Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zur patientenzentrierten Entwicklung technischer Assistenzsysteme

Meeting Abstract

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  • Jelena Bleja - Fachhochschule Dortmund, Institut für die Digitalisierung von Arbeits- und Lebenswelten, Dortmund, Germany
  • Henrike Langer - Fachhochschule Dortmund, Institut für die Digitalisierung von Arbeits- und Lebenswelten, Dortmund, Germany
  • Uwe Großmann - Fachhochschule Dortmund, Institut für die Digitalisierung von Arbeits- und Lebenswelten, Dortmund, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Dortmund, 08.-11.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocAbstr. 121

doi: 10.3205/19gmds033, urn:nbn:de:0183-19gmds0332

Veröffentlicht: 6. September 2019

© 2019 Bleja et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Im Zuge des demografischen Wandels, gewinnen Ambient Assisted Living Technologien (AAL) zunehmend an Bedeutung. Zahlreiche Forschungsprojekte, aber auch privatwirtschaftliche Unternehmen tragen zur Entwicklung komplexer IoT-basierter Systeme bei [1], die es älteren oder körperlich eingeschränkten Personen ermöglichen sollen, möglichst lange in ihrer eigenen Wohnung zu verbleiben [2].

Zur Umsetzung derartiger Konzepte ist in aller Regel eine große Bandbreite an interdisziplinären Partnern nötig. Neben Technologiespezialisten, Forschungsinstituten und Vertretern der Wohnungswirtschaft, umfassen die Projektteams häufig auch Kommunen, Krankenkassen und Pflegedienste. Im Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Gruppen konkurrieren häufig vielfältige Vorstellungen und Interessen [3]. Umso wichtiger wäre es, die Zielgruppe von Anfang an in die Entwicklung miteinzubeziehen, sodass ihre Bedürfnisse und Anforderungen sich in den Endprodukten widerspiegeln. Im Rahmen des von der Europäischen Union und dem Land Nordrhein-Westfalen geförderten Projektes „Smart Service Power“ (SSP) soll ein ganzheitliches Assistenzsystem entwickelt werden, das u.a. eine Sturzdetektion, Komponenten zur Dokumentation von Vitaldaten und einen Sprachassistenten beinhaltet [4].

Methoden: In einem ersten Schritt wurden innerhalb des Projektes hypothetische Szenarien entwickelt und Anforderungen an ein System aus Verbrauchersicht formuliert. Dabei konnten vier Personas identifiziert werden, die es den Projektpartnern ermöglichten, die Zielgruppe auszumachen und intentional an diese heranzutreten [5]. Anschließend wurden in drei Wellen quantitative Befragungen von insgesamt 565 Senioren in Dortmund durchgeführt, die dazu dienen sollten eine mögliche Nutzungsbereitschaft zu erfassen.

Im Rahmen einer Messkampagne im Projekt wurden fünf Wohnungen von Senioren, die randomisiert durch den beteiligten Pflegedienst und das Wohnungsunternehmen ausgewählt worden waren, mit der Technik des Systems SSP ausgestattet. Ziel der Messkampagne war die Erhebung von Daten, mithilfe derer die Algorithmen des Systems u.a. zur Sturzdetektion entwickelt werden sollten. Über einen Zeitraum von ein bis vier Monate sollten die Senioren ihrem üblichen Tagesablauf nachgehen und in zwei qualitativen Interviews vor und nach der Testphase von ihren Erfahrungen mit der Technik berichten.

Ergebnisse: Bei den quantitativen Erhebungen stellte sich heraus, dass die Befragten generell ein deutlich höheres Interesse an AAL-Technologien hatten als erwartet [6]. Konkrete anwendungsbezogene Impulse konnten den standardisierten Fragebögen jedoch nicht entnommen werden.

Die Ergebnisse der qualitativen Interviews im Rahmen der Messkampagne zeigten, dass eine deutlich höhere Beteiligung der Zielgruppe notwendig ist. An verschiedener Stelle wurde erkennbar, dass das System die Lebensrealitäten der Senioren nur in begrenztem Maße berücksichtigt und es traten Schwierigkeiten auf, die für die Entwickler weitestgehend unvorhersehbar waren. So äußerten die Probanden beispielsweise teils irrationale Ängste bezüglich einer möglichen Strahlenbelastung durch die in der Wohnung verbaute Sensortechnologie. Auch wurden wiederholt Fehlfunktionen eigener Elektrogeräte (TV, Funkwecker) auf den Einfluss des Systems zurückgeführt. Des Weiteren änderten die Senioren zum Teil ihr Verhalten nach dem Einbau der Sensorik oder berichteten davon sich durch die Leuchtsignale der Sensorik gestört zu fühlen.

Diskussion und Ausblick: Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass das Maß, mit dem mögliche Nutzer in die Entwicklungen miteinbezogen werden, deutlich höher ausfallen muss, als zunächst angenommen. Aufbauend auf den qualitativen Befragungen wurden Handlungsempfehlungen für zukünftige und laufende AAL-Vorhaben abgeleitet, die sich u.a. in den Bereichen Service, Design und Konzeption verorten lassen. Diese sollen mittels Maßnahmenpaketen in einer weiteren Testphase angewandt und ggf. ergänzt werden.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Ates N, Piazolo F, Kathrein J, Förster K. Design Science Research für Ambient Assisted Living Systeme (AAL). In: Dachselt R, Weber G, editors. Mensch und Computer 2018 – Workshopband. Bonn: Gesellschaft für Informatik e.V.; 2018. p. 529-537. DOI: 10.18420/muc2018-ws11-0514 Externer Link
2.
Cedillo P, Sanchez C, Campos K, Bermeo A. A Systematic Literature Review on Devices and Systems for Ambient Assisted Living: Solutions and Trends from Different User Perspectives. In: International Conference on eDemocracy & eGovernment (ICEDEG); 2018 April 4-6; Ambato. 2018. p. 59-66. DOI: 10.1109/ICEDEG.2018.8372367 Externer Link
3.
Lamprecht M, Golubski W, Häber A, Heinze M, Leonhardt S, Randow A, Schmidt S, Teich T. Interdisziplinäre Zusammenarbeit im Forschungsgebiet Ambient Assisted Living zur Bewältigung demografischer Probleme im Gesundheitswesen. In: Goltz U, Magnor M, Appelrath HJ, Matthies HK, Balke WT, Wolf L, editors. Informatik 2012. Bonn: Gesellschaft für Informatik e.V.; 2012. p. 1366-1381.
4.
Bleja J, Großmann U, Horster B, Roß A, Löhrke E, Röhrig Ch, Oelker J, Celik A, Hormann R. IoT-Systems of the AAL-Sector: Application, Business Model, Data Privacy. In: Kharchenko V, Kor A, Rucinski A, editors. Dependable IoT for Human and Industry: Modeling, Architecting, Implementation. River Publishers; 2019. p. 455-476.
5.
Bleja J, Großmann U, Langer H. A Collaborative System Business Model for Ambient Assisted Living Systems. In: Proceedings of the 4th IEEE International Symposium on Wireless Systems within the Conferences on Intelligent Data Acquisition and Advanced Computing Systems (IDAACS); 2018 Sep 20-21; Lviv, Ukraine. 2018. p. 78-81. DOI: 10.1109/IDAACS-SWS.2018.8525684 Externer Link
6.
Hellwig A, Meister S, Schneider C. Sprachassistenten in der ambulanten Pflege: Ein Leitfaden für den Einsatz von Voice User Interfaces am Beispiel der kommerziellen Sprachassistenzsysteme Amazon Echo und Google Home für Senioren und Pflegekräfte. In: Zukunft der Pflege: Tagungsband der 1. Clusterkonferenz 2018; Oldenburg; 2018. p. 72–77.