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GMDS 2014: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

07. - 10.09.2014, Göttingen

Kleinräumige Clusteranalysen für die Registerforschung mit CARESS

Meeting Abstract

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  • D. Korfkamp - OFFIS - Institut für Informatik, Oldenburg
  • S. Gudenkauf - OFFIS - Institut für Informatik, Oldenburg
  • J. Kieschke - Epidemiologisches Krebsregister Niedersachsen (EKN), Oldenburg

GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocAbstr. 317

doi: 10.3205/14gmds140, urn:nbn:de:0183-14gmds1403

Veröffentlicht: 4. September 2014

© 2014 Korfkamp et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung: Seit dem 1. Januar 2013 ist die Neufassung des Gesetzes über das Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen (GEKN) [1] in Kraft. Dieses verpflichtet alle Ärztinnen und Ärzte onkologische Diagnosen an das Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen (EKN) zu melden.

Durch die mit dem neuen GEKN einhergehenden Rahmenbedingungen ist es möglich, Krebshäufungen in wesentlich kleinräumigeren, geographisch abgegrenzten Gebieten als bisher zu entdecken: routinemäßig erfolgt eine Abbildung von Krebsfällen im Abstand von 1.000x1.000 m um den Wohnort, bei Verdacht auf Vorliegen eines Krebsclusters ist zusätzlich eine punktgenaue Darstellung des Wohnortes anhand der geographischen Koordinaten möglich.

Im Zuge der Aufarbeitung erhöhter Raten an Leukämie-, Lymphom- und Schilddrüsenkrebs-Erkrankungen im Bereich der Samtgemeinde Asse im Dezember 2010 hatte sich im EKN gezeigt, dass nach dem alten Gesetz gespeicherte Daten für kleinräumige Clusteranalysen nicht ausreichend sind. Neben der fehlenden kleinräumigen Zuordnung der Erkrankungsfälle zum Wohnort war auch die Dechiffrierung der Personendaten und somit die Nachbefragung der Betroffenen zu Risikofaktoren in vielen Fällen nicht möglich. Die nach dem neuen GEKN nun mögliche kleinräumige Darstellung aller Krebsfälle soll im EKN durch geeignete Visualisierungsverfahren und sich anschließende Analyseverfahren unterstützt werden.

Hierfür wurde die beim EKN im Einsatz befindliche Analysesoftware CARESS um Funktionen zur Anzeige und Analyse von Krebsclustern erweitert.

Material und Methoden: Die erweiterte Clusteranalyse wurde in das bereits bestehende Kartenmodul der Datenauswertungssoftware CARESS integriert, welche bereits beim EKN im Einsatz ist. In der vorherigen Version existierte bereits grundlegende Funktionalität zur räumlichen Darstellung von Krebsfällen auf Karten, jedoch ohne weitere Funktionalität zur Unterstützung des Anwenders, bspw. Aufsummierung der Fälle oder Export zur Weiterverarbeitung. CARESS wurde seit 1993 am Informatikinstitut OFFIS in enger Zusammenarbeit mit dem EKN entwickelt und integriert verschiedene Visualisierungsformen für Maßzahlen (z.B. flexible Tabellen, Diagramme und thematische Karten) sowie Spezialuntersuchungen für die Krebsepidemiologie (z.B. Überlebenszeitanalysen) [2]. Als Datenquelle verwendet CARESS eine auswertungsorientierte Datenbank in der u.a. die Krebsfälle, die dem EKN gemeldet werden, zusammen mit deren Geo-Koordinaten hinterlegt sind.

Als Methode zur Auswertung wurde die Visualisierung von Krebsfällen auf einer Karte gewählt. Diese werden sofort auf der Karte eingeblendet und aufaddiert und erlauben es dadurch, sich schnell einen Überblick über ein Gebiet zu verschaffen. Gebiete können über eine Polygonzug-basierte Auswahl vom Benutzer frei definiert werden und die dadurch selektierten Krebsfälle zur weiteren Bearbeitung nach Excel exportiert werden. Die neue Funktionalität wurde im Rahmen von aktuellen Clusteranfragen getestet und in den Routinebetrieb übergeleitet.

Die konkrete Vorgehensweise zur Durchführung der Analyse beinhaltet vier Schritte: die Grobauswahl, die exakte Definition des zu untersuchenden Gebiets, die Einschränkung des Datenraums nach nicht-geografischen Merkmalen und den Export der betroffenen Fälle zur weiteren Analyse.

Das vordefinierte Gebiet wird üblicherweise anhand der begrenzenden Straßenzüge oder anderer hervorstechender Merkmale (sog. Points of Interest (POI) wie z.B. Flüsse, Bahnlinien, etc.) definiert. Diese Definition muss manuell in einer Karte in der Anwendung eingetragen werden. CARESS unterstützt den Anwender bei dieser Definition, indem es bei Bedarf unterschiedliche Hintergrundkarten einblendet und zudem weitere POIs wie die vorgenannten anzeigt. Der sichtbare Kartenausschnitt lässt sich vorab durch die Auswahl eines Ortes oder einer Teilgemeinde eingrenzen und jederzeit durch Zoomen und Verschieben ändern. Während dieses Vorgangs können bereits die sich im sichtbaren Bereich befindlichen Krebsfälle eingeblendet werden.

Die genaue Eingrenzung des Gebiets erfolgt mit Hilfe einer Polygonzug-basierten Auswahl durch den Benutzer. Die Auswahl wird mittig auf den sichtbaren Kartenausschnitt aufgetragen und kann dann beliebig angepasst und erweitert werden. Während dieses Vorgangs werden Krebsfälle, die sich innerhalb der Auswahl befinden, farblich hervorgehoben. Die so markierten Krebsfälle können inklusive vollständiger Informationen, wie Tumor-ID, Alter, Geschlecht, Diagnose, Diagnose- und Sterbezeitpunkt sowie weiterer medizinischer Angaben zum Tumor nach Excel exportiert und dort zur Berechnung von Kennzahlen weiterverwendet werden.

Die angezeigten Krebsfälle können nach allen erfassten Merkmalen gefiltert werden (z.B. diagnose- alters-, geschlechtsspezifische Anzeige, Auswahl bestimmter Diagnosejahre). Es ist außerdem jederzeit möglich einen Drill-Across (Wechsel des zugrundeliegenden Datenbestands, z.B. von Inzidenz- auf Mortalitätsdaten [3]) vorzunehmen ohne die vorher getätigten Einstellungen erneut vornehmen zu müssen.

Ergebnisse: Es wurde ein System entworfen und implementiert, das Krebsfälle aus einer auswertungsorientierten Datenbank abruft und auf einer Karte darstellt. Der Anwender hat hierbei die Möglichkeit, über verschiedenste Dimensionen, sowie eine räumliche, polygonzug-basierte Auswahl, die angezeigten Krebsfälle einzuschränken, aufzusummieren und nach Excel zu exportieren.

Inhaltlich wurde durch die Durchführung alter Clusteranalysen und den Vergleich mit den damaligen Ergebnissen gezeigt, dass das neue System auf deutlich effizientere Weise die für weitere Analysen erforderlichen Daten zu den Krebsfällen in einer Clusterregion zur Verfügung stellt. Durch die nunmehr vom System durchgeführten Prozesse wurde zudem das Risiko von Fehlern, das durch die vorher manuellen Tätigkeiten bestand, gemindert, insbesondere bei Untersuchungen in Gebieten, in denen auf wenig Raum sehr viele Fälle auftreten, was das manuelle Auszählen zusätzlich erschwerte. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, die Konfiguration in der CARESS-Konfigurationsdatenbank abzuspeichern. Dies ermöglicht die Reproduzierbarkeit der Analyse. Auch kann dieselbe Konfiguration mit aktualisierten Datenbeständen später wiederholt werden, was die Nachverfolgung von auffälligen Regionen erleichtert.

Die Beantwortung von Adhoc-Anfragen kann somit zuverlässiger und zeitnäher als bislang erfolgen.

Diskussion: Die vorgestellte Implementierung einer Clusteranalysefunktion in ihrer jetzigen Form ermöglicht die kurzfristige Beantwortung von konkreten Anfragen zu Krebshäufungen innerhalb von vordefinierten Gebieten. Allerdings kann CARESS bislang lediglich bei der Ermittlung der betroffenen Fälle unterstützen, die Berechnung von Maßzahlen, z.B. einer standardisierten Rate, muss bislang manuell erfolgen.

Hintergrund ist, dass auf kleinräumiger Ebene, z.B. für Ortsteile oder Straßenzüge, im Routinebetrieb keine Bevölkerungszahlen vorliegen. Diese müssen im Einzelfall von den kommunalen Gesundheitsbehörden angefordert werden. Eine Erweiterung soll die nachträgliche Hinterlegung der Bezugsbevölkerung für das selektierte Gebiet vereinfachen. Nächster Meilenstein ist künftig auch die Ratenberechnungen und weitere Analysen für eine Clusterregion automatisiert in CARESS durchführen zu können.

Ein weiteres Ziel ist die Unterstützung des EKN bei der Umsetzung eines Routinemonitorings. In einer Pilotphase werden alle niedersächsischen Gemeinden für ausgewählte Diagnosen periodisch auf Auffälligkeiten gescannt. Welches statistische Verfahren bei der weiteren Analyse ungewöhnlicher Krebshäufungen zum Einsatz kommen soll, wird zurzeit erprobt [4]. Anschließend ist auch hierfür eine Erweiterung von CARESS vorgesehen.


Literatur

1.
Gesetz über das Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen (GEKN) vom 7.12.2012, Nds. GVBI. S. 550 (1.1.2013).
2.
Korfkamp D, Appelrath H, Sirri E. CARESS als integrierte Auswertungssoftware zur Berechnung von Überlebenszeitanalysen - GMDS 2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013.
3.
Mertens M. KNOBI – Knowledge-based Business Intelligence for Business User Information-Self-Service [Dissertation]. Oldenburg: Carl von Ossietzky Universität Oldenburg; 2013. S. 34ff
4.
Kieschke J, Hoopmann M. Aktives Monitoring kleinräumiger Krebshäufungen. Bundesgesundheitsblatt. 2014;57(1):33–40.