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63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

02. - 06.09.2018, Osnabrück

BPNM zur Integrierten Darstellung von Prozessen und Risiken in der Medizin am Beispiel der Pflege von außerklinisch beatmeten Patienten

Meeting Abstract

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  • Gerard Paschke - Carl von Ossietzky Universität, Oldenburg, Deutschland
  • Rainer Röhrig - Carl von Ossietzky Universität, Oldenburg, Deutschland
  • Myriam Lipprandt - Carl von Ossietzky Universität, Oldenburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Osnabrück, 02.-06.09.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocAbstr. 10

doi: 10.3205/18gmds071, urn:nbn:de:0183-18gmds0717

Veröffentlicht: 27. August 2018

© 2018 Paschke et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: Tätigkeiten im medizinischen Umfeld bergen Risiken [1], [2], [3]. Bei der ambulanten Pflege von heimbeatmeten Patienten, die auf eine durchgängige maschinelle Beatmung angewiesen sind, kann jeder Behandlungsfehler gravierende Folgen mit sich bringen. Das Ziel des Verbundforschungsprojekt MeSiB ist Maßnahmen zur Risikominimierung heimbeatmeter Patienten zu entwickeln [4]. Zur Fehlervermeidung ist sowohl die Qualitätssicherung der Pflegehandlungen, als auch ein sicherer Umgang mit der Medizintechnik beachtenswert. Die Medical Device Regulation sieht in den allgemeinen Sicherheits- und Leistungsanforderungen einen Usability- und Risikomanagementprozess vor [5], [6], [7], [8].

Behandlungsprozesse können mit Hilfe von Business Process Model and Notation (BPMN) modelliert werden [9], BPMN enthält jedoch keine Möglichkeiten, Risiken zu modellieren [10]. Es existieren jedoch verschiedene Forschungsansätze zur Risikomodellierung mit BPMN im betriebswirtschaftlichen Kontext [11]. Das Ziel dieser Arbeit ist zu prüfen, inwieweit dieser Modellierungsansatz in BPMN auf die Heimbeatmung übertragen werden kann, um den Usabilityprozess mit dem Risikomanagementprozess auch auf Modellierungsebene zu verschränken.

Methodik: Basierend auf bereits in dem Projekt geführten Experteninterviews, mit sieben Pflegekräften der stationären und ambulanten Beatmungspflege, konnten die beschriebenen Tätigkeiten der Pflegeprozesse in BPMN modelliert werden. Die Modellierung wurde auf den Referenzprozess der Sekret-Absaugung eingegrenzt und in Rücksprache mit zwei Anästhesie- und Intensivmedizinern in mehreren Iterationen verfeinert. Es folgte eine Risikoanalyse mit den Methoden der vorläufigen Gefährdungsanalyse [PHA], Fehlerbaumanalyse [FTA], Fehler-Möglichkeits- und Einflussanalyse [FMEA] sowie der Bow Tie Analyse [12]. Im nachfolgenden Schritt wurden die Forschungsansätze zur Darstellung von Risiken auf ihre Anwendbarkeit in der Heimbeatmung geprüft. Daraus gewonnene Erkenntnisse wurden zu einem Modellierungsvorschlag zusammengetragen, mit dem die aufgenommenen Risiken und Ansätze für Gegenmaßnahmen im Referenzprozess abgebildet wurden. Abschließend wurden noch nicht identifizierte Risiken aus den Eigenschaften einzelner Prozessschritte und denkbaren Abweichungen von diesen abgeleitet.

Ergebnisse: In der Heimbeatmung wurden als wesentliche Gefährdungen biologisch die Hypoxie, mikrobiell oder biologisch eine Lungenentzündung und die physischen Schädigungen der Atemwege identifiziert. Die dazu führenden Ursachen konnten in BPMN den einzelnen Prozessschritten zugeordnet werden. Weitere Angaben wie Wahrscheinlichkeit, Schadenshöhe und gegenseitige Beeinflussung oder Abhängigkeiten könnten in BPMN in sehr begrenztem Maße erfasst werden, verfehlen jedoch das Ziel und mindern die Lesbarkeit erheblich. In Anlehnung an die bestehenden Konzepte aus PHA, FTA, FMEA, BTA wurden Ergänzungen in BPMN vorgenommen, die eine begrenzte Anwendung in der Medizin ermöglichen.

Diskussion: Risiken in der Heimbeatmung konnten mit BPMN modelliert und dargestellt werden. Bisherige Forschungsansätze zur Darstellung von Risiken mit BPMN entstammen einem betriebswirtschaftlichen Kontext [11] und können nach unseren Ergebnissen medizinische Risiken nicht treffend abbilden. Begrenzender Faktor ist die Wahl der Modellierungsebene. So kann ein detaillierter Prozessablauf mehr Gefährdungen aufdecken, während dies die Modellierung erheblich erschwert. Hilfreich ist die klare Trennung der Modelle nach Darstellungszielen und Nutzung verschiedener Analysemethoden, um vorhandene Risiken umfassend aufzudecken. Von einer alleinigen Nutzung von BPMN zur Risikoanalyse ist abzuraten.

Eine erfolgreiche Integration von Risiken in BPMN kann ggf. die Produktentwicklung durch ein klares Verständnis der Abläufe verbessern und gleichzeitig auf kritische Umstände und Tätigkeiten hinweisen. Besonders für die Softwareentwicklung bietet dies einen Ansatzpunkt weiterer Forschung um ein geeignetes Modellierungstool anzubieten, das die verschiedenen Modelle an ihren Schnittstellen verbindet.

Das Projekt MeSiB ist durch das BMBF gefördert.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.

Die Arbeit ist ein Teil der Master Thesis von Gerard Paschke an der Universität Oldenburg (MSc / Wirtschaftsinformatik).


Literatur

1.
Leitgeb N. Sicherheit von Medizingeräten. Berlin/Heidelberg: Springer; 2015.
2.
Lindholm C, Notander PJ, Höst M. A case study on software risk analysis and planning in medical device development. Software Quality Journal. 2014 Sep;22(3):469–97.
3.
Makary AM, Daniel M. Medical error — the third leading cause of death in the US. BMJ. 2016;353. DOI: 10.1136/bmj.i2139 Externer Link
4.
Lipprandt M, Gacek S, Röhrig R. MeSiB - More Safety for Ventilated Patients in Intensive Home Care. In: 63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Osnabrück, 02.-06. September 2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc PS9. DOI: 10.3205/18gmds149 Externer Link
5.
Europäische Union. Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates. Amtsblatt L 117/2017. Apr 5, 2017.
6.
DIN. DIN EN ISO 14971:2013-04 - Medizinprodukte - Anwendung des Risikomanagements auf Medizinprodukte (ISO 14971:2007, korrigierte Fassung 2007-10-01); Deutsche Fassung. EN ISO 14971:2012.
7.
DIN EN 62366-1:2017-07; VDE 0750-241-1:2017-07: Medizinprodukte - Teil 1: Anwendung der Gebrauchstauglichkeit auf Medizinprodukte (IEC 62366-1:2015 + COR1:2016); Deutsche Fassung. EN 62366-1:2015 + AC:2015.
8.
Backhaus C. Usability Engineering in der Medizintechnik. Heidelberg/Dordrecht/London/New York: Springer; 2010. DOI: 10.1007/978-3-642-00511-4 Externer Link
9.
Zielinski DE, Bonnet P. Prozessmodellierung in der Medizin. In: Dokumentation der Tagung „MedPro2011 – Tagung zur medizinischen Prozessmodellierung“ Fachhochschule Brandenburg, 14 April 2011. Brandenburg: Alcatel-Lucent Stiftung.
10.
Object Management Group. Business Process Model and Notation (BPMN). Version 2.0.2. 2013 [cited 2018 Apr 09]. Available from: https://www.omg.org/spec/BPMN/2.0/ Externer Link
11.
Greiner S. Risikointegriertes Prozess Engineering am Beispiel Offshore Windpark. Universität Oldenburg; 2017.
12.
DIN ISO 31000:2018 Risk management — Guidelines.