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63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

02. - 06.09.2018, Osnabrück

iGOBSIS-live: Initiale Ergebnisse zum Einsatz einer mobilen App zur Dokumentationsunterstützung im Kontext der Gewaltopferbeweissicherung

Meeting Abstract

  • Janis Liedmann - Fachhochschule Dortmund, Dortmund, Deutschland
  • Bernd Leicher - Fachhochschule Dortmund, Dortmund, Deutschland
  • Peter Haas - Fachhochschule Dortmund, Dortmund, Deutschland
  • Britta Gahr - Institut für Rechtsmedizin der Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland
  • Melanie Siegel - Institut für Rechtsmedizin der Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland
  • Anne Tank - Institut für Rechtsmedizin der Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland
  • Marcel Jühling - Institut für Rechtsmedizin der Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland
  • Stefanie Ritz-Timme - Institut für Rechtsmedizin der Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Osnabrück, 02.-06.09.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocAbstr. 261

doi: 10.3205/18gmds122, urn:nbn:de:0183-18gmds1225

Veröffentlicht: 27. August 2018

© 2018 Liedmann et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: 33% der europäischen Frauen wurden seit ihrem 15. Lebensjahr Opfer körperlicher und/oder sexueller Gewalt [1]. Häufig sind Ärztinnen und Ärzte die ersten Ansprechpartner und nehmen somit eine Schlüsselrolle bei der Gewaltopferbeweissicherung ein. Eine Umfrage unter ihnen (N=104) zeigte, dass 39% unsicher bei der Dokumentation von Gewalttaten sind [2]. Durch eine mangelhafte Dokumentation kommt es oftmals zur Einstellung von gerichtlichen Verfahren [3].

Als ergänzende Lösung zu GOBSIS [4] wurde jetzt die App iGOBSISmobile realisiert, welche technische Hindernisse überwinden und durch eine vereinfachte Erfassung leichter in den Praxis-/Klinikbetrieb integriert werden soll. Der Einsatz einer mobilen App im Bereich der Gewaltopferbeweissicherung ist nach Ansicht der Autoren ein neuartiger Ansatz, zu dem noch keine Vergleichsarbeiten vorliegen.

Methoden: Im Rahmen des von der EU und dem Land NRW geförderten Forschungsprojekt iGOBSIS-live wurde in Kooperation mit der Rechtsmedizin Düsseldorf und auf Basis der iGOBSIS-Webanwendung eine mobile Version entwickelt. Die App wurde in einem interdisziplinären Entwicklungsprozess zusammen mit Endanwendern entwickelt.

1.
Umfragen: Zuvor wurde eine explorative Umfrage unter den Projektteilnehmern (N=104) durchgeführt, um Defizite bei der Gewaltopferuntersuchung und Dokumentation aufzudecken. Anschließend erfolgte eine ergänzende Umfrage (N=77), um technische Defizite in der Ausstattung zu erkennen.
2.
Usability-Test: Mit einem daraufhin erstellten Prototypen der App wurde ein Usability-Test (N=4 Ärztinnen und Ärzte Rechtsmedizin Düsseldorf) mit einer nachgestellten Gewaltopferbeweissicherungsszene und anschließendem Fragebogen durchgeführt. Der Test erfolgte mit einem Sony-Z2-Tablet (10,1'').

Ergebnisse:

1.
Umfragen: In der explorativen Umfrage stellte sich heraus, dass sich 83% der Befragten mehr Sicherheit bei der gerichtsfesten Verletzungsdokumentation durch das Projekt wünschen. Auch fühlen sich 39% unsicher bei der Untersuchung und Dokumentation [2]. 74% der Befragten (N=77) verfügen über eine Kamera zur Aufnahme von Verletzungen [5], 75% dürfen Fotos von einer Kamera auf den Computer übertragen. Zudem haben 23% einen WLAN-Zugriff [5].
2.
Usability-Test: Ein wesentliches Ergebnis des Usability-Tests der App ist, dass alle Personen (N=4) sowohl Vorteile bei der Webanwendung als auch bei der App sehen. Die Hälfte gab an, dass die Dokumentation via App schneller ist als mit der Webanwendung. Positiv wurde zudem das einheitliche Bedienungsprinzip genannt. Auch zeigte sich, dass die Größe des Tablets ein kritischer Erfolgsfaktor ist, da Verletzungsfotos einhändig aufgenommen werden müssen, damit parallel ein Maßstab angelegt werden kann.

Diskussion: Die Webanwendung iGOBSIS kann aufgrund von technischen Hindernissen (z.B. keine Kamera/WLAN verfügbar) nicht immer vollumfänglich genutzt werden. Gerade die Fotodokumentation ist jedoch ein essenzieller Bestandteil der forensischen Verletzungsdokumentation [5]. Auch ist die Dokumentation an einem stationären Bildschirm in einer sensiblen Untersuchungssituation problematisch.

Daher wurde eine offlinefähige Dokumentations-App mit dem Ziel einer einfacheren Erfassung entwickelt, die den Arzt Schritt-für-Schritt durch die Dokumentation führt. Der Usability-Test zeigte, dass die App-Nutzung nicht in allen Bereichen zu einer Vereinfachung und schnelleren Eingabe führt, denn gerade Texteingaben per Bildschirmtastatur verlängern den Dokumentationsprozess. Um die Vorteile beider Dokumentationslösungen(Web/App) auszunutzen, wurde dem Anwender daher die Entscheidung überlassen, welche Daten mittels welcher Lösung eingegeben werden. So kann z.B. nur die Verletzungsdokumentation mittels Tablet und integrierter Kamera erfolgen und der Fall nach dem Upload in die Webanwendung dort weiterbearbeitet werden.

iGOBSISmobile soll im weiteren Verlauf des Projekts im Echtbetrieb getestet und evaluiert werden.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
European Union Agency For Fundamental Rights (Agentur der Europäischen Union für Grundrechte). Gewalt gegen Frauen: eine EU-weite Erhebung. Ergebnisse auf einen Blick [Deutsche Übersetzung von Violence against women: an EU-wide survey. Results at a glance]. FRA; 2014. DOI: 10.2811/60272 Externer Link
2.
Gahr B, Siegel M, Tank A, Liedmann J, Haas P, Ritz-Timme S. Victims of violence under medical care: Challenges in daily medical practice [abstract]. Rechtsmedizin. 2017;27:326. DOI: 10.1007/s00194-017-0182-x. Externer Link
3.
Kilchenstein R. Ärzte dokumentieren Verletzungen unzureichend. CME. 2016;13(9): 34. DOI:10.1007/s11298-016-5878-9 Externer Link
4.
Suelmann C, Mützner R, Aschhoff M, Lowin D, Gahr B, Haas P. IT-gestützte vertrauliche Spurensicherung und -archivierung: GOBSIS – Gewaltopfer-Beweissicherungs-Informationssystem. In: GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DOI: 10.3205/14gmds017 Externer Link
5.
Gahr B, Tank A, Liedmann J, Siegel M, Haas P, Ritz-Timme S. Technical requirements for computerized documentation of injuries – potential of modern technology vs. day-to-day physician’s business [abstract]. Rechtsmedizin. 2017;27:366. DOI: 10.1007/s00194-017-0182-x Externer Link