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GMDS 2014: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

07. - 10.09.2014, Göttingen

Vorschlag zur methodischen Vorgehensweise bei Erstellung einer Metaanalyse mit methodischen Aspekten als Zielkriterium – Illustration an Reviews zur erwartbaren drop out-Rate in Klinischen Studien in Kataraktchirurgie und Kieferorthopädie

Meeting Abstract

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  • S. Knippschild - Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie, Fakultät für Gesundheit der Universität Witten/Herdecke, Witten
  • C. Baulig - Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie, Fakultät für Gesundheit der Universität Witten/Herdecke, Witten
  • F. Krummenauer - Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie, Fakultät für Gesundheit der Universität Witten/Herdecke, Witten

GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocAbstr. 75

doi: 10.3205/14gmds150, urn:nbn:de:0183-14gmds1503

Veröffentlicht: 4. September 2014

© 2014 Knippschild et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung: In der Literatur sind häufig mehrere klinische Studien aufzufinden, die das gleiche inhaltliche Thema beschreiben, allerdings nicht immer zu einem einheitlichen Ergebnis kommen. Für den Anwender ist somit die Umsetzung der Ergebnisse, etwa in Form einer Therapieempfehlung, selten direkt zugänglich. Aus diesem Grund erfolgt die Durchführung von Metaanalysen, um zur Klärung einer Fragestellung beizutragen. Der erste Schritt einer solchen Analyse stellt die Recherche geeigneter Literatur dar, die bei der Erfassung von klinischen Zielgrößen in der Regel mittels internetbasierter Recherche in Datenbanken erfolgt. Dieser Ansatz einer systematischen Recherche setzt jedoch voraus, dass entlang der Suchmöglichkeiten der Datenbank – etwa dem Medical Subject Header (MeSH) im Falle von PubMed – entsprechend Kontext-sensitive Suchbegriffe genutzt werden können.

Wird ein Systematic Review zu methodischen Fragestellungen angestrebt, wird dies selten über eine solche direkte Suchbegriff-basierte Recherche möglich sein: Sollen etwa berichtete drop out-Raten aus Klinischen Studien des Indikationsbereiches „Kataraktchirurgie“ recherchiert werden, so ergäbe eine PubMed-basierte Recherche in Klinischen Studien des Zeitraums 2002–2012 zum Suchbegriff „drop out“ ein Gesamtvolumen von 910 Publikationen. Wurde jedoch dieses Suchergebnis weiter konkretisiert, indem diese Ergebnisse auf Studien der Kataraktchirurgie beschränkt werden, so ergeben sich keinerlei publizierte Berichte mehr. Dem entsprechend liegen in der Literatur keine Studien vor, die zielgerichtet drop out-Raten in Klinischen Studien zur Kataraktchirurgie schätzen und dieses Ziel entsprechend als Key Word einer Recherche zugänglich machen; freilich sind die drop out-Raten jedoch in vielen Studien im Text verfügbar als „Neben-Information“ der initial in der Studie adressierten Fragestellung. Das methodische Zielkriterium „drop out-Rate“ selbst ist jedoch einer klassischen Suchstrategie in Literaturdatenbanken nicht zugänglich.

Wie aus diesem Beispiel hervorgeht, ist eine „übliche“ Suchstrategie für methodische Zielkriterien nicht oder nur bedingt geeignet, da die hier interessierenden Informationen ausschließlich im Text selber zu finden sind. Aus diesem Grund ist eine Datensammlung nur durch eine alternative Form des systematischen Review – einer zielgerichteten Vollerhebung – möglich [1]. Dieser Ansatz soll im Folgenden beschrieben werden bezüglich Gangbarkeit und Präzision bei erstmalig erfolgter Anwendung auf die obige Zielsetzung [1].

Material und Methoden: Für diesen speziellen Ansatz eines systematischen Reviews wurden im ersten Schritt geeignete, also für die angezielte Fragestellung erwartbare relevante und im Recherche-Zeitraum von Autoren adressierte Fachzeitschriften ermittelt. Hierbei war für die Auswahl der betreffenden Zeitschriften ein im gesamten Recherche-Zeitraum etabliertes Peer Review-System Voraussetzung. Als Recherche-Zeitraum wurden die Jahre 2002–2012 festgelegt [1] mit Blick auf die seit 2002 verbindliche Forderung nach CONSORT-Statements, welche für die Recherche zu drop out-Raten essentiell zu erwarten war.

Konkret wurden dann für die Recherche zur drop out-Rate in der Kataraktchirurgie folgende Journals ausgewählt: Ophthalmology (Impact Factor IF=5,563), Archives of Ophthalmology (IF=3,826), American Journal of Ophthalmology (IF=3,631), Cataract & Refractive Surgery (IF=2,527), British Journal of Ophthalmology (IF=2,725). Zwei dieser Zeitschriften sind explizit als Foren der Klinischen Forschung zur Katarakt ausgewiesen und wurden daher einbezogen, die drei weiteren Zeitschriften stellen die ansonsten höchstrangigen Organe für Publikationen zu Klinischer Forschung in der Augenheilkunde dar.

Für eine vergleichbare Recherche zu Klinischen Studien der Kieferorthopädie wurden analog die Fachzeitschriften American journal of Orthodontics and Dentofacial Orthopedics (IF = 1,458), Orthodontics & Craniofacial Research (IF=1,186), The Angle Orthodontist (IF=1,184), European Journal of Orthodontics (IF=1,078), Journal of Orofacial Oorthopedics (IF=0,694) in den Review einbezogen.

Die Datenerhebung zu den berichteten drop out-Raten in publizierten Klinischen Studien erfolgte in den oben genannten Journals entlang Volltextsichtung aller als Klinische Studien gekennzeichneter Beiträge. Konkret wurden randomisierte Studien mit einer Mindest-Nachbeobachtungsdauern von drei Monaten berücksichtigt, aus denen die hier als primärer Endpunkt interessierende drop out-Rate nach sechs Monaten zweifelsfrei abgeleitet werden konnte.

Ergebnisse: Für die Recherche zur Kataraktchirurgie wurden aus obigen fünf Journals insgesamt ca. 22.000 Publikationen zur Kataraktchirurgie angeboten. Es ergab sich ein Gesamtkollektiv von 1045 Klinischer Studien für diesen Indikationsbereich, wobei 490 publizierte Berichte aus prospektiven und davon 228 aus randomisierten Studien erwuchsen. Darunter basierten 188 Studienberichten mit zweifelsfrei ableitbarer sechsmonatiger drop out-Rate zudem auf einem Patientenkollektiv, welches Design-bedingt jenseits der Katarakt keine weitere augenheilkundliche Komorbidität aufwies (wie etwa das Glaukom). Im Ergebnis konnten 188 Schätzwerte für die sechsmonatige drop out-Rate als Ziel des Systematischen Review verwertet werden [1]; die eingangs beschriebene direkte MeSH-basierte Recherche in PubMed konnte keine dieser Studien auffinden.

Diskussion: Beschrieben und illustriert wurde ein Vorschlag zur Vorgehensweise in Systematischen Reviews, wenn das Zielkriterium der Recherche eine methodische Fragestellung charakterisiert und klassische Suchstrategien über die Suchbegriff-Volumina von Literaturdatenbanken nicht adressierbar sind. Im vorliegenden Beispiel aus der Ophthalmochirurgie konnte eine mit 188 Studienberichten gut untermauerte Antwort auf die bestehende Fragestellung gegeben werden [1]; eine direkte Recherche in klassischen Literaturdatenbanken (PubMed, EMBase, Cochrane Library) ergab zuvor keinerlei relevante Studien.

Gleichzeitig muss das beschriebene, auf Volltextsichtungen basierende Vorgehen als außerordentlich aufwändig gesehen werden; „schnelle“ Ergebnisse sind nur mit massivem Personaleinsatz erzielbar. Um dennoch eine Gangbarkeit des Ansatzes zu ermöglichen, ist eine Beschränkung des Recherche-Zeitraumes und vor allem eine Kontext-nahe Auswahl von erwartbar relevanten Zeitschriften im Vorfeld unabdingbar. Vor allem diese Auswahl steuert im beschriebenen Ansatz irreversibel die erreichbare Sensitivität der Recherche; auch eine nachfolgende Handrecherche in einer – weiteren – Zeitschrift würde anders als beim üblichen Review-Ansatz hier keine verlässliche Information zur Suchpräzision der initialen Suche bedingen (da offenkundig in diesem Ansatz jede weitere Zeitschrift mehr Publikationen einbringen würde). Vielmehr ist die Auswahl der Zeitschriften als repräsentativ und für die angestrebte Fragestellung übliche Foren umfassend zu gewährleisten.


Literatur

1.
Knippschild S, Hirsch J, Krummenauer F. Metaanalyse zur Schätzung der in klinischen Studien zur Kataraktchirurgie zu erwartenden drop out-Rate. Klein Monatsbl Augenheilkd. 2014; 231: 151-7.