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GMDS 2014: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

07. - 10.09.2014, Göttingen

ZIPSE – Zentrales Informationsportal über Seltene Erkrankungen

Meeting Abstract

  • S. Schürrer - Leibniz Universität Hannover, Hannover
  • A. Babac - Leibniz Universität Hannover, Hannover
  • M. Frank - Leibniz Universität Hannover, Hannover
  • T. Hartz - Universitätsmedizin Mainz, Mainz
  • H. Storf - Universitätsmedizin Mainz, Mainz
  • V. Lührs - Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen (ZQ), Einrichtung der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN), Hannover
  • L. Bruckner-Tuderman - Klinik für Dermatologie und Venerologie Freiburg, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg
  • J. Schmidtke - Institut für Humangenetik, Medizinische Hoch-schule Hannover, Hannover
  • L. Biehl - Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) e.V., Berlin
  • T. Wagner - Universitätsklinikum Frankfurt/Pneumologie, Frankfurt am Main
  • F. Ückert - Universitätsmedizin Mainz, Mainz
  • J.M. Graf von der Schulenburg - Leibniz Universität Hannover, Hannover

GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocAbstr. 231

doi: 10.3205/14gmds135, urn:nbn:de:0183-14gmds1359

Veröffentlicht: 4. September 2014

© 2014 Schürrer et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Seltene Erkrankungen sind größtenteils schwerwiegende und chronische Erkrankungen, die häufig einen erheblichen negativen Einfluss auf die Lebenserwartung und Lebensqualität der Betroffenen haben. In der EU wird eine Erkrankung als selten eingestuft, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind [1]. Alleine in Deutschland leben geschätzt rund vier Millionen Patienten mit einer Seltenen Erkrankung, in der Europäischen Union (EU) sind ca. 30 Millionen Menschen betroffen [2]. Zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation dieser Patienten wurde im Jahr 2013 der „Nationale Aktionsplan für Menschen mit Seltenen Erkrankungen“ erstellt, der insgesamt 52 Maßnahmen umfasst. Ein Bestandteil dieses Aktionsplans ist die Wissensvermittlung über Seltene Erkrankungen durch den Ausbau krankheitsübergreifender, qualitätsgesicherter und internetbasierter Informationsdatenbanken und Auskunftssysteme [3]. Die Konzeptualisierung und initiale Umsetzung des Zentralen Informationsportals über Seltene Erkrankungen (ZIPSE) ist im Rahmen dessen anzusehen. Nachfolgend soll ein Überblick über die im Rahmen dieses Projekts geplanten Aktivitäten gegeben werden.

Ziel des Projekts: Das Ziel des Projekts ist die Konzeptualisierung eines zentralen Informationsportals, in dem Wissen bzw. zielgruppenspezifische Informationen für Betroffene und ihre Angehörigen sowie medizinische, therapeutische und pflegerische Leistungserbringer bereitgestellt werden. Dabei sollen verfügbare Informationen über Seltene Erkrankungen, insbesondere zur Diagnostik, Therapie, Selbsthilfe, spezialisierten Versorgungseinrichtungen, Forschung und Registern, anhand spezifischer Kriterien qualitätsgesichert zentral gebündelt werden. Zudem werden Informationsmöglichkeiten zu sozial- und leistungsrechtlichen Fragen integriert. Das Informationsportal soll hierbei keine Primärinformationen enthalten oder neu generieren, sondern auf bereits vorhandene oder in der Entwicklung befindliche qualitätsgesicherte Informationsquellen referenzieren.

Methodisches Vorgehen: An dem Verbundprojekt sind mehrere Institutionen unterschiedlicher Fachrichtungen beteiligt. Insgesamt gliedert sich das Projekt in drei Teilprojekte, die unterschiedliche Arbeitspakete und Ziele beinhalten.

Teilprojekt 1: Konzeptualisierung des Informationsportals

Zu Beginn des ersten Teilprojekts wird untersucht, welche Informations- und Beratungsangebote über Seltene Erkrankungen in Deutschland, Europa und den USA existieren und wie diese gegliedert sind. Dies geschieht im Rahmen einer strukturierten Webrecherche. Der nächste Schritt widmet sich der Entwicklung von Qualitätskriterien, anhand derer die Informationsquellen klassiert und bewertet werden können. Bei der Entwicklung eines Kriterienkatalogs sollen vorhandene Ansätze analysiert und das Ziel verfolgt werden, die Qualität der Informationen so transparent wie möglich darzustellen. Zudem sollen Vorschläge entwickelt werden, wie eine dauerhafte Prüfung der Relevanz und Qualität der Informationen bzw. Informationsquellen umgesetzt werden kann.

Die vorhandenen qualitätsgesicherten Informationsquellen werden anschließend zielgruppenspezifisch anhand von zu definierenden Informationspfaden den im Teilprojekt 2 ermittelten Informationsbedarfen zugeordnet. Dabei wird überprüft, in welcher Form die Daten vorliegen und ob es sich um Primärdaten oder um Daten, die bereits einer Verlinkung unterliegen, handelt. Die Erstellung von Verweisroutinen basierend auf zielgruppenspezifischen Informationspfaden wird durch die Projektbeteiligten fortlaufend diskutiert und weiterentwickelt.

Ein weiterer Aspekt des ersten Teilprojekts ist die Identifikation einer möglichen Institution, die nach Ablauf der Projektzeit für die fortlaufende Pflege des Informationsportals verantwortlich sein könnte. Um diese Entscheidung treffen zu können, werden im Vorfeld Kriterien aufgestellt, welche diese Organisation nach Möglichkeit erfüllen sollte.

Teilprojekt 2: Informationsnachfrage der Patienten und ihrer Angehörigen sowie der Leistungserbringer

Hinsichtlich der Fragestellung „Auf welche Art wollen Patienten, ihre Angehörigen und Leistungserbringer welche Informationen in welcher Häufigkeit zu Seltenen Erkrankungen erhalten?“ soll das Nachfrageverhalten dieser Zielgruppen erfasst werden. Für die Gruppe der Betroffenen werden zunächst sechs Patienten aus elf verschiedenen Erkrankungsgruppen bzw. bei Bedarf jeweils ein naher Angehöriger interviewt. Zudem werden zehn Patienten, die eine längere Zeit ohne Diagnose waren, bei denen aber eine Seltene Erkrankung gesichert diagnostiziert werden konnte, rekrutiert, sodass eine gesamte Stichprobe von 76 Patienten angestrebt wird. Im Bereich der Leistungserbringer werden jeweils fünf niedergelassene Allgmeinmediziner, Fachärzte, Krankenhausärzte, Lotsen für Seltene Erkrankungen, ambulante Pflegekräfte und Personen aus dem medizinisch-therapeutischen Bereich interviewt, sodass eine Stichprobe von 30 Leistungserbringern rekrutiert wird. Um eine größtmögliche Heterogenität zu gewährleisten, werden bei der Auswahl der Leistungserbringerstichprobe Parameter wie Fachgebiet, Lage und andere demographische Daten berücksichtigt. Für alle Zielgruppen gilt, dass so viele Interviews geführt werden, bis keine neuen Erkenntnisse hinzugefügt werden können.

Zur Identifikation von Informationsbedarfen wird die Methode des teilstrukturierten Leitfadeninterviews angewendet. Hierfür wird ein Interviewleitfaden entwickelt, der die Zielgruppen zum Reflektieren über die Rolle Seltener Erkrankungen, den Diagnoseweg sowie Informationsbedarfe und Informationszugänge anregen soll. Die Auswertung der Interviews erfolgt inhaltsanalytisch und wird mit Hilfe des Programms MAXQDA durchgeführt. Aufgrund der großen Heterogenität der Seltenen Erkrankungen und den damit zu erwartenden unterschiedlichen Informationsbedarfen, müssen die Ergebnisse aus den Interviews und die daraus entwickelten Informationspfade validiert werden. Dafür werden Fokusgruppengespräche mit den zuvor befragten Patienten durchgeführt. Bezogen auf die Leistungserbringer soll anhand einer Delphi-Befragung ein Konsens bezüglich der informationsspezifischen Präferenzen und Bedürfnisse gefunden werden.

Zusätzlich werden Analysen bei bereits vorhandenen Informationsanbietern über Seltene Erkrankungen durchgeführt. Die Bestimmung des derzeitigen Nachfrageverhaltens soll Erkenntnisse aus bestehenden webbasierten Informationsplattformen sowie von Informationstelefonen liefern.

Teilprojekt 3: Modellhafte Implementierung eines zentralen Informationsportals

Damit die Plattform unabhängig von körperlichen oder technischen Möglichkeiten uneingeschränkt genutzt werden kann, wird bei der Umsetzung und Anbindung externer Dienste die Barrierefreiheit berücksichtigt. Technisch sollen bei der Umsetzung bewährte und frei verfügbare Technologien eingesetzt werden, damit die Übertragung des Portals an einen zukünftigen Betreiber einfach und kostengünstig vollzogen werden kann. Eine Weiterentwicklung, auch im Hinblick auf eine Mehrsprachigkeit des Portals, soll nahtlos möglich sein. Das Grundgerüst des Portals wird direkt zu Beginn des Teilprojekts erstellt und veröffentlicht. Weitere Funktionalitäten werden im Laufe des Projektes im Portal integriert. Anhand der im Teilprojekt 1 definierten Qualitätskriterien und der Identifikation vorhandener Informationsmöglichkeiten wird eine Liste von Informationsquellen erstellt, die als qualitätsgesicherte Quelle für eine angepasste Suchfunktion verwendet wird. Die Verweisroutinen werden durch ein flexibles, multihierarchisches Verfahren kategorisiert, um den Anforderungen einer intelligenten Benutzerführung gerecht zu werden. Nachdem die modellhafte webbasierte Implementierung der ersten Informationspfade und Verweisroutinen abgeschlossen wurde, wird der erste Entwurf des Informationsportals von Patienten und Leistungserbringern getestet. Dabei sollen die Tester nicht zuvor an Interviews bzw. an der Entwicklung des Informationsportals beteiligt gewesen sein. Die Testpersonen sollen versuchen, mit Hilfe des Informationsportals eine Antwort zu erkrankungsspezifischen Fragestellungen zu finden.

Ziel ist ebenfalls im Rahmen dieses Teilprojektes eine Institution zu finden, welche die Verstetigung und Implementierung des Portals nach Ablauf des Projektes übernehmen wird. Mitarbeiter dieser Organisation werden in den Entwicklungsprozess der Plattform eingebunden.

Laufzeit: Die Laufzeit des Projekts beträgt 24 Monate und endet im November 2015.


Literatur

1.
Verordnung (EG) Nr. 141/2000 (2000): Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden. In Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (22. Januar 2000).
2.
Kaplan W, Laing R. Priority Medicines for Europe and the World. World Health Organization, Department of Essential Drugs and Medicines Policy; November 2004. Online verfügbar unter: http://whqlibdoc.who.int/hq/2004/WHO_EDM_PAR_2004.7.pdf Externer Link
3.
Nationales Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen. Nationaler Aktionsplan für Menschen mit Seltenen Erkrankungen. 2013. Online verfügbar unter: http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Downloads/N/NAMSE/Nationaler_Aktionsplan_fuer_Menschen_mit_Seltenen_Erkrankungen_Handlungsfelder__Empfehlungen_und_Massnahmenvorschlaege.pdf Externer Link