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GMDS 2014: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

07. - 10.09.2014, Göttingen

Automatisiertes Qualitätsmanagement von Bilddaten in der klinischen Verbundforschung

Meeting Abstract

  • T. Franke - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Medizinische Informatik, Göttingen
  • K. Buckow - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Medizinische Informatik, Göttingen
  • A. Freing - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie, Göttingen
  • J. Wuerfel - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie, Göttingen
  • O. Rienhoff - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Medizinische Informatik, Göttingen

GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocAbstr. 234

doi: 10.3205/14gmds094, urn:nbn:de:0183-14gmds0944

Veröffentlicht: 4. September 2014

© 2014 Franke et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Mit der Weiterentwicklung von Methoden und Werkzeugen für die Analyse und Verarbeitung von Bilddaten, gewinnt die Bildgebung zunehmend an Bedeutung in der medizinischen Forschung [1]. So bilden Magnetresonanztomographie(MRT)-Aufnahmen des Gehirns einen bedeutenden Bestandteil in der Diagnostik und Therapie von Multiple Sklerose(MS)-Patienten [2]. Sie ermöglichen u.a. den Nachweis von MS-typischen Läsionen des Hirnparenchyms [3]. Im Rahmen des Kompetenznetzes Multiple Sklerose wird seit dem Förderbeginn 2009 eine zentrale Plattform für die Speicherung, die Bewertung, das Management und die Bereitstellung von MRT-Aufnahmen für den Verbund aufgebaut, evaluiert und weiterentwickelt [4].

Eines der Projekte, welches die Bilddatenmanagement-Plattform nutzt, ist die longitudinal angelegte Kohortenstudie. Um die MRT-Aufnahmen, die in rund 20 Zentren bundesweit mit verschiedenen MRT-Geräten unterschiedlicher Hersteller erhoben werden, für die übergreifende Analyse vergleichbar zu machen, wurde zur Harmonisierung ein MRT-Referenzprotokoll entwickelt. Die Einhaltung dieses Protokolls, sowie die allgemeine Qualität der Bilder werden durch Neuroradiologen im Rahmen eines zentralen Qualitätsmanagements überwacht. Die visuelle Überprüfung – insbesondere die manuelle Kontrolle der Sequenzparameter – jedes einzelnen MRT-Datensatzes der rund 1000 eingeschlossenen Patienten ist ausgesprochen arbeits- und zeitintensiv. Hierdurch bedingt resultierte die Fragestellung, inwiefern die Überprüfung der Konformität zum MRT-Referenzprotokoll zur Unterstützung des Qualitätsmanagementprozesses automatisiert werden kann.

Methodik: Zur Beantwortung dieser Frage wurden zunächst die genauen Anforderungen des MRT-Referenzprotokolls der Kohortenstudie ermittelt. Danach analysierten wir die DICOM-Metadaten bezüglich ihrer Verwendbarkeit. Hierzu wurden zunächst pro teilnehmendem Zentrum jeweils fünf Datensätze zufällig ausgesucht und die darin enthaltenen öffentlichen Metadaten extrahiert. Anschließend wurden diese Metadatensätze tabellarisch gegenübergestellt und auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den einzelnen Zentren, Geräteherstellern und Konfigurationen der Modalitäten hin untersucht. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse dienten als Grundlage für die Abschätzung der Nutzbarkeit der Metadaten, welche durch ein strukturiertes Experteninterview mit einem MR-Physiker, sowie durch eine Literaturrecherche weiter abgesichert wurde.

Im Anschluss generierten wir Regelsätze für die Protokollprüfung auf Basis der vorher identifizierten Metadaten, modellierten sie anhand von Flussdiagrammen und stimmten sie mit dem zentralen Qualitätsmanagement ab. Im weiteren Verlauf wurden die konsentierten Regelsätze prototypisch implementiert. Der entwickelte Prototyp wurde zunächst auf einer Basis von 50 zufällig ausgewählten MRT-Datensätzen getestet. Die Testergebnisse wurden von einem Neuroradiologen begutachtet und zum Feintuning der Regelsätze genutzt.

Im letzten Schritt evaluierten wir den Prototyp auf einer Datenbasis von insgesamt rund 950 MRT-Datensätzen aus den teilnehmenden Zentren. Dazu wurden die Datensätze zunächst von der Applikation und nachfolgend arbeitsteilig durch die Neuroradiologen des Qualitätsmanagements bewertet. Verdächtige Fälle wurden vermerkt und anschließend im Team zusammen mit den Entwicklern erneut begutachtet.

Ergebnisse: Das untersuchte MRT-Referenzprotokoll besteht aus je einem Teil für 1,5T und für 3T Modalitäten. In beiden Teilen wird die Durchführung der folgenden vier Sequenzen verlangt: zu Beginn eine T1-gewichtete, darauffolgend eine FLAIR sowie eine T2-gewichtete Sequenz und zum Abschluss eine T1-gewichtete Sequenz nach Kontrastmittelgabe. Darüber hinaus unterscheiden sich jedoch die Anforderungen an bestimmte Aufnahmeparameter, wie z.B. Aufnahmemodus (2D/3D), Auflösung (Pixelgröße und Schichtdicke) sowie Echo- und Relaxationszeiten in Abhängigkeit von der zur Verfügung stehenden Modalität. Die Gegenüberstellung der DICOM-Metadaten aus den verschiedenen Zentren und Modalitäten, darunter Geräte der Hersteller Siemens, Philips und GE, zeigte, dass zwar viele Informationen über die Messungen enthalten sind, diese allerdings in heterogener Qualität erfasst werden: Einige der Metadaten, darunter z.B. Aufnahmeparameter, wie Relaxationszeit (TR) und Magnetfeldstärke werden automatisch und in einer vordefinierten Struktur – TR in Millisekunden, Magnetfeldstärke in Tesla – von der Modalität erfasst. Für andere Metadaten hingegen sind zwar entsprechende Felder vorgesehen, die Inhalte sind aber zu unstrukturiert oder teilweise nicht ausgefüllt; z.B. die Freitextfelder für Sequenzbeschreibung und Kontrastmittelgabe.

Als verlässliche Grundlage für die Qualitätsüberprüfung wurden die folgenden Parameter aus dem öffentlichen Teil der DICOM-Metadaten identifiziert: Magnetfeldstärke, Aufnahmemodus, Echo- und Relaxationszeiten, Flip-Winkel, Auflösung sowie Aufnahmematrix. Als Toleranzschwelle wurde auf ausgewählte Parameter – z.B. Magnetfeldstärke – eine Abweichung von 10% auf die vorgegebenen Grenzwerte gewährt.

Der entwickelte Prototyp identifiziert zunächst alle Sequenzen eines gegebenen MRT-Datensatzes basierend auf den oben genannten Parametern und überprüft anschließend die Einhaltung der Protokollvorgaben für die vier geforderten Sequenzen. Die Evaluation des Prototyps ergab, dass die relevanten Sequenzen in den meisten Fällen korrekt erkannt und gemäß den Regeln des Studienprotokolls geprüft werden konnten. Nur in Einzelfällen kam es zu Problemen bei der Sequenzerkennung. So wurden Diffusions-Tensor (DTI) Sequenzen, die in manchen Zentren zusätzlich zum geforderten Protokoll durchgeführt worden waren, mit normalen T2-gewichteten Sequenzen verwechselt. Diese Verwechselung ist auf die genutzten Informationen zurückzuführen: In den öffentlichen DICOM-Metadaten werden die in der Diffusion verwendeten zusätzlichen Messungen und Parameter nicht hinterlegt, sodass nur die Parameter der zugrundeliegenden Rumpf-Sequenz sichtbar sind, welche im Falle der DTI einer T2-gewichteten Sequenz ähneln.

Die sich an die Sequenzerkennung anschließende Überprüfung auf Einhaltung der Protokollvorgaben wurde – mit einer Ausnahme – verlässlich vom Prototyp durchgeführt. Lediglich die Erkennung der Kontrastmittelgabe war nur mit Einschränkungen möglich, da diese in manchen Zentren nicht im dafür vorgesehenen DICOM-Tag vermerkt war.

Diskussion: Am ausgewählten Anwendungsfall konnte gezeigt werden, dass eine automatisierte Qualitätsprüfung die menschliche Kontrolle im Rahmen des Qualitätsmanagements von Bilddaten in der klinischen Verbundforschung erheblich unterstützen kann. Die Ergebnisse der Evaluierung belegen, dass der entwickelte Prototyp in der Lage ist, die Einhaltung des gegebenen MRT-Referenzprotokolls mit hoher Zuverlässigkeit zu überprüfen und den Neuroradiologen damit die mühsame Arbeit der manuellen Kontrolle von Sequenzparametern abzunehmen. Dadurch können sie sich auf die Begutachtung der visuellen Qualitätsaspekte, wie z.B. Kontrast und Artefaktbildung, sowie auf medizinisch relevante Inhalte konzentrieren.

Die Schwierigkeiten bei der Erkennung von DTI Sequenzen sind auf den Informationsgehalt der zugrundeliegenden DICOM-Metadaten zurückzuführen. Die Nutzung des öffentlichen Teils der DICOM-Metadaten macht den Ansatz zwar unabhängig von den Varianzen der Gerätehersteller und Modalitäten, gleichzeitig werden dadurch aber auch die Möglichkeiten der Prüfungsmechanismen eingeschränkt. Daher wird gegenwärtig untersucht, wie die Sequenzerkennung durch Informationen aus dem privaten Teil der DICOM-Metadaten optimiert werden kann.

Strukturlosigkeit und Unzuverlässigkeit von Teilen der DICOM-Metadaten schränken die Prüfungsmöglichkeiten zusätzlich ein: So stellte sich die Erkennung der Kontrastmittelgabe als nicht hinreichend zuverlässig heraus. Kontrastmittelapplikation – und vor allem die Anreicherung des Kontrastmittels – können jedoch gut durch die Neuroradiologen bei der visuellen Kontrolle überprüft werden.

In der nächsten Evolutionsstufe der Applikation sollen, im Hinblick auf den Einsatz in weiteren Projekten mit anderen MRT-Referenzprotokollen, die Prüfungsmechanismen um zusätzliche Parameter, wie Aufnahmerichtung und Sequenzabfolge u.a., erweitert werden.

Danksagung: Diese Arbeit wurde unterstützt durch das Krankheitsbezogene Kompetenznetz Multiple Sklerose, gefördert vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01GI1304B.


Literatur

1.
Smith-Bindman R, Miglioretti DL, Johnson E, Lee C, Feigelson HS, Flynn M, Greenlee RT, Kruger RL, Hornbrook MC, Roblin D, Solberg LI, Vanneman N, Weinmann S, Williams AE. Use of diagnostic imaging studies and associated radiation exposure for patients enrolled in large integrated health care systems, 1996-2010. JAMA. 2012 Jun;307(22):2400-9. DOI: 10.1001/jama.2012.5960 Externer Link
2.
Polman CH, Reingold SC, Banwell B, Clanet M, Cohen JA, Filippi M, Fujihara K, Havrdova E, Hutchinson M, Kappos L, Lublin FD, Montalban X, O'Connor P, Sandberg-Wollheim M, Thompson AJ, Waubant E, Weinshenker B, Wolinsky JS. Diagnostic criteria for multiple sclerosis: 2010 revisions to the McDonald criteria. Ann Neurol. 2011 Feb;69(2):292-302. DOI: 10.1002/ana.22366 Externer Link
3.
Schmidt P, Gaser C, Arsic M, Buck D, Förschler A, Berthele A, Hoshi M, Ilg R, Schmid VJ, Zimmer C, Hemmer B, Mühlau M. An automated tool for detection of FLAIR-hyperintense white-matter lesions in Multiple Sclerosis. Neuroimage. 2012 Feb;59(4):3774-83. DOI: 10.1016/j.neuroimage.2011.11.032 Externer Link
4.
Stroet A, Buckow K, Stürner KH, Gold R, Antony G. Das Datenmodell des Kompetenznetzes Multiple Sklerose. Aufbau und Umsetzung eines gemeinsamen Datenmodells für alle Studien und Register des Kompetenznetzes Multiple Sklerose. In: Duesberg F, Hrsg. E-Health 2011. Informationstechnologien und Telematik im Gesundheitswesen. 1. Aufl. Solingen: Medical future Verl.; 2011. S. 113-122.