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GMDS 2014: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

07. - 10.09.2014, Göttingen

Konzept für ein befundgesteuertes Einladungswesen für organisierte Screeningprogramme unter Berücksichtigung von Datenschutzinteressen der Teilnehmenden

Meeting Abstract

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  • I. Urbschat - Epidemiologisches Krebsregister Niedersachsen (EKN), Oldenburg
  • J. Kieschke - Epidemiologisches Krebsregister Niedersachsen (EKN), Oldenburg

GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocAbstr. 128

doi: 10.3205/14gmds194, urn:nbn:de:0183-14gmds1942

Veröffentlicht: 4. September 2014

© 2014 Urbschat et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Das Krebsfrüherkennungs- und Registergesetz (KFRG) schreibt dem Gemeinsamen Bundesausschuss die Einführung von organisierten Screeningprogrammen mit effektiver Qualitätssicherung und Evaluation nach den Europäischen Leitlinien vor. Auch sollen der anspruchsberechtigten Bevölkerung verbesserte Informationen über Nutzen und Schaden der Krebsfrüherkennungsuntersuchungen (KFU) bereitgestellt werden. Neben dem bereits eingeführten Mammographie-Screening gibt es entsprechende Leitlinien für Zervixkarzinom- und Darmkrebsscreening.

Wünschenswert ist ein organisiertes Einladungswesen, bei dem die Dichte der Screeninguntersuchungen dem individuellen Risiko der Anspruchsberechtigten bzw. den Befunden aus früheren Screeninguntersuchungen angepasst wird. Hierfür ist es erforderlich, anamnestische Angaben und Befunde vorhergehender Screeninguntersuchungen heranziehen zu können. Die Umsetzung einer befundgesteuerten Einladung ist im deutschen Gesundheitswesen eine große datenschutzrechtliche Herausforderung.

Die datenschutzrechtlichen Vorgaben des § 25a, KFRG beinhalten eine gesetzgeberische Güterabwägung. Abgewogen wird zwischen der Bekämpfung von Krebs als einer lebensbedrohlichen Erkrankung auf der einen Seite und der Patientenautonomie, der Freiwilligkeit der Untersuchungsteilnahme und der Datenverwendung auf der anderen Seite. Den Anspruchsberechtigten wird daher ein Widerspruchsrecht zugestanden. Ziel dieses Beitrags ist es, ein Konzept aufzuzeigen, wie eine befundgesteuerte Einladung und eine Programmevaluation unter Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben umsetzbar wäre.

Methodik: Die Vorgaben des KFRG bzw. der Begründung beinhalten u.a.:

  • die Notwendigkeit einer Einwilligung, wenn Befunddaten der Krankenkassen für die Einladung verwendet werden sollen,
  • ein Widerspruchsrecht auf verschiedenen Ebenen (gegen Einladung/Qualitätssicherung/Krebsregister-Datenabgleich),
  • das Recht auf Screening-Teilnahme auch bei Widerspruch.

Aufbauend auf den für den Datenabgleich zwischen Mammographie-Screening-Programm und Landeskrebsregistern entwickelten Verfahren wird ein Konzept für die umfassenden erforderlichen Datenflüsse vorgestellt. Der (zeitweise) Zugang zu personenidentifizierenden Daten (PID) der Anspruchsberechtigten bzw. Teilnehmenden wird auf wenige Arbeitseinheiten beschränkt. Dies sind:

  • Einladungsstelle
  • Screening-ÄrztInnen (evtl. auch Zytologien und Pathologien)
  • Pseudonymisierungsdienst.

Die für Auswertung und Evaluation zuständigen Arbeitseinheiten verwenden ausschließlich pseudonymisierte bzw. anonymisierte Daten:

  • Datenhaltungs-/Abgleichsstelle
  • Screening-Evaluationsstelle
  • Krebsregister-Registerstelle.

Ergebnisse: Eine Einladungsstelle verschickt an alle Anspruchsberechtigten anhand von Meldeamts- oder Krankenkassendaten die Ersteinladung. Die am Screening teilnehmenden ÄrztInnen leiten die PID an einen Pseudonymisierungsdienst weiter. Getrennt davon sind Screening- und Abklärungsergebnisse an eine Datenhaltungs-/Abgleichsstelle zu übermitteln. Hier werden sie mit den PID-Pseudonymen mittels einer Kommunikations-Nr. zusammengeführt. In der ersten Screeningrunde werden das Screeningergebnis und der befundabhängige Wiedereinladungstermin pseudonymisiert in der Datenhaltungs-/Abgleichsstelle gespeichert. Mit Einwilligung können weitere Angaben zum Risikostatus gespeichert werden. Vor Wiedereinladung lässt die Einladungsstelle für die Anspruchsberechtigten auf pseudonymisierter Ebene überprüfen, ob der gespeicherte Wiedereinladungstermin erreicht ist. Nur dann verschickt die Einladungsstelle eine Wiedereinladung. Bei Widerspruch erfolgt keine Wiedereinladung. Medizinische Daten der Krankenkassen werden für die befundgesteuerte Einladung nicht herangezogen. Die Einladungsstelle und der Pseudonymisierungsdienst erhalten zu keinem Zeitpunkt Kenntnis über medizinische Daten.

Diskussion: Das befundgesteuerte Einladungswesen ist ein Kernstück der Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung. Das vorgestellte Wiedereinladungskonzept basiert auf pseudonymisierten Befunddaten der Datenhaltungs-/Abgleichsstelle und nicht auf Befunddaten der Krankenkassen. Es wäre daher umsetzbar für alle ScreeningteilnehmerInnen, die nicht widersprochen haben. Das Wiedereinladungsintervall wäre individuell anzupassen bei gleichzeitiger Schaffung der Voraussetzungen für die Qualitätssicherung. Falsch-positive und falsch-negative Raten wären landesweit vergleichbar, eine bevölkerungsbezogene Evaluation nach EU-Leitlinien wäre möglich. Widerspruchsmöglichkeit und pseudonymisierte Datenhaltung berücksichtigen die Datenschutzinteressen der Anspruchsberechtigten. Das Konzept erfordert allerdings eine umfassende Software-Unterstützung. Es wird empfohlen, die Akzeptanz der befundgesteuerten Einladung in einer Modellphase zu erproben.