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63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

02. - 06.09.2018, Osnabrück

Patientenzentriertes Service Design für chronische Krankheiten: Vorstellen eines „Service Construction Set“ – getestet anhand Multipler Sklerose

Meeting Abstract

  • Carina Harding - Kernkompetenzzentrum FIM, Augsburg, Deutschland
  • Henner Gimpel - Kernkompetenzzentrum FIM, Augsburg, Deutschland
  • Layal Shammas - Zentrum für Telemedizin Bad Kissingen, Bad Kissingen, Deutschland
  • Christian Regal - Kernkompetenzzentrum FIM, Augsburg, Deutschland
  • Asarnusch Rashid - Zentrum für Telemedizin Bad Kissingen, Bad Kissingen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Osnabrück, 02.-06.09.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocAbstr. 258

doi: 10.3205/18gmds066, urn:nbn:de:0183-18gmds0661

Veröffentlicht: 27. August 2018

© 2018 Harding et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Chronische Krankheiten gehören weltweit zu den häufigsten Todesursachen und belasten das Leben der Erkrankten erheblich [1]. Innovative Ansätze digitaler Services (z.B. e-Health) könnten dabei helfen, die Versorgung chronisch Erkrankter zu verbessern.

Diese Arbeit untersucht, wie digitale Services gestaltet werden müssen, um diesen Mehrwert zu schaffen. Hierfür wenden wir spezifisches Wissen aus den Bereichen Design Science Research (DSR) und Service Science auf Chronic Care an. Daraus entwickeln wir ein patientenzentriertes “Service Construction Set” (SCS), welches für Service Designer einen Entwicklungs- und Implementierungsprozess für digitale Services für chronisch kranke Patienten bereitstellt.

Methoden: Die Forschungsmethode beruht auf dem “Build and Evaluate” Ansatz [2] aus der DSR. Zunächst wurde das theoretische SCS entwickelt (“build”), welches dann mit Multiple-Sklerose-Patienten (MS-Patienten) und Experten prototypisch getestet und evaluiert wurde (“evaluate”).

Für die inhaltliche Entwicklung des SCS wurde eine Literaturrecherche (PubMed, Embase) mit Fokus auf „Chronic Care Management“ und „e-Health“ durchgeführt. Insgesamt wurden 285 Paper (Titel und Abstract) hinsichtlich ihrer Relevanz gesichtet. Es wurden 22 Paper als relevant und neuartig identifiziert, systematisch extrahiert und analysiert. Die Ergebnisse wurden anschließend konsolidiert in das SCS übergeführt.

Die Anwendung des SCS wurde dann an dem Fall MS getestet. Die Arbeit verfolgt zwei Zielsetzungen: a) Erkenntnisse über die Verwendung des theoretischen SCS zu erhalten, und b) einen konkreten digitalen Service für MS-Patienten zu gestalten. Für die Gestaltung wurde der im SCS vorgestellte, iterative Prozess [3] durchlaufen. Es wurden Interviews mit Patienten und Experten geführt. Hierbei wurden der aktuelle Stand der Therapie und die Bedürfnisse der Patienten identifiziert, um darauf aufbauend digitale Servicelösungen zu entwickeln. Die (Teil-)Ergebnisse wurden wiederum durch Interviews evaluiert. Für die Auswertung der Interviews wurde die qualitative Inhaltsanalyse [4] verwendet.

Ergebnisse: Insgesamt sind Ergebnisse aus 23 Interviews über einen Zeitraum von neun Monaten in die Gestaltung des digitalen Service für MS-Patienten mit eingeflossen (17 MS-Patienten, 2 Mediziner, 3 Physiotherapeuten und eine MS-Krankenschwester). Die Anwendung des SCS im Rahmen des Projekts “MS Bewegt” konnte Verbesserungspotenziale in folgenden Bereichen der Therapie identifizieren: Selbstmanagement der Krankheit, Wissensbereitstellung für Patienten, Patienten-Therapeuten-Kommunikation und soziale Unterstützung. Unerfüllte Bedürfnisse in den Bereichen sind z.B. Motivation für die Einhaltung des Therapieplans, Filtern von relevanten Informationen abgestimmt auf das individuelle Krankheitsbild, Bereitstellung der Gesundheitsdaten in verständlicher Form oder die regelmäßige Kontrolle durch professionelle Dritte.

Darüber hinaus zeigt die erfolgreiche Anwendung des SCS am Fall MS, dass die zugrundeliegende, krankheitsunabhängige Designtheorie: (a) für chronische Krankheiten anwendbar ist, (b) einen transparenten, verständlichen Anwendungsprozess für Service Designer beinhaltet, und (c) zur Forschung im Bereich Service Design für chronische Krankheiten beiträgt.

Diskussion: Die Arbeit hat gezeigt, dass das theoretische SCS in der Praxis angewendet werden kann und Service Designer bei der Gestaltung digitaler Services unterstützt. Für MS-Patienten hat sich eine ganzheitliche, digitale Plattform zur Patienten-Therapeuten-Kommunikation, sowie dem Selbst- und Wissensmanagement, als mehrwertschaffende Lösung herausgestellt. Theoretisch ließe sich ein ganzheitlicher Service designen, jedoch müssen bei der Umsetzung in Zukunft nicht nur technische, sondern auch finanzielle, rechtliche, soziale und ethische Hürden beachtet werden [5]. Im Rahmen des Projekts “MS Bewegt” werden daher zunächst (Teil-)Services entwickelt, die im aktuellen Gesundheitssystem implementiert werden können.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Norris SL, Glasgow RE, Engelgau MM, O Connor PJ, McCulloch D. Chronic Disease Management. Disease Management & Health Outcomes. 2003;11(8):488-77.
2.
Peffers K, Tuunanen T, Rothenberger MA, Chatterjee S. A Design Science Research Methodology for Information Systems Research. Journal of Management Information Systems. 2007;24(3):78-45.
3.
Sonnenberg C, vom Brocke J. Evaluations in the Science of the Artificial – Reconsidering the Build-Evaluate Pattern in Design Science Research. Design Science Research in Information Systems. Advances in Theory and Practice. 2012:7286.
4.
Mayring P. Qualitative Inhaltsanalyse. In: Mey G, Mruck K, editors. Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften; 2010. p. 601-13.
5.
Dinesen B, Nonnecke B, Lindeman D, Toft E, Kidholm K, Jethwani K, et al. Personalized Telehealth in the Future: A Global Research Agenda. Journal of medical Internet research. 2016;18(3):e53.