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GMDS 2014: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

07. - 10.09.2014, Göttingen

Big Data – Hoffnung auf Antworten oder Blüte neuer Fragen – Erfahrungen mit einem kardiologischen Register

Meeting Abstract

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  • S. Göhring - Projektgeschäftsstelle Qualitätssicherung Invasive Kardiologie, Berlin

GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocAbstr. 167

doi: 10.3205/14gmds059, urn:nbn:de:0183-14gmds0599

Veröffentlicht: 4. September 2014

© 2014 Göhring.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung: Große Datenbestände wecken die Erwartung, bisher offene Fragen valide zu beantworten. Gründe dafür sind erstens die in unserem Register repräsentierten Beobachtungen, die sonst in keiner Datenmenge enthalten sind. Es sind zweitens die rechnerischen Möglichkeiten zur Schlussfolgerung und drittens die Informationen über die Realität der Versorgung.

Methode: Das QuIK-Register (QuIK = Qualitätssicherung Invasive Kardiologie) sammelt seit 1996 die von niedergelassenen Kardiologen in Praxen, Zentren oder Krankenhäusern durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Herzkathetereingriffe (PCI) zum Zwecke der Qualitätssicherung. Es ist das weltweit größte Register dieser Art. Die teilnehmenden kardiologischen Einrichtungen finanzieren es selbst [1].

Während 1996 nur eine kleine Gruppe von acht Zentren am Register teilnahm, ist deren Zahl im Jahr 2013 auf 131 gewachsen. Ca. 80 % der von niedergelassenen Kardiologen betriebenen Zentren bzw. genutzten Herzkathetermessplätze in Krankenhäusern beteiligen sich am Register. Die Zahl der dokumentierten Eingriffe lag in den letzten Jahren jeweils bei etwa 100.000. Seit 1996 wurden insgesamt fast 1,5 Mio. Eingriffe erfasst.

Ergebnisse: Die Teilnehmer selbst erhalten im Rahmen der vertraglichen Leistungen nach jedem Quartal eine von einer Projektgeschäftsstelle erstellte standardisierte Auswertung mit der Zusammenstellung ihrer eigenen Daten und einem Vergleich zu den Ergebnissen aller Teilnehmer mit dementsprechenden Merkmalen auf der Basis pseudonymisierter Exportdatensätze [2]. Die Validität der Daten wird anhand von Stichproben über ein Monitoring-Verfahren regelmäßig überprüft.

Zusammenfassend werden diese Ergebnisse regelmäßig publiziert [3]. Darüber hinaus werden unter dem Gesichtspunkt der zur Verfügung stehenden immensen Datenmenge („Big Data“) ausgewählte Fragestellungen regelmäßig untersucht, deren Datenbasis sonst nicht zur Verfügung steht.

Einige Ergebnisse sind rein deskriptiv und führen als Beiträge zur Versorgungswirklichkeit auf, was in der täglichen Praxis tatsächlich geschieht. Wie viel Kontrastmittel wird gegeben, wie hoch ist die Strahlenbelastung, welche Indikationen liegen vor, welche Diagnosen wurden gestellt, welche Therapieentscheidungen getroffen und wie erfolgreich war schließlich die Behandlung schließlich im Falle einer perkutanenen Koronarintervention (PCI).

Weitere Ergebnisse betreffen Subgruppenanalysen, in denen über die deskriptive Betrachtung der gesamten Datenmenge aktuelle Fragestellungen gezielt aus dem Bestand beantwortet werden sollen. Beispiele der letzten Zeit waren die Betrachtung chronischer Koronarverschlüsse, die Katheterpunktion über den Arm oder die Behandlung hochaltriger Patienten [4].

Obwohl es sich um ein Register handelt und diese Fragestellungen retrospektiv erfolgen, setzen wir vor der Auswertung eine Hypothese an. Im letzten Fall kann es heißen, dass bei Hochaltrigen (Altersklassenvergleich) keine höhere Komplikationsrate auftritt.

Einige Analysen gingen noch weiter. Z. B. wurde mit einem Modell der logistischen Regression der Behandlungserfolg in Abhängigkeit von der Anzahl der Eingriffe in einem Zentrum zu bestimmt. Diese Frage betrachtet die Mindestmengenregelung. Im Ergebnis bestand allerdings kein Zusammenhang.

Als wesentliches Kennzeichen dieser Anstrengungen ist jedoch auch unter dem Gesichtspunkt von Big Data festzuhalten, dass bei großen Datenmengen, die aus der täglichen Routine und nicht aus z. B. einer geplanten klinischen Studie stammen, erhebliche Auffälligkeiten vorliegen können. Zu nennen sind fehlende Werte, falsche Codierungen, unplausible Werte und falsche Einheiten. Manchmal bestehen für statistische Analysen immer noch zu geringe Häufigkeiten bzw. Zellbesetzungen, da einzelne Merkmale tatsächlich nur selten auftreten, auch wenn sie zur Beurteilung der Qualität eine Rolle spielen.

Da die Zentren eine punktuelle Erhebung vornehmen, ohne zwingend den weiteren Verlauf zu verfolgen, können Patienten mehrfach vorhanden sein, vor allem bei wiederholten Eingriffen in anderen Einrichtungen.

Gründe dafür liegen in den heterogenen Datenquellen aus Praxisverwaltungs-, Krankenhausinformations-, klinisch-kardiologischen Dokumentations- und Qualitätssicherungssystemen, auch wenn sich alle nach einer Datensatzbeschreibung richten sollen [5].

Um dieser Herausforderung zu begegnen, haben wir im Rahmen der Möglichkeiten das Datenmanagement ausgedehnt.

Diskussion: Big Data auszuwerten ist vielversprechend, aber leichter gesagt als getan. Für Kliniker, Epidemiologen oder Biometriker allein kann die Beherrschung großer Datenbestände bisweilen schwer möglich sein, da die Struktur der Datenbestände ursprünglich nicht für den Zweck der Auswertung bestimmter Fragestellungen gestaltet wurde und nicht nach einem vorher dafür entwickelten Design aufgebaut ist. Voraussetzung ist eine Kooperation zwischen den Säulen Klinik, Dokumentation, Biometrie und Informatik.

Kliniker können die Ausgangsfrage präzise formulieren und in Abstimmung mit Biometrikern zu einem operationalisierbaren Modell gelangen. Mit der Unterstützung des dokumentierenden Personals können Probleme der Datenerfassung gelöst werden, indem Plausibilitätsprüfungen und Felddefinitionen integriert werden, die zukünftig Fehleingaben vermeiden.

Der Informatik kommt nach unserer Erfahrung eine besondere Rolle zu, da sie aus der Tabellenstruktur die zur Auswertung erforderlichen Datensätze extrahiert.

Dabei wollen wir vermeiden, „wild“ in den Daten zu wüten. Wir tasten uns sparsam an die Daten heran. Die Verlockung der „Big Data“ kann in die Irre führen. Die ohnehin begrenzten Ressourcen sollen effizient eingesetzt werden.


Literatur

1.
Albrecht A, Levenson B, Göhring S, Haerer W, Reifart N, Ringwald G, Troger B. Das QuIK-Register des Bundesverbands Niedergelassener Kardiologen: Flächendeckende vergleichende Qualitätssicherung in der Invasivkardiologie. Dtsch Med Wochenschr. 2009;134:211-213.
2.
Göhring S, Pöttmann U, Albrecht A, Levenson B. Das Qualitätsmanagement-Register QuIK in der Invasiven Kardiologie 1996-2009. In: 54. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds). Essen, 07.-10.09.2009. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2009. Doc09gmds301. DOI: 10.3205/09gmds301 Externer Link
3.
Levenson B, Albrecht A, Göhring S, Haerer W, Reifart N, Ringwald G, Schräder R, Troger B. 7. Bericht des Bundesverbandes Niedergelassener Kardiologen zur Qualitätssicherung in der diagnostischen und therapeutischen Invasivkardiologie 2010–2012. Aktuel Kardiol. 2013;2(04):272-278.
4.
Göhring S, Albrecht A, Haerer H, Levenson B, Reifart N, Ringwald G, Troger B. Zunahme von Alter und Schweregrad bei der perkutanen Koronarangioplastie (PCI) – Entwicklung des QuIK (Qualitätssicherung Invasive Kardiologie)-Registers 1996 – 2010. In: Mainz//2011. 56. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 6. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi). Mainz, 26.-29.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11gmds364. DOI: 10.3205/11gmds364 Externer Link
5.
Göhring S. Qualitätsmanagement in der Medizin – Unterschiede betriebswirtschaftlicher und regulatorischer Ansätze am Beispiel der invasiven Kardiologie. In: Mainz//2011. 56. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 6. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi). Mainz, 26.-29.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11gmds558. DOI: 10.3205/11gmds558 Externer Link