gms | German Medical Science

63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

02. - 06.09.2018, Osnabrück

Nutzerorientierte Anforderungsmodellierung für die Entwicklung eines interdisziplinären Entscheidungsunterstützungssystems

Meeting Abstract

Suche in Medline nach

  • Christian Haux - Universität Heidelberg, Heidelberg, Deutschland
  • Max W. Seitz - Universität Heidelberg, Heidelberg, Deutschland
  • Stefan Listl - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland; Radboud University Nijmegen, Nijmegen, Niederlande
  • Petra Knaup - Institute of Medical Biometry and Informatics, Heidelberg University Hospital, Heidelberg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 63. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Osnabrück, 02.-06.09.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocAbstr. 273

doi: 10.3205/18gmds026, urn:nbn:de:0183-18gmds0268

Veröffentlicht: 27. August 2018

© 2018 Haux et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: In der wissenschaftlichen Literatur gibt es Hinweise auf Zusammenhänge zwischen Zahnerkrankungen und chronischen Erkrankungen [1], [2]. Daher ist eine interdisziplinäre Versorgung wichtig, bei der Haus- und Zahnarzt eines Patienten umfassend über dessen Gesundheitszustand informiert und die Kommunikation zwischen diesen gefördert werden kann. Bisher wird die Zusammenarbeit von Haus- und Zahnärzten kaum durch E-Health-Lösungen unterstützt. Das Dent@Prevent-Projekt entwickelt daher ein interdisziplinäres Entscheidungsunterstützungssystem [3]. In diesem Beitrag werden die Modellierung der interdisziplinären Versorgungsprozesse und die Möglichkeiten zur Einbindung in die Versorgung vorgestellt.

Methoden: Mit einer systematischen Übersichtsarbeit wurde zunächst die Evidenz für konkrete Zusammenhänge zwischen Zahnerkrankungen und chronischen Erkrankungen ermittelt [4]. Für den Zusammenhang mit der höchsten Evidenz, Parodontitis und Diabetes, wurden die Behandlungsprozesse [5], [6], [7] mit der Methode ARIS (Architektur Integrierter Informationssysteme) [8] modelliert und von Zahnärzten validiert. Mit der Brainstorming-Methode wurde ein allgemeiner, interdisziplinärer Versorgungsprozess abgeleitet sowie Komponenten und Funktionen des interdisziplinären Entscheidungsunterstützungssystems identifiziert.

Ergebnisse: Die Prozesssicht des ARIS-Modells besteht aus zwei Behandlungsszenarien. Das erste Szenario geht von einer Parodontitis-Behandlung aus. Der Zahnarzt muss bereits während der Anamnese über den Diabetesstatus des Patienten informiert sein, da dies Auswirkungen auf den Erfolg der Parodontitis-Behandlung hat. Das zweite Szenario geht von einer Diabetes-Therapie aus, bei der eine vorherige Parodontitis-Behandlung die Blutzuckerkontrolle verbessern kann. Insgesamt konnten für die Szenarien 21 relevante Parameter identifiziert werden, die in der Datensicht des ARIS-Modells abgebildet wurden. Für das Entscheidungsunterstützungssystem wurde zum einen die Funktion bestimmt, ausgehend von patientenberichteten Parametern Hinweise für Haus- und Zahnarzt auf das Vorliegen von Erkrankungen zu generieren. Zum anderen kann es Haus- und Zahnarzt mit behandlungsrelevanten Informationen versorgen, die bei der Therapieplanung unterstützen. Durch die Diskussion mit Haus- und Zahnärzten konnten Limitationen bei der interdisziplinären Kommunikation identifiziert werden, die durch eine stärkere Patientenpartizipation verbessert werden könnten. Zur Einbindung von Patienten kann eine mobile Applikation beitragen, mit der Patienten relevante Informationen über ihren Gesundheitsstatus und Behandlungspräferenzen berichten. Zum Beispiel kann die mobile Applikation dafür verwendet werden, den HbA1c-Wert eines Diabetespatienten zu dokumentieren. Somit werden behandlungsrelevante Informationen zwischen Haus- und Zahnarzt austauschbar.

Diskussion: Mit der Modellierung des interdisziplinären Prozesses konnten erfolgreich verschiedene Behandlungsszenarien abgebildet und Funktionen einer Patienten-Applikation und eines Entscheidungsunterstützungssystems abgeleitet werden. Diese werden im nächsten Schritt prototypisch implementiert. Der Austausch relevanter Informationen zwischen Haus- und Zahnarzt eines Patienten ist limitiert, wird jedoch als sinnvoll erachtet [9]. Entgegen anderer Bereiche der intersektoralen Versorgung, zum Beispiel Zuweisungs- oder Entlassmanagement, gibt es bei der interdisziplinären Zusammenarbeit von Haus- und Zahnärzten keine festgelegten Kommunikationspfade. Eine stärkere Patientenpartizipation kann eine zentrale Rolle bei der Umsetzung des interdisziplinären Behandlungsprozesses spielen. Eine Entscheidungsunterstützung könnte in Zukunft dafür genutzt werden, um Haus- und Zahnärzten proaktiv relevante Informationen für die Behandlung bereitzustellen oder den Therapieerfolg zu simulieren. Das Modell ist zunächst auf die Erkrankungen Diabetes und Parodontitis beschränkt. Die Ergebnisse sollen im nächsten Schritt um weitere Erkrankungszusammenhänge ergänzt werden. So können die Anforderungen an die Komponenten für eine interdisziplinäre Entscheidungsunterstützung systematisch ermittelt und die Wissensbasis modular aufgebaut werden.

Das dieser Veröffentlichung zugrundliegende Projekt wurde mit Mitteln des Innovationsausschusses beim Gemeinsamen Bundesausschuss unter dem Förderkennzeichen 01VSF16052 gefördert.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Liljestrand JM, Havulinna AS, Paju S, Mannisto S, Salomaa V, Pussinen PJ. Missing Teeth Predict Incident Cardiovascular Events, Diabetes, and Death. Journal of Dental Research. 2015;94(8):1055–62.
2.
Botero J, Rodríguez C, Agudelo-Suarez A. Periodontal treatment and glycaemic control in patients with diabetes and periodontitis: an umbrella review. Australian Dental Journal. 2016 Jun;61(2):134–48.
3.
Haux C, Schubert I, Ganzinger M, Knaup P, Listl S. Implementierung von Routinedaten und PROMs in die evidenz-informierte intersektorale (zahn-)medizinische Versorgung. In: 16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP225 (P225). DOI: 10.3205/17dkvf215 Externer Link
4.
Seitz M, Listl S, Haux C, van der Zande M. Current knowledge regarding links between highly prevalent dental and chronic diseases: an umbrella review. Forthcoming 2018.
5.
Deschner J, Haak T, Jepsen S, Kocher T, et al. Diabetes mellitus und Parodontitis. Der Internist. 2011 Apr;52(4):466–77.
6.
Hierse L. Parodontitis als Volkskrankheit. IGZ Die Alternative. 2015;20(1):4–10.
7.
Müller-Wieland D, Petermann A, Nauck M, Heinemann L, et al. Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus. Diabetologie und Stoffwechsel. 2016;(S 02):S78–81.
8.
Scheer AW. Architecture of integrated information systems. 1st ed. Berlin; Heidelberg: Springer; 1992.
9.
Sippli K, Rieger MA, Huettig F. GPs’ and dentists’ experiences and expectations of interprofessional collaboration: Findings from a qualitative study in Germany. BMC Health Services Research. 2017;17(1):1–13.