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GMDS 2014: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

07. - 10.09.2014, Göttingen

OSSE – Open-Source-Registersystem für Seltene Erkrankungen in der EU

Meeting Abstract

  • M. Muscholl - Universitätsmedizin Mainz, Mainz
  • M. Lablans - Universitätsmedizin Mainz, Mainz
  • T. Hirche - Deutsche Klinik für Diagnostik (DKD)/Pneumologie, Wiesbaden
  • T. Wagner - Universitätsklinikum Frankfurt/Pneumologie, Frankfurt am Main
  • F. Ückert - Universitätsmedizin Mainz, Mainz

GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocAbstr. 187

doi: 10.3205/14gmds125, urn:nbn:de:0183-14gmds1253

Veröffentlicht: 4. September 2014

© 2014 Muscholl et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Als Folge der 2009 von der Europäischen Kommission empfohlenen Maßnahmen zur Förderung und Vernetzung der Forschung im Bereich der seltenen Erkrankungen wurde 2013 in Deutschland ein Aktionsplan für Menschen mit seltenen Erkrankungen aufgelegt. Das Bundesministerium für Gesundheit fördert OSSE als Maßnahme des Aktionsplans unter der Nr. 29/52: „Entwicklung eines prototypischen Registers”. Das Ziel ist die Entwicklung von Software-Werkzeugen und generischen Dokumenten für die Umsetzung und den Betrieb von vernetzbaren Registern für seltene Erkrankungen im europäischen Kontext.

OSSE stellt konfigurierbare IT-Komponenten zur Verfügung, mit denen Forscher auch ohne ausgeprägtes IT-Knowhow ein Register für eine seltene Erkrankung aufbauen können, das die in den „EUCERD Recommendations on Rare Disease Registries“ formulierten Anforderungen erfüllt. Das betrifft insbesondere die Interoperabilität der Register für seltene Erkrankungen in Europa, die durch die Vergleichbarkeit der Daten innerhalb der verschiedenen Register mittels abgestimmter Datensätze und der Verwendung standardisierter Codes sowie durch die Bereitstellung von Strukturen für die länderübergreifende Forschung erreicht werden soll.

Material/Methoden:

1. Eigenschaften des OSSE-Registers. OSSE erweitert das Konzept und die Implementierung von Samply, einer Softwarelösung mit einem generischen Datenmodell basierend auf einer kontrollierten Semantik zur Föderation von Biomaterialbanken unterschiedlicher Fachdomänen [1].

Das Kernstück des OSSE-Register-Baukastens ist ein konfigurierbares Registersystem. Mit dem Registereditor können Forscher Eingabeformulare für Verlaufsdaten und krankheitsspezifische Stammdaten selbst maßgeschneidert erstellen. Datenfelder, die in den Formularen verwendet werden können, sind in einem zentralen Metadata Repository (MDR) hinterlegt und beschrieben. Aus der so konfigurierten Registerdefinition werden Datenschema und Benutzeroberfläche generiert. Der Export und Import von Formulardefinitionen auf der Basis des CDISC/ODM-Standards ist geplant.

Im Betrieb unterstützt das OSSE-Register

  • Eingabehilfen sowie die Validierung der Eingaben auf der Basis der im MDR hinterlegten Gültigkeitsbereiche und Wertemengen,
  • die Versionierung aller Datenelemente,
  • den Registrierungs-Workflow,
  • konfigurierbare Schnittstellen für den Import und Export von Daten und
  • eine Schnittstelle für die dezentrale Suche (s. u.).

2. Interoperabilität. Die Interoperabilität der OSSE-Register basiert auf zwei Prinzipien: Das erste Prinzip ist die Verwendung des Metadata Repository, in dem die Metadaten aller Datenelemente, die im OSSE-Register registriert werden können, gemäß ISO/IEC 11179 [2] verzeichnet sind. Das MDR enthält einerseits abgestimmte (Minimal-)Datensätze für seltene Erkrankungen. Andererseits werden dort auch alle krankheits- und registertyp-spezifischen Datenelemente zentral erfasst. Darüber hinaus hat es die Funktion eines Adapters zu anderen Metadata Repositories wie z. B. dem der TMF [3] oder dem caDSR des NCI.

Das zweite Prinzip ist die Unterstützung eines verteilten Suchverfahrens, bei dem die Daten in den lokalen Registern verbleiben und die Kontrolle über die Weitergabe von Daten allein beim Dateneigentümer liegt. Dank der Vergleichbarkeit der Inhalte aufgrund exakt beschriebener Metadaten können zentral formulierte Suchanfragen über einen Suchbroker an alle Register gestellt werden, die in einem Register der Register verzeichnet sind. Jede Anfrage enthält außer den Suchkriterien ein Exposé, das die zugrundliegende Forschungsfragestellung bzw. das geplante Projekt beschreibt, sowie die Kontaktdaten des Anfragenden. Werden in einem Register Treffer zur Suchanfrage ermittelt, so bekommt der Dateneigentümer die Anfrage und das Ergebnis über das sogenannte „Teiler“-Interface angezeigt und entscheidet über die Weitergabe der Daten an den Anfragenden.

3. OSSE-Brückenköpfe. Um die Vernetzung mit Registern für seltene Erkrankungen zu ermöglichen, die andere Softwarelösungen einsetzen, können sogenannte OSSE-Brückenköpfe installiert werden. Der OSSE-Brückenkopf besteht aus dem OSSE-Kernmodul für Datenhaltung und dem Teiler für die dezentrale Suche. Daten aus dem Register werden mithilfe von regelmäßig ausgeführten ETL-Prozessen (Extraction, Transformation, Load) in den OSSE-Brückenkopf übernommen, wobei im Transformationsschritt jedem Datenelement eine eindeutige MDR-ID zugewiesen wird.

4. Datenschutz und Datensicherheit. Der Zugriff auf das OSSE-Register erfolgt nach Authentisierung gemäß den erfassten rollenbasierten Zugriffsrechten auf Patienten des jeweiligen Standorts.

Als Pseudonymisierung kommt entsprechend den Anforderungen des TMF-Datenschutzleitfadens [4] für jedes einzelne OSSE-Register ein lokales ID-Management zum Einsatz. Hierfür wird die „Mainzelliste“ [5] unterstützt, eine Open-Source-Software zur Pseudonymisierung erster Stufe.

5. Best-Practice-Unterstützung. Zusätzlich zu dem Register-Baukasten stellt OSSE Vorlagen und Best-Practice-Beispiele bereit. Dazu gehören u. a. eine Schablone zur Patientenaufklärung und -einwilligung, die die Spezifika seltener Erkrankungen berücksichtigt, ein generisches Datenschutzkonzept für OSSE-Register, „Gute Praxis“-Beispiele für den Betrieb und Musterverträge für Besitzverhältnisse und Verstetigung der Register.

Ergebnisse: Das Projekt OSSE läuft seit November 2013; als erstes Ergebnis liegt u.a. die Vorlage für ein Europäisches Common Dataset für seltene Erkrankungen vor. Die Schablone zu Patientenaufklärung und -einwilligung für seltene Erkrankungen sowie das Datenschutzkonzept für OSSE-Register und deren Vernetzung werden im Lauf der nächsten drei Monate fertiggestellt. Ende 2014 wird eine erste Version des OSSE-Register-Baukastens vorliegen. Erste Referenzinstallationen sind für Ende 2015 geplant.

Diskussion: Der Aufbau institutions- und regions- und länderübergreifender Strukturen ist gerade in der Erforschung seltener Erkrankungen aufgrund der kleinen Fallzahlen von großer Bedeutung. Der Aufbau zentraler Datensammlungen läuft insbesondere bei fehlenden rechtlichen Grundlagen wie Meldegesetzen Gefahr an der fehlenden Bereitschaft zu scheitern, pauschal eigene Forschungsdaten für andere zu Verfügung zu stellen. Im Gegensatz zu anderen vernetzten Ansätzen auf Basis zentralen Uploads oder verteilter Suche bietet der vorgestellte Ansatz eine Alternative, bei der die Kontrolle über die Weitergabe von Daten beim Dateneigentümer liegt und von diesem im Einzelfall entschieden werden kann.

Der OSSE-Register-Baukasten bietet umfassende Unterstützung beim Aufbau von Registern für seltene Erkrankungen hinsichtlich der IT-Infrastruktur, d.h. dem eigentlichen Register-System und seiner Vernetzung mit anderen Registern wie auch der Erfüllung rechtlicher Anforderungen, des Betriebs und der Verstetigung des Registers. Durch das Konzept der OSSE-Brückenköpfe können auch bereits bestehende Register in die OSSE-Registerlandschaft einbezogen werden.


Literatur

1.
Konzept der CCP-IT. Available from: http://www.unimedizin-mainz.de/dktk [cited 2014 Mar 27] Externer Link
2.
International Organization of Standardization (ISO). ISO/IEC 11179, Information Technology - Metadata registries (MDR). Available from: http://www.metadata-standards.org/11179/ [cited 2014 Mar 27] Externer Link
3.
TMF. Themen und Projekte: D021-01 Metadata Repository. Available from: https://www.tmf-ev.de/Themen/Projekte/D021_01_Metadata_Repository.aspx [cited 2014 Mar 27] Externer Link
4.
Reng CM, Pommerening K, Specker C, Debold P. Generische Lösungen zum Datenschutz für die Forschungsnetze in der Medizin: Datenschutz und medizinische Forschung sind vereinbar. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2006.
5.
Die Mainzelliste als OpenSource. Available from: http://www.mainzelliste.de [cited 2014 Mar 27] Externer Link