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GMDS 2014: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

07. - 10.09.2014, Göttingen

Koronarkalk: Progression entlang der Querschnitts-Perzentilen?

Meeting Abstract

  • N. Lehmann - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Essen
  • R. Erbel - Universitäts-klinikum Essen, Essen
  • S. Khurtsidze - Universitäts-klinikum Essen, Essen
  • M. Rauwolf - Universitäts-klinikum Essen, Essen
  • A.A. Mahabadi - Universitäts-klinikum Essen, Essen
  • S. Möhlenkamp - Universitäts-klinikum Essen, Essen
  • S. Moebus - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Essen
  • U. Roggenbuck - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Essen
  • K.H. Jöckel - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Essen

GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocAbstr. 215

doi: 10.3205/14gmds172, urn:nbn:de:0183-14gmds1721

Veröffentlicht: 4. September 2014

© 2014 Lehmann et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Verkalkung der Koronargefäße ist das Resultat aktiver oder vergangener atherosklerotischer Prozesse. Das Fortschreiten der koronaren Verkalkung (CAC) scheint im Wesentlichen durch den bereits vorhandenen Kalk determiniert zu sein. Die Bestimmung des Koronarkalks per Computertomogramm (CT) ist zwar nicht invasiv, aber mit Strahlenbelastung verbunden. Ein Kalkulator wurde entwickelt, der zunächst bei gegebenem Alter, Geschlecht und CAC die zu einem Patienten gehörende Perzentile der Kalkverteilung im Querschnitt (Zeitpunkt t0) einer bevölkerungsbasierten Kohorte bestimmt. Dieser wird zum Test der Hypothese eingesetzt, dass der Koronarkalk individuell längs der Perzentilen im Querschnitt wächst.

Methoden: Die Heinz Nixdorf Recall (HNR) Studie ist eine prospektive Kohortenstudie im Ruhrgebiet [1]. Sie rekrutierte 2000-2003 (t0) 4814 Probanden per zufälliger Einwohnermeldeamtsstichprobe. Von 3481 Probanden ohne koronare Herzerkrankung lagen nach der Zweituntersuchung 2006-2008 (t1) zwei Herz-CTs im Abstand (t1-t0) von im Mittel 5,1 Jahren (Standardabweichung: 0,3 Jahre) zusammen mit allen weiteren benötigten Daten vor. Das Alter bei t0 betrug 45-74 Jahre (Mittelwert 58,9 (7,6) Jahre), es waren 53,1% Frauen.

Die CAC-Verteilung bei t0 wurde zunächst in 5%-Quantilschritten per Quantilregression auf der ln-Skala je Geschlecht durch lineare Funktionen des Alters, ln(CAC+1)=I(Q)+ß(Q)*Alter, geschätzt. Anschließend wurden jeweils Achsenabschnitte sowie Steigungen dieser Geraden durch Parabeln als Funktionen des Quantils genähert.

Ergebnisse: Regressionsanalysen der CAC-Werte bei Baseline (t0) in der HNR zeigen, dass der Kalk im Querschnitt etwa exponentiell mit dem Alter ansteigt. Zeichnet man den Altersverlauf z.B. der 50., 75. oder 90. Perzentile bei t0 und bei t1 je Geschlecht in einen Graphen, so ergibt sich bis auf geringe Abweichungen die Kurve bei t1 durch eine Parallelverschiebung um 5 Jahre längs der Altersachse. Dies ist eine notwendige Bedingung für die biologische Hypothese, dass auch individuell der CAC exponentiell mit dem Alter wächst, und zwar längs der Perzentilen im Querschnitt.

Die Bestimmung des CAC-Quantils eines Patienten in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht erfolgt in zwei Schritten:

a. Für eine grobmaschige Schätzung berechnen wir D=|I(Q)+ß(Q)*Alter – ln(CAC+1)| für jedes Q (in 0,05-Schritten). Dann wählen wir dasjenige Q=Qm, bei dem D sein Minimum über die Menge der Q annimmt.
b.Anschließend berechnen wir beide Lösungen in Q von ln(CAC+1)=I(Q)+ß(Q)*Alter, wobei I(Q) sowie ß(Q) durch die zugehörigen Parabeln genähert sind. Für Frauen ist dies
(1) ln(CAC+1)=a0I+a1I*Q+a2I*Q^2 + (a0ß+a1ß*Q+a2ß*Q^2)*Alter, eine quadratische Gleichung mit den Lösungen Qa, Qb. Diejenige Lösung, die näher an Qm liegt, ist das gesuchte Quantil Q. Für Männer ist in Gleichung (1) Q durch Q^(-1/4) zu ersetzen.

Der Fit von I(Q) und ß(Q) (Männer: I(Q^(-1/4))und ß(Q^(-1/4))) durch Parabeln ist mit Varianzaufklärungen von >98% sehr gut. Das beschriebene Vorgehen reproduziert den Kalkwert bei t0 bis auf wenige begründete Ausnahmen. Der Mittelwert (Standardabweichung) der Abweichung zwischen gemessenem ln(CAC(t0)+1) und berechnetem Wert ist 0,026 (0,154), die Varianzaufklärung beträgt 99,6%.

Wir implementieren und überprüfen im Weiteren die Vermutung, dass näherungsweise die individuelle, koronare Kalklast entlang des Quantils anwächst:

(2) ln(CAC(t1)+1)=I(Qk)+ß(Qk)*(Alter(t0)+(t1-t0)), mit k= -1/4 für Männer und k=1 für Frauen, wobei Q das in Schritt b) gewonnene Quantil bei t0 ist.

Die Abweichung zwischen gemessenem ln(CAC(t1)+1) und vorhergesagten Wert ist 0,069 (1,21), die Varianzaufklärung beträgt 78,9% mit graduell besserem Wert bei Männern. Die kappa-Statistik für Übereinstimmung beträgt 0,746 (95% Konfidenzintervall: 0,732-0,760). Von den 3481 Probanden liegen 68,1% innerhalb eines vordefinierten Akzeptanzbereichs für die CAC-Perzentile bei t1 mit einer erwarteten Quote von 20% bei zufälliger Verteilung. Dabei liegen 19,4% oberhalb und 12,5% unterhalb des Akzeptanzbereiches.

Schlussfolgerung: Die Hypothese, dass der Koronarkalk individuell längs der CAC-Perzentilen anwächst, kann im 5-Jahreszeitraum im Rahmen biologischer Variabilität gestützt werden. In vielen Fällen kann aufgrund der Vorhersage auf zeitnah wiederholte Messungen verzichtet werden, beziehungsweise der zeitliche Abstand zur nächsten Kalkbestimmung individuell geplant werden. Auf der anderen Seite deutet eine gegenüber dem für einen Zeitpunkt prognostizierten Wert beschleunigte Progression der koronaren Verkalkung auf einen aktiven atherosklerotischen Prozess. Zu beachten ist die fortschreitende Entwicklung der CT-Scanner, die aufgrund wachsender Auflösung und besserer Identifizierung kalzifizierter Plaques eine Anpassung der CAC-Werte zu verschiedenen Zeitpunkten notwendig macht.


Literatur

1.
Möhlenkamp S, Moebus S, Schmermund A, Lehmann N, Hoffmann B, Neumann T, Stang A, Dragano N, Kerkhoff G, Naber C, Kälsch H, Beck EM, Bröcker-Preuss M, Kröger K, Budde T, Siegrist J, Mann K, Jöckel KH, Erbel R; für die Studiengruppe der Heinz Nixdorf Recall Studie. Analyse des natürlichen Verlaufs der Koronargefäßverkalkung und Identifizierung ihrer Determinanten [Assessment of the natural history of coronary artery calcification and identification of its determinants. Rationale of the 2nd part of the Heinz Nixdorf Recall Study]. Herz. 2007 Mar;32(2):108-20. DOI: 10.1007/s00059-007-2982-3 Externer Link