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GMDS 2014: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

07. - 10.09.2014, Göttingen

Verbessserte Erfassung von patientenrelevanten Outcomes von Tumorboards durch hohe Integration von Tumorboarddokumentation und Tumorregistrierung

Meeting Abstract

  • M. Boeker - Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg
  • J.F. Barleben - Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg
  • M. Bischoff - Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg
  • V. Gumpp - Tumorzentrum Ludwig Heilmeyer Comprehensive Cancer Center Freiburg, Freiburg
  • A. Hübner - Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg
  • L. Mehmed - Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg

GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocAbstr. 331

doi: 10.3205/14gmds138, urn:nbn:de:0183-14gmds1383

Veröffentlicht: 4. September 2014

© 2014 Boeker et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung: In einer zeitgemäßen Tumortherapie stellen die Fallvorstellung und -diskussion in interdisziplinäre Tumorboards einen weitgehend etablierten und akzeptierten Standard dar [1]. Sowohl die Deutsche Krebsgesellschaft fördert deshalb in ihren Zertifizierungsanforderungen den Einsatz von Tumorboards für Tumorpatienten (http://www.onkozert.de/) als auch die Deutsche Krebshilfe in den Richtlinien für eine Förderung zum Spitzenzentrum als Comprehensive Cancer Center (http://www.krebshilfe.de/wir-foerdern/ausschreibungen/archiv-ausschreibungen.html).

Allerdings ist die Evidenz, dass für Patienten Tumorkonferenzen für patientenrelevante Outcomes überhaupt einen Nutzen darstellen, eher gering. In der Literatur sind dazu überhaupt nur wenige größere Studien oder systematische Reviews zu finden [1], [2], [3]. In diesen Arbeiten wird zwar ein edukativer Effekt von Tumorkonferenzen auf die beteiligten Ärztinnen und Ärzte und ein Effekt auf die Behandlungsentscheidung sowie die Therapie der Patienten festgestellt, aber ein direkter Effekt von Tumorkonferenzen auf patientenrelevante Outcomes, wie die Überlebenszeit oder das tumorfrei Intervall kann nicht eindeutig fest gestellt werden.

Dafür ist zum einen die hohe methodische Heterogenität der zugrundeliegenden Studien verantwortlich, zum anderen aber auch das primäre Fehlen oder die schlechte Qualität von Daten zu patientenrelevanten Outcomes in der verwendeten Datengrundlage selbst [1], [2], [3]. An dieser Stelle kann eine integrierte Tumorboardmanagement und -dokumentationssoftware Verbesserungen schaffen [4].

Unsere Hypothese ist, dass durch eine hohe Integration der Tumorboarddokumentation in die klinischen Abläufe und die klinische Krebsregisterdokumentation eine Datenqualität erreicht werden kann, die es erlaubt, systematisch patientenrelevante Endpunkte bezüglich von Tu-morkonferenzen auszuwerten. Zielsetzung dieser Arbeit ist es (1) eine im CCCF entwickelte neue Tumordboardmanagement und -dokumentationssoftware vorzustellen, die direkt in die klinischen Abläufe und die klinische Krebsregisterdokumentation eingebettet ist, und (2) erste Belege dafür zu liefern, dass damit eine Verbesserung der Dokumentation in Hinsicht auf unsere Hypothese gelingen kann.

Material und Methoden: Das Tumorzentrum Freiburg (CCCF) am Universitätsklinikum Freiburg hat zurzeit 28 Mitgliedsabteilungen. Am CCCF gibt es derzeit 13 interdisziplinäre Tumorboards. Sowohl die Prozesse zur Integration der Tumorboards in die klinischen Abläufe, als auch die Prozesse innerhalb der Tumorboards wurden in den vergangenen Jahren im CCCF definiert und in Guidelines festgeschrieben. Zur Anmeldung der Tumorpatienten in den Boards und zur Beschlussdokumentation während des Tumorboards wurde bis Ende 2013 mit MS Word Dokumenten gearbeitet, es gab also für diese Schritte keine eigene Softwarelösung.

Die Tumorregistrierung des CCCF wurde von 2009 bis Anfang 2014 mit der Software CARAT durchgeführt, die am CCCF entwickelt wurde. Die Tumorboardaktivitäten und die Maßnahmendurchführung wurden von Dokumentaren mit Hilfe von weiteren Softwareprogrammen in die Tumordokumentation eingepflegt (TOPAS und TUBAS).

Anfang 2014 wurde im CCCF eine neue Tumorregistrierungssoftware eingeführt (CARAT+). CARAT+ umfasst auch das hier präsentierte eigenständige Modul für das Tumorboardmanagement und die -dokumentation (Tumorboard-Online System, TOS). CARAT+ und TOS bilden somit dabei eine Einheit und wurden komplett im CCCF entwickelt und implementiert. Mit TOS sollen folgende Anforderungen erfüllt werden:

1.
Unterstützung und elektronische Abbildung des gesamten Workflows rund um Tumorboardmanagement, -durchführung, -massnahmendokumentation,- qualitätssicherung und -auswertung.
2.
Integration in eine verteilte Softwarelandschaft insbesondere mit der Tumorregistrierungssoftware CARAT+.
3.
Integration mit dem KIS über HL-7 Schnittstellen.
4.
Flexibles Benutzer- und Rechtemanagement ohne Registrierungszwang für vorstellende Ärzte und Konferenzteilnehmer unter Berücksichtigung der geltenden Datenschutzanforderungen.
5.
Freitextdokumention und/ oder strukturierte Dokumentation mit Möglichkeit zur Datenübernahme aus anderen Software-Systemen.

Ergebnisse: TOS wurde Anfang 2014 bisher in sechs Tumorboards des CCCF erfolgreich eingeführt. Bis Mitte 2014 sollen mindestens sechs weitere Boards folgen. TOS implementiert Software-Unterstützung für folgende Prozesse:

1.
Zentrale Administration von Boards mit Teilnehmer-, Rechte- und Terminverwaltung durch die Tumorboardzentrale.
2.
Dezentrale ärztliche An-, Um- und Abmeldung von Patienten zu spezifischen Tumorboards, darin enthaltene Teilprozesse sind
2.1.
Neueingabe von Patientenstammdaten oder Übernahme aus dem Tumorregister (CARAT+) oder dem KIS
2.2.
Eingabe von Diagnosen, Tumorstaging, Vormaßnahmen, weiteren klinischen Angaben oder Übernahme dieser Daten aus vorherigen Tumorboards, dem Tumorregister oder aus dem KIS.
2.3.
Angabe der Fragestellung (vorgeschlagene Maßnahmen). Hier kann auch ein guidelinekonformes Vorgehen vorgeschlagen werden, was dazu führt, dass der Patient bei vorheriger Zustimmung durch alle Teilnehmer der Konferenz, nicht mehr in der Konferenz selber besprochen werden muss.
3.
Zentrale Vorbereitung der Konferenz mit Überprüfung der Anmeldungen und Einladung der Teilnehmer durch die Tumorboardzentrale.
4.
Zentrale Durchführung der Konferenz mit direkter Dokumentation der beschlossenen Maßnahmen.
5.
Zentrale Nachbearbeitung der Konferenz durch die Tumorboardzentrale mit Freigabe der Protokolle, so dass diese dann direkt für berechtigte Teilnehmer im KIS zugegriffen werden können.
6.
Dezentrale Maßnahmen-Dokumentation durch Tumordokumentare, die die freitextlichen Einträge aus der Konferenz in eine strukturierte und codierte Form der Tumordokumen-tation überführen. Die Vollzähligkeit und Vollständigkeit der erhobenen Daten werden den Benutzen bereits während der Eingabe angezeigt.
7.
Dezentrale Dokumentation des Durchführungsstatus der Maßnahmen durch Tumordokumentare.
8.
Zentrale Qualitätssicherungsmaßnahmen durch die Tumorboardzentrale basierend auf aggregierten und nicht aggregierten Daten.
9.
Zentrale Auswertungen durch das klinische Krebsregister für Meldungen, Zertifizierungen und wissenschaftliche Fragestellungen.

Auch in den vergangenen Jahren wurde bereits eine Tendenz zur vermehrten Anmeldung von Patienten in den Tumorboards im CCCF festgestellt. Diese Tendenz hält weiterhin an, ob es hier ein weitere Steigerung durch die verbesserte Workflowunterstützung im Bereich der Anmeldung von Patienten von TOS gibt, kann noch nicht beurteilt werden.

Da jetzt alle Fälle, die die TOS dokumentierten Tumorboards durchlaufen haben, direkt durch Tumordokumentare dokumentiert werden, ist hier eine deutlich vollzähligere und vollständigere Dokumentation zu erwarten.

Diskussion: Wir haben 2014 mit CARAT+ eine neue Tumorregistersoftware als Eigenentwicklung am CCC Freiburg eingeführt, die ein Modul zum Management und zur Dokumentation von Tumorboards enthält (TOS). Dieses Modul zeichnet sich v.a. durch die Unterstützung des gesamten Tumorboardworkflows aus, wobei auch die Tumorregistrierung und die Qualitätssicherung der Tumorboards berücksichtigt werden.

Wir sind damit unserer Zielsetzung näher gekommen, eine vollzähligere und vollständigere Dokumentation der Patientenfälle erreichen zu können, die in Tumorboards diskutiert und beschlossen werden. Auf dieser verbesserten Datengrundlage, sollten in Zukunft auch Unter-suchungen bezüglich patientenrelevanter Outcomes von Tumorboards möglich sein.


Literatur

1.
Wright FC, De Vito C, Langer B, Hunter A; Expert Panel on Multidisciplinary Cancer Conference Standards. Multidisciplinary cancer conferences: a systematic review and development of practice standards. Eur J Cancer. 2007 Apr;43(6):1002-10.
2.
Croke JM, El-Sayed S. Multidisciplinary management of cancer patients: chasing a shadow or real value? An overview of the literature. Curr Oncol. 2012 Aug;19(4):e232-8. DOI: 10.3747/co.19.944 Externer Link
3.
Keating NL, Landrum MB, Lamont EB, Bozeman SR, Shulman LN, McNeil BJ. Tumor boards and the quality of cancer care. J Natl Cancer Inst. 2013 Jan 16;105(2):113-21. DOI: 10.1093/jnci/djs502 Externer Link
4.
Chekerov R, Denkert C, Boehmer D, Suesse A, Widing A, Ruhmland B, Giese A, Mustea A, Lichtenegger W, Sehouli J. Online tumor conference in the clinical management of gynecological cancer: experience from a pilot study in Germany. Int J Gynecol Cancer. 2008 Jan-Feb;18(1):1-7.