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GMDS 2014: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

07. - 10.09.2014, Göttingen

Prinzipien für die Qualitätssicherung von semantischen Kodierarbeiten

Meeting Abstract

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  • F. Stommel - Hochschule Niederrhein, Krefeld
  • E. Pantazoglou - Hochschule Niederrhein, Krefeld
  • D. Kulik - Hochschule Niederrhein, Krefeld
  • S. Thun - Hochschule Niederrhein, Krefeld

GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocAbstr. 156

doi: 10.3205/14gmds206, urn:nbn:de:0183-14gmds2061

Veröffentlicht: 4. September 2014

© 2014 Stommel et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Hintergrund: Eine semantische Kodierung erfordert ein einheitliches Verständnis der Konzepte eines bestimmten Kodiersystems. Die Vergleichbarkeit von Konzepten, welche man durch die Nutzung einer standardisierten Sprache erreicht, besteht aus zwei Ebenen: Die formale Ebene gewährleistet, dass die Vergleichsmerkmale jedes Objektes aufgezeichnet werden und dass dafür dieselben Bezeichnungen verwendet werden. Dies beinhaltet bspw., dass alle Synonyme eines Begriffs berücksichtigt werden. Die inhaltliche Ebene gibt einen Kontext auf die Wertemenge einer Merkmalsart vor, z.B. „männlich“, „weiblich“, „unbekannt“ bei der Merkmalsart „Geschlecht“. Dieser verdeutlicht den Stellenwert einer jeden Ausprägung [1]. Mittels einer begrenzten Anzahl an Merkmalen kann somit ein Sachverhalt eindeutig kodiert werden. Der Qualität der erfassten Daten kommt daher eine hohe Bedeutung zu. Nur wenn die Daten vollständig, richtig, präzise und konsistent sind, ergibt sich ein korrektes Ergebnis der Kodierung. Im Bereich der abrechnungsrelevanten Kodierung wird die Datenqualität einerseits durch Kodierrichtlinien und andererseits durch verschiedene Verfahren zur Datenqualitätsprüfung sichergestellt. Zur Qualitätssicherung findet hier bspw. eine stichprobenartige Überprüfung der kodierten OPS- und ICD-Codes statt. Eine solche Überprüfung im Bereich der nicht abrechnungsrelevanten Kodierung im Rahmen einer Qualitätssicherung unterliegt bislang keinen einheitlichen Maßstäben und Methoden.

Material und Methoden: Im Rahmen verschiedener Projekte an der Hochschule Niederrhein wurden semantische Kodierarbeiten durchgeführt. Grundsätzlich wird zwischen einer erstmaligen Kodierung eines Freitextes und einem Mapping, also der Überleitung einer Terminologie in eine andere unterschieden. So wurden bspw. in einem Kooperationsprojekt des Robert-Koch-Instituts zur „Einführung des überregionalen Echtbetriebs eines elektronischen Meldeverfahrens von Laboren an die zuständigen Gesundheitsämter“ sämtliche meldepflichtige Erreger des RKI-Mustermeldebogens erstmalig in die internationale Nomenklatur Logical Observation Identifier Names and Codes (LOINC®) kodiert [2] und in einem anderen, vom Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) geförderten Projekt „Standards zur Unterstützung von eCommerce im Gesundheitswesen“ verschiedene, relevante Terminologien aus den Bereichen eCommerce und Medizin gemappt. Erklärtes Ziel dieser Projektarbeiten ist es, einen Beitrag zur Steigerung der semantischen Interoperabilität zu leisten. Dabei stellte sich die Frage, durch welche Herangehensweise die Kodierqualität sichergestellt werden kann. Deswegen wurde zu dieser Thematik eine Literaturrecherche in den Datenbanken „PubMed\MEDLINE“ sowie „MEDPILOT“ mit dem Fokus auf Qualitätssicherung in der Kodierung durchgeführt. Da Literatur zum Thema bisher nur begrenzt vorhanden ist, wurden darüber hinaus Ansprechpartner identifiziert, die in der Diskussion wichtige Beiträge zur Recherche liefern und einen Vorschlag für den Qualitätssicherungsprozess bei Kodierarbeiten entwerfen konnten.

Ergebnisse: Bereits bei der Planung einer Kodierarbeit sind grundlegende Vorgehensweisen zu definieren. Die Benennung der zu verwendenden Terminologien, eindeutig gekennzeichnet über eine OID, ihre Versionen, die Richtung der Kodierarbeit und die Kriterien der Kodierung sind im Vorhinein festzulegen. Während der Kodierarbeit sollen entsprechend der ISO Vorgabe 12300 folgende Kardinalitäten dem Anforderungsprofil der Kodierung zugeordnet werden: [3]

  • Eins zu Eins (1:1), präzise Kodierung, genaue Entsprechung
  • Eins zu Viele (1:n), Item entspricht mehreren Kodes
  • Viele zu Eins (n:1), mehrere Items entsprechen einem Kode
  • Viele Zu Viele (n:m), mehrere Items entsprechen mehren Kodes
  • Eins zu Keins (1:0), Item entspricht keinem Kode.

Anzustreben ist hier eine möglichst präzise Entsprechung. Dadurch wird eine hohe Gleichwertigkeit der kodierten Items auf beiden Seiten erzielt.

Darüber hinaus müssen Überprüfungskriterien festgelegt werden [4]. Um einen subjektiven Einfluss zu verhindern, darf die Überprüfung nicht ausschließlich von derselben Person erfolgen, welche die Kodes erstellt hat. Sinnvoll ist eine Überprüfung durch eine Person mit anderer Domänenspezialisierung, wie z.B. durch eine/n Medizinische(r) Dokumentar(in), Pfleger(in), Arzt/Ärztin. Die kodierten Items sollten von mindestens zwei unabhängig voneinander agierenden Personen überprüft werden, um Fehler ausfindig zu machen [5].

Die Überprüfung der Kodes ist transparent und nachvollziehbar zu gestalten. Dazu müssen im Vorfeld der Prüfung Kategorien für das Prüfungsergebnis mit allen am Kodierprozess beteiligten Personen abgestimmt und dann im Rahmen der Qualitätssicherung den kodierten Konzepten zugewiesen werden. Sollten alle Überprüfer zu dem gleichen Prüfungsergebnis kommen, so kann davon ausgegangen werden, dass dieses Ergebnis korrekt ist. Sollte das Ergebnis der Prüfung ein fehlerhaftes Kodierergebnis sein, muss dieses Item sowohl erneut kodiert als auch überprüft werden. Kommen die Prüfer zu keinem einstimmigen Ergebnis, muss dieses Ergebnis in einem dafür eingerichteten „Kodier-Gremium“ besprochen und dort eine endgültige Lösung gefunden werden. Dieses Gremium sollte aus mindestens den drei am Kodierprozess beteiligten Personen bestehen, kann jedoch auch externe Spezialisten beinhalten, um bei Unstimmigkeiten eine weitere Meinung eines Domänenspezialisten einfließen zu lassen.

Die Kategorien, welche der Überprüfung zugrunde liegen, orientieren sich an ISO 12300: [3]

  • Fehlerfrei
  • Kodierung ist spezifischer als das Ursprungs-Item
  • Kodierung ist unspezifischer als das Ursprungs-Item
  • Falsche Kodierung da keine Kodierung möglich
  • Keine Kodierung obwohl eine Kodierung möglich wäre
  • Sonstiges

Das Ziel dieses Qualitätssicherungsprozesses ist die Minimierung des durch den Faktor Mensch entstehenden Fehlerpotentials.

Um einen technischen Fehler der verwendeten Software auszuschließen, muss zur Qualitätssicherung des Weiteren eine andere Software zum Einsatz kommen. Falls es hier zu Unstimmigkeiten zwischen zwei Softwareprodukten kommt muss eine umfassende Fehlerüberprüfung stattfinden. Liegt kein Anwenderfehler vor, so muss sich innerhalb des „Kodier-Gremiums“ auf eine Lösung verständigt werden und diese verständlich und begründet dokumentiert werden.

Diskussion: Bei der Qualitätssicherung durch ein unabhängiges und interdisziplinäres Team können mit Hilfe von oben dargelegtem standardisiertem Vorgehen sowohl Kosten als auch Zeit eingespart werden. Wünschenswert ist eine weltweit einheitliche Herangehensweise, die sowohl sprachlich als auch inhaltlich gleich gestaltet ist und somit Fehler reduziert bzw. ausschließt und dadurch für externe Personen nachvollziehbar ist. Durch semantische Kodierarbeiten wird die Interoperabilität gesteigert, da z.B. Mappingarbeiten verschiedener Terminologien den unterschiedlichen Sektoren und Akteuren im Gesundheitswesen zugänglich gemacht werden. Da hier eine ganzheitliche Expertise von allen Beteiligten nicht erwartet werden kann, ist das strukturierte Arbeiten und Befolgen oben aufgeführter Prinzipien von besonderer Bedeutung. Nur wenn Kodierarbeiten exakt und nachvollziehbar durchgeführt worden sind, lassen sich diese auch vertrauensvoll einsetzen. Gesicherte Qualität und hier insbesondere das Vermeiden von Fehlern führen zu einer Verbesserung der Versorgung in allen Bereichen des Gesundheitswesens und erhöhen dadurch vor allem auch die Patientensicherheit.


Literatur

1.
Leiner F, Gaus W, Haux R, Knaup-Gregori P, Pfeiffer KP. Medizinische Dokumentation: Grundlagen einer qualitätsgesicherten integrierten Krankenversorgung. Lehrbuch und Leitfaden. 6. Aufl. Stuttgart/ New York: Schattauer; 2011. S. 27-8.
2.
Pantazoglou E, Dewenter H, Thun S. Codierung von meldepflichtigen Erregern gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) mit dem Codiersystem LOINC. GMDS 2013. 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Lübeck, 01.-05.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocAbstr.28. DOI: 10.3205/13gmds091 Externer Link
3.
ISO 12300. Health informatics — Principles of mapping between terminological resources. [Internet]. 2013 [zitiert am 17.03.2014]. URL: http://isotc.iso.org/livelink/livelink?func=ll&objId=8863063&objAction=browse&viewType=1 Externer Link
4.
AHIMA, Content Validation Report - Phase 1 SNOMED CT to ICD-10 Mapping Project [Internet]. 2012 [zitiert am 17.03.2014]. URL: http://www.ihtsdo.org/fileadmin/user_upload/Docs_01/SNOMED_CT/Development/Content_Validation_Report_20130327.pdf Externer Link
5.
DIN EN 15038 Übersetzungs-Dienstleistungen - Dienstleistungsanforderungen; Deutsche Fassung EN 15038:2006. S. 476.