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GMDS 2014: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

07. - 10.09.2014, Göttingen

Semantische Annotation medizinischer Guidelines am Beispiel der Medikation von Blutungen und thromboembolischen Komplikationen bei Kindern

Meeting Abstract

  • S. Oberbichler - UMIT - Universität für Gesundheitswissenschaften, Medzinische Informatik und Technik, Hall in Tirol
  • S. Reider - Dpt. Für Kinder- u. Jugendheilkunde, Pädiatrie I, Medizinische Universität Innsbruck (MUI), Innsbruck
  • W. Streif - Dpt. Für Kinder- u. Jugendheilkunde, Pädiatrie I, Medizinische Universität Innsbruck (MUI), Innsbruck
  • A. Hörbst - UMIT - Universität für Gesundheitswissenschaften, Medzinische Informatik und Technik, Hall in Tirol

GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocAbstr. 323

doi: 10.3205/14gmds081, urn:nbn:de:0183-14gmds0817

Veröffentlicht: 4. September 2014

© 2014 Oberbichler et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung: Leit- und Richtlinien (Guidelines) zur Behandlung von Blutungen und thromboembolischen Komplikationen bei Kindern liegen meist nur in lose gesammelter bzw. überwiegend sogar in unstrukturierter Form vor und sind dadurch im klinischen Alltag für die behandelnde Ärztin nicht oder nur schwer verfügbar.

Neben der grundsätzlichen Verfügbarkeit von Informationen stellt die Indikationsstellung und Anwendung von hämostatisch aktiven Medikamenten eine weitere Herausforderung dar. Die überwiegende Mehrzahl dieser Medikamente werden bei Kindern im Rahmen der ärztlichen Behandlungsfreiheit „off-label“ verschrieben und angewendet („off-label-use“) [1]. Dies führt dazu, dass viele Kinder keine optimale oder maßgeschneiderte Behandlung erhalten. Umso wichtiger ist es, dass Guidelines und Erfahrungen mit „off-label-use“ strukturiert gesammelt und umfassend verfügbar gemacht werden.

Ziel des gegenständlichen Projektes ist es, medizinische Informationen, sowohl Fachinformationen als auch wissenschaftliche Erkenntnisse zur Behandlung von Blutungen und thromboembolischen Komplikationen bei Kindern elektronisch verfügbar zu machen. In einem weiteren Schritt werden die erfassten Informationen semantisch annotiert, strukturiert aufbereitet und den Behandlern in übersichtlicher, leicht auszuwertender Form als medizinische Guidelines für die Medikation zur Verfügung gestellt.

Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt auf der Beschreibung des entwickelten Ansatzes zur semantischen Annotation, Aufbereitung sowie Darstellung der medizinischen Informationen für den Behandler.

Im Folgenden wird ein Überblick über die eingesetzten Methoden sowie die erzielten Ergebnisse gegeben. Im Anschluss daran werden die verwendeten Methoden und Ergebnisse diskutiert und ein kurzer Ausblick gegeben.

Materialien und Methoden: Die Annotation und Strukturierung der klinischen Ausgangsdaten erfolgte mittels des „Ressource Description Framework“ (RDF) [2] des World Wide Web Consortiums (W3C) [3]. RDF ist ein Modell zur Repräsentation von Metadaten. Es besteht aus Ressourcen (z.B. Metadaten einer Webseite), Eigenschaften (z.B. Charakteristika von Ressourcen) und Aussagen, die aus einem Subjekt, einem Prädikat und einem Objekt bestehen.

Eine vereinfachte Variante von RDF ist das „Ressource Description Framework in Attributes“ (RDFa) [4] des W3C. RDFa basiert auf RDF bietet aber die Möglichkeit, bereits bestehende Daten die in einer XML-Struktur (z.B.: XHTML) vorliegen über zusätzliche Attribute zu annotieren [5]. Dies ist insofern interessant, da die erhobenen medizinischen Daten leicht in XHTML überführt werden können. Zur Annotation mittels RDF bzw. RDFa existieren bereits vorgefertigte Schemata.

schema.org stellt ein solches allgemeines Schema für die Annotation von Daten in vielen Bereichen zur Verfügung, welches auch von Google, Yahoo, Bing, etc. genutzt und unterstützt wird [6]. In diesem Projekt wird zur Annotation der vorliegenden medizinischen Daten das Objekt „MedicalCondition“ und dessen Unterobjekte wie z.B. „Treatment“, „DrugClass“, „Drug“, etc. verwendet.

Die Umsetzung des Prototyps erfolgte mittels evolutionären Prototypings [7]. Ausgehend von einem ersten Rohentwurf wird der Prototyp in mehreren Schritten in Absprache mit den im Projekt involvierten Klinikern verfeinert. Die Vorlage einer vollständigen Spezifikation zu Beginn des Projekts ist im Gegensatz zu klassischen Ansätzen wie z.B. dem Wasserfall-Vorgehensmodell nicht nötig. Dies stellt sicher, dass sich ändernde oder teils zu Beginn noch unbekannte Anforderungen im Projektverlauf berücksichtigt werden können.

Die technische Umsetzung des Prototyps erfolgte mittels des Play Frameworks [8] sowie mit der Programmiersprache JAVA [9]. Durch den Einsatz dieses leichtgewichtigen Frameworks zur Webentwicklung kann das Vorgehensmodell des evolutionären Prototypings optimal unterstützt werden.

Ergebnisse: Die medizinischen Informationen wurden im Rahmen eines Qualitätsprojektes am Department für Kinder- und Jugendheilkunde, Pädiatrie 1, Fachbereich Hämostaseologie (Universitätsklinik Innsbruck) identifiziert, gesammelt und strukturiert. Einbezogen wurden wissenschaftliche Publikation, Fachbücher, Fachinformationen sowie ergänzende Kommentare und Meinungen von Experten.

Die Aufbereitung der gesammelten medizinischen Informationen sowie die semantische Annotation wird benutzerfreundlich direkt von den beteiligten Ärztinnen in einem eigens dafür entwickelten webbasierten Editor durchgeführt. Dieser stellt einen integralen Bestandteil der Anwendung dar. Das Projekt bedient sich hierfür des bereits vorhanden webbasierten Editors „RDFaCE“ [10] und passt diesen an die konkreten Gegebenheiten (z.B. Schemadefinitionen) des Projekts an. Mittels Markierung von Textstellen können über kontext-sensitive Menüs die Annotationen eingegeben werden. Der Editor stellt für die benötigten Informationen aus schema.org Eingabefelder zur Verfügung. Annotierte Blöcke werden farblich gekennzeichnet.

Der Prototyp wurde als webbasierte Anwendung implementiert. Spezieller Fokus wurde auf die einfache Benutzbarkeit sowie eine optimierte Anzeige der Inhalte auf Smartphones und Tablets gelegt. Die Authentifizierung erfolgt für diesen Prototyp mittels eines Pin-Codes. Dem Benutzer werden DropDown-Menüs angeboten, um die bereits verarbeiteten, annotierten Informationen zu filtern.

Die medizinischen Informationen können innerhalb des Prototyps über Wirkstoff, Handelsname, Indikation und Alters- und Gewichtsgruppen abgerufen sowie durchsucht werden. Die angezeigten Inhalte setzen sich aus Indikations-, Dosierungs-, Monitoring- und Anwendungshinweisen einschließlich wichtiger Nebenwirkungen zusammen. Behandlungsoptionen und deren Reihung werden nach Empfehlungen und Expertendurchsicht angezeigt.

Die Inhalte der Guidelines können von Domänenexperten unter Einhaltung eines Qualitätssicherungsprozesses selbständig erweitert und ergänzt werden. Komplexe Informationen wie beispielsweise medizinische Scores, die Teil der Guidelines sind, können zur weiteren Verwendung ausgedruckt werden.

Diskussion: Die vorliegende Arbeit stellt einen Ansatz vor, um medikationsspezifische Informationen semantisch zu annotieren und diese Ärzten einfach und schnell zu präsentieren. Die Software bzw. das zugrundliegende Konzept liefert somit einen wichtigen Beitrag zur strukturierten, evidenzbasierten Verbreitung von Medikationsinformationen. Internationale Guidelines zur Medikation können ebenso wie unstrukturiertes medizinisches Wissen maschinenlesbar, strukturiert und integriert zugänglich gemacht werden.

Die Annotation der medizinischen Daten konnte von den beteiligten Ärzten am Universitätsklinikum Innsbruck schnell und einfach durchgeführt werden. Die webbasierte Präsentation der Daten wurde als sinnvoll und zielführend eingestuft. Durch die Annotation und das erneute Screening der Daten durch Domänenexperten, die an deren initialer Erhebung nicht beteiligt waren, kann implizit eine Qualitätskontrolle der medizinischen Informationen erzielt werden. Weiters wird durch den Einsatz von akzeptierten Schemata die Interoperabilität unterstützt.

Im Rahmen der praktischen Verwendung zeigt sich, dass sich die Daten nicht immer ohne weiteres in die vorgegebene Hierarchie von schema.org einordnen ließen. Beispielsweise konnte nicht jedem Medikament (Objekt „Drug“) ein dazugehöriges Objekt „DrugClass“ zugeordnet werden, da diese Informationen nicht immer zugänglich waren. Die Vorlage aus schema.org wurde deshalb zu Gunsten der praktischen Verwendbarkeit an dieser Stelle weniger restriktiv gestaltet. Grundsätzlich sollten aber solche Änderungen vermieden werden, da diese die Interoperabilität zwischen verschiedenen Systemen gefährden.

Durch die semantische Annotation mittels RDFa wird die maschinelle Verarbeitung der Inhalte erheblich erleichtert. Die Filterung und Anzeige der Daten kann so exakt auf die Informationsbedürfnisse der Behandler zugeschnitten werden.

In einem nächsten Schritt soll der vorliegende Prototyp in einer größeren Gruppe in der Klinikroutine getestet und evaluiert werden.


Literatur

1.
Tolle A, Meyer-Sabellek W. Off-Label-Use. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz. 2003;46:504–7.
2.
Miller E, Schloss B, Lassila O, Swick RR. RDF Model and Syntax [cited 2014 March 26]. Available from: http://www.w3.org/TR/WD-rdf-syntax-971002/ Externer Link
3.
Khalili A, Sedaghati B. Semantic Medical Prescriptions - Towards Intelligent and Interoperable Medical Prescriptions. 2013 IEEE Seventh Int Conf Semant Comput. 2013:347–54.
4.
Herman I, Adida B, Sporny M, Birbeck M. RDFa 1.1 Primer - Second Edition [Internet]. 2012 [cited 2014 March 26] . Available from: http://www.w3.org/TR/xhtml-rdfa-primer/. Externer Link
5.
Ronallo J. HTML5 Microdata and Schema.org. Code4Lib J. 2012; 2013-02-03 (16):about 5 p. Available from: http://journal.code4lib.org/articles/6400 Externer Link
6.
schema.org [Internet]. Mountain View: Google Inc. [updated 2011 June 01; cited 2014 March 27]. Available from: http://schema.org/ Externer Link
7.
Sommerville I. Software Engineering. 9th ed. Pearson Studium; 2012.
8.
Play Framework [Internet]. San Francisco - Typesafe Inc. [updated 2014 March 02; cited 2014 March 27]. Available from: http://www.playframework.com/ Externer Link
9.
Java [Internet]. Redwood Shores - Oracle Corporation [updated 2014 March 13; cited 2014 March 27]. Available from: http://www.oracle.com/ Externer Link
10.
Khalili A, Auer S, Hladky D. The RDFa Content Editor - From WYSIWYG to WYSIWYM. 2012 IEEE 36th Annu Comput Softw Appl Conf. 2012:531–40.