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64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

08. - 11.09.2019, Dortmund

Innovationsfondsprojekt PV-Monitor: Nutzung von GKV-Routinedaten für eine bessere Pharmakovigilanz

Meeting Abstract

  • Roland Linder - Techniker Krankenkasse, Hamburg, Germany
  • Felix Falkenberg - Techniker Krankenkasse, Hamburg, Germany
  • René Pflock - Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Universität zu Lübeck, Lübeck, Germany
  • Markus Schwaninger - Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Universität zu Lübeck, Lübeck, Germany
  • Kathrin Thöne - Techniker Krankenkasse, Hamburg, Germany
  • Ronja Foraita - Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS GmbH, Bremen, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Dortmund, 08.-11.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocAbstr. 164

doi: 10.3205/19gmds010, urn:nbn:de:0183-19gmds0103

Veröffentlicht: 6. September 2019

© 2019 Linder et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Das in Deutschland gut etablierte Spontanmeldesystem für unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) hat bereits in vielen Fällen dazu beigetragen, die bei Markteinführung neuer Präparate noch unbekannten UAW frühzeitig zu identifizieren. Es unterliegt jedoch vielfältigen Limitationen wie Under- und Overreporting, Mehrfachmeldungen, lückenhaften Kontextinformationen und der unbekannten Anzahl der Exponierten. Daher die Überlegung, GKV-Routinedaten für die Signalgenerierung als Ergänzung zu Spontanmeldungen in der Pharmakovigilanzforschung zu nutzen.

Daten und Methoden: Ein Teilprojekt von PV-Monitor widmet sich der Suche nach möglichen noch unbekannten UAW der direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK). Dazu werden ausgehend von den Routinedaten der Techniker Krankenkasse (10,2 Mio. Versicherte) Deep Learning Algorithmen darauf trainiert, UAW i.S.v. stationären Hauptdiagnosen (gem. Kodierrichtlinien verantwortlich für Krankenhausaufnahme) vorherzusagen. Dies erfolgt mit dem Wissen um potenziell relevante Aspekte in der Vorgeschichte (v.a. ICD-, ATC-, OPS- und EBM-Codes) sowie der Information, ob eine Krankenhausaufnahme unter dem pharmakologischen Einfluss des untersuchten DOAK stattfand. In einer sich anschließenden Sensitivitätsanalyse wird die Information, ob sich die stationäre Aufnahme unter dem Einfluss des DOAK ereignete, dahingehend verfremdet, dass die Merkmalsausprägungen 1 (Einfluss ja) und -1 (Einfluss nein) für die Variable "DOAK abgegeben j/n" vertauscht werden (Switched Sensitivity Analysis, SSA, vgl. Neural Net Clamping Technique von [1]). Je stärker der Switch zu einer Verschlechterung der Klassifikationsleistung führt, desto größer ist der daraus berechnete Wert für die SSA-Importance, also die Relevanz des Zusammenhangs zwischen DOAK und UAW. Eine große SSA-Importance sagt nichts aus über die Kausalität, kann auch eine zufällige Nonsens-Korrelation darstellen, generiert jedoch eine Arbeitshypothese für weitergehende Validierungen/Plausibilisierungen, die sowohl durch das BIPS auf Basis der pharmakoepidemiologischen Datenbank GePaRD (20 Mio. Versicherte) als auch durch medizinische und pharmakologische Experten am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Universität zu Lübeck erfolgen.

Ergebnisse: Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass sich ausgehend von GKV-Routinedaten (mit ihren bekannten Limitationen) UAW finden lassen, die auch in der entsprechenden Arzneimittelinformation der DOAK gelistet sind. Darüber hinaus wird eine Korrelation zu UAW detektiert, die im Rahmen des Arzt-Patienten-Kontakts nebenbefundlich auffielen und anschließend stationär abgeklärt wurden, z.B. Hautveränderungen im Gesichts- und Halsbereich (ICD C49.0, D04.3 und D04.4), oder Zufallsbefunde, die im Rahmen der diagnostischen Klärung einer Blutungsquelle evident wurden (K21.0, K25.3, K40.9, K62.8, K64.1). Aufgefallen ist der Hinweis auf eine Hyperthyreose mit toxischer mehrknotiger Struma (E05.2). Sehr wahrscheinlich handelt es sich hierbei nicht um die UAW eines DOAK, sondern um die Ursache des mit DOAK therapierten Vorhofflimmerns, also um die eigentliche Grunderkrankung, die erst nachgelagert diagnostiziert wird. Es zeigen sich auch Hinweise auf bis dato wenig oder unbekannte UAW, der Vortrag stellt die Ergebnisse im Einzelnen vor.

Diskussion: Wenn es gelingen sollte, mit Hilfe von GKV- Routinedaten frühzeitig Hinweise auf noch unbekannte unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu identifizieren, die das etablierte Spontanmeldesystem sinnvoll ergänzen, wäre dies ein bedeutsamer Schritt hin zu einer verbesserten Arzneimitteltherapiesicherheit. Pharmakovigilanzforschung seltener Risiken auf Basis von Routinedaten könnte durch ein Zusammenführen von Abrechnungsdaten aller gesetzlichen Krankenkassen aussagekräftiger werden.

Danksagung: Dieser Beitrag entstand als Teil des Projekts 'PV-Monitor', das im Rahmen des Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses unter dem Förderkennzeichen 01VSF16020 gefördert wird.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Wang W, Jones P, Partridge D. Ranking pattern recognition features for neural networks. In: International Conference on Advances in Pattern Recognition. London: Springer; 1999. p. 232-241.