gms | German Medical Science

GMDS 2014: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

07. - 10.09.2014, Göttingen

Vertrauen in Assistenz-Technologien zur Inklusion (VATI) – Entwicklung eines AAL-Navigators zur Förderung individueller Selbständigkeit und Lebensqualität bis ins hohe Lebensalter

Meeting Abstract

  • J. Preißler - Hochschule Zittau/Görlitz, Görlitz
  • A. Hoff - Hochschule Zittau/Görlitz, Görlitz
  • G. Thiele - Hochschule Zittau/Görlitz, Görlitz
  • J. Lässig - Hochschule Zittau/Görlitz, Görlitz
  • I. Honekamp - Hochschule Zittau/Görlitz, Görlitz
  • W. Honekamp - Hochschule Zittau/Görlitz, Görlitz

GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocAbstr. 5

doi: 10.3205/14gmds028, urn:nbn:de:0183-14gmds0284

Veröffentlicht: 4. September 2014

© 2014 Preißler et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung: Der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung nimmt stetig zu. Im Bundesdurchschnitt ist gegenwärtig ein Fünftel der Bevölkerung 65 Jahre und älter. Prognosen gehen bis 2030 von einem Anstieg auf 29,5% aus. Dieser Trend wird besonders im Freistaat Sachsen spürbar, dem Bundesland mit der durchschnittlich ältesten Bevölkerung in Deutschland. Hier liegt der Anteil der 65-jährigen und älteren Menschen schon heute bei einem Viertel und ist damit der bundesweiten Entwicklung um ca. zehn Jahre voraus.

Besonders rasch wachsen die Anzahl und der Anteil der über 80-Jährigen. Waren in Deutschland 2011 2,5 Millionen Menschen pflegebedürftig, wird bis 2030 mit einem Anstieg auf dann 3,36 Millionen gerechnet. Eine besondere Herausforderung ist dabei eine angemessene Versorgung der rasch steigenden Zahl von Demenzkranken. Landkreis Görlitz (Oberlausitz), Sachsen: Der o.g. Trend ist besonders im Landkreis Görlitz (Oberlausitz), spürbar. Im Kreis Görlitz (rund 263.000 Einwohner) ist bereits heute die Hälfte der Bevölkerung älter als 50 Jahre; 13 Prozent der Einwohner sind 75 Jahre und älter. Dieser Trend zur Alterung wird sich noch verstärken [1], [2]].

Das Forschungsprojekt „Vertrauen in Assistenz-Technologien zur Inklusion“ (VATI) vereint die Ziele sozialer und wissenschaftlicher Innovation unter einem Dach:

1. Soziale Innovation: Einrichtung eines Unterstützungsnetzwerks einschließlich des interaktiven, webbasierten VATI-Technologie-Navigators mit dem Ziel der Verbesserung des Zugangs älterer Menschen zu vertrauenswürdigen, neutralen Informationen über assistive Technologien. VATI orientiert sich an den individuellen Bedürfnissen der älteren Nutzer/innen und ermöglicht ihnen einen einfachen und anschaulichen Zugang zur Nutzung assistiver Technologien mit dem Ziel, eine erhöhte Lebensqualität und gesellschaftlicher Teilhabe durch Befähigung zur Selbständigkeit im gewohnten häuslichen Umfeld zu erreichen.

2. Wissenschaftliche Innovation: Aufbau, Pflege und Auswertung zweier Längsschnitt-Datensätze (‚AAL-Panel‘ für die ältere Bevölkerung in der Region unabhängig von AAL-Nutzung und ‚VATI-Panel‘ für die Nutzer/innen von VATI) zur Datenanalyse und Durchführung von Experten- und Fokusgruppeninterviews.

Material und Methoden: Der Informationszugang zu Varianten assistiver Technologien für potentielle Nutzer/innen wird in Form eines Online-Portals realisiert. Konkret sieht das so aus, dass Informationssuchende auf der Website bestimmte physische und/oder kognitive Einschränkungen oder ein Krankheitsbild eingeben können und Vorschläge zur technischen Wohnraumanpassung erhalten. Sie haben so die Möglichkeit, Technologien anhand von Pilotlösungen in Aktion zu betrachten, Informationen über aktuelle Entwicklungen aus erster Hand zu erhalten, bis hin zur Ansprache von gegenwärtigen Nutzer/innen entsprechender Technologien und der Vereinbarung von Besuchen von Pilotanlagen von Nutzer/innen vor Ort.

Weiterhin können Interessent/innen AAL-Module aus einem Technologiebaukasten heraus selbst konfigurieren. Dieser wiederum wird durch Hersteller und Lieferanten gepflegt, die das Projekt "Assistenz-Technologien zur Integration“ als idealen Mediator zu potentiellen Kunden für sich nutzen können, so dass Informationssuchende auf diesem Weg Anschluss an die neuesten Entwicklungen halten.

Methodische Realisierung des AAL-Panels:

  • aus Grundgesamtheit (alle Personen, die älter als 65 Jahre sind), Stichprobe von 1.000 Personen
  • 1. Befragung: zu Projektbeginn, vor Installation des Navigators
  • 2. Befragung: ½ Jahr nach der 1. Befragung, Panelteilnehmer/innen sind über Existenz informiert
  • 3. Befragung: ca. 1 Jahr nach dem Start des Projekts; Feststellung ob bereits erste Erfahrungen gemacht wurden
  • Vergleich der Erfahrungen der Nutzer/innen des Navigators mit Erfahrungen des AAL-Panels
  • Personen die sich für die Technologien entscheiden, werden über einen Zeitraum von 2 Jahren (jeweils halbjährlich) zu ihren Erfahrungen und den vermittelten assistiven Technologien befragt

Weiterhin können Interessent/innen AAL-Module aus einem Technologiebaukasten heraus selbst konfigurieren. Dieser wiederum wird durch Hersteller und Lieferanten gepflegt, die das Projekt "Assistenz-Technologien zur Integration“ als idealen Mediator zu potentiellen Kunden für sich nutzen können, so dass Informationssuchende auf diesem Weg Anschluss an die neuesten Entwicklungen halten.

Ergebnisse: Der Nutzen und der Neuwert des Projekts "Assistenz-Technologien zur Integration“ liegt in der Bereitstellung von auf die individuellen Bedürfnisse der älteren Menschen und deren Angehörige zugeschnittenen, vertrauenswürdigen Informationen über technische Assistenzsysteme. Das Projekt "Assistenz-Technologien“ trägt damit zur Erhöhung des Bekanntheitsgrads und der gesellschaftlichen Akzeptanz entsprechender Produkte und Technologien sowie dem Abbau von Vorbehalten und Ängsten im Umgang mit assistiven Technologien bei [3], [4], [5]:

1. Information: Das Projekt "Assistenz-Technologien zur Integration“ knüpft am weit verbreiteten Informationsdefizit zur technischen Wohnraumanpassung an und informiert umfassend über diesbezügliche Möglichkeiten. Ausgangspunkt der Beratung sind dabei individuelle Bedürfnisse älterer Menschen basierend auf gegebenenfalls vorhandenen gesundheitlichen Einschränkungen. Nutzer/innen erhalten dabei alles aus einer Hand: Informationen, Aufklärung, individuelle Vorschläge zu geeigneten Produkten, Kontakt zu Herstellern und Anbietern sowie die Möglichkeit des Austauschs mit existierenden Nutzer/innen assistiver Technologien. Das Projekt trägt so nicht nur zum Abbau vorhandener Barrieren ab; es verringert auch Such- und Informationskosten/-aufwand.

2. Vertrauen: Das zweite zentrale Element des Projekts "Assistenz-Technologien zur Integration“ besteht in der Bereitstellung von vertrauenswürdigen Informationen, die frei von wirtschaftlichen Interessen sind. Da das Projekt "Assistenz-Technologien zur Integration“ von einer wissenschaftlichen Einrichtung (Hochschule Zittau/Görlitz) in Zusammenarbeit mit Netzwerkpartnern (Görlitzer Geriatrie-Zentrum (GGZ), Geriatrie-Netzwerk Ostsachsen (GNO), Industrie- und Handelskammer (IHK) Görlitz) getragen wird, die keine wirtschaftlichen Interessen am Verkauf von assistiven Technologien bzw. darauf basierender Dienstleistungen haben, kann Senior/innen die jeweils am besten geeignete Technologie empfohlen werden. Hersteller und Lieferanten werden durch die Hochschule Zittau/Görlitz und deren Netzwerkpartner (IHK, GGZ und GNO) akkreditiert und auf die Gewährleistung einer an Kundenbedürfnissen orientierten, neutralen Beratung verpflichtet. So können Senior/innen und ihre Angehörigen darauf vertrauen, das auf ihre spezifischen Bedürfnisse/-Präferenzen am besten passende Angebot zu bekommen.

Diskussion: Das Forschungsprojekt „Vertrauen in Assistenz-Technologien zur Inklusion“ (VATI) vereint die Ziele sozialer und wissenschaftlicher Innovation Einbindung und bindet die Endnutzer und Anwender (ältere Menschen, deren Angehörige und Helfende) unmittelbar in die Analyse, Forschung und Beratung sowie die Unterstützung von Partnernetzwerken für die Entwicklung und Umsetzung von Produkten und Diensten ein.

Die ersten Ergebnisse der Befragungen der potentiellen Endnutzer (ältere Menschen, Angehörige, Pflegende) sowie der Akteure im „VATI-Netzwerk“ zeigen, dass der Ansatz kontinuierlicher Panel-Befragungen ein geeigneter Weg zum Aufbau und zur Entwicklung eines regionalen „Vertrauensnetzwerkes“ im Bereich assistiver Produkte und Technologien ist.

Weiterführende Fragestellungen werden sein,

  • inwiefern die Ergebnisse aus dem ländlich geprägten Landkreis Görlitz (Oberlausitz) an der Grenze zu Polen und Tschechien auch auf andere Regionen (Agglomerationen und Ballungsräume in Ost- und Westdeutschland) übertragbar sind und
  • welche Veränderungen in den Befragungsergebnissen sich im Laufe der sozialen und generativen Veränderungen sowie der (informations-)technischen Entwicklungen ergeben.

Literatur

1.
Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen. Landkreisinformation, Landkreis Görlitz. 2011, Datum des Zugriffs: 12.03.2014. Verfügbar unter: http://www.statistik.sachsen.de/download/010_GB-Bev/LK_Goerlitz.pdf Externer Link
2.
Landratsamt Görlitz, Dezernat für Gesundheit und Soziales. Sozialstrukturatlas. Landkreis Görlitz. 2. Auflage. Görlitz: 2012, Datum des Zugriffs: 12.03.2014. Verfügbar unter: http://www.integrierte-sozialplanung.de/downloads/sozialstrukturatlas_2010_LK_GR_web.pdf
3.
Spellerberg A, Grauel J, Schelisch L. Ambient Assisted Living - ein erster Schritt in Richtung eines technisch-sozialen Assistenzsystems für ältere Menschen. Halle (Saale): Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft; 2009, Datum des Zugriffs: 10.03.2014. Verfügbar unter: http://www.medizin.uni-halle.de/fileadmin/Bereichsordner/Institute/GesundheitsPflegewissenschaften/Hallesche_Beitr%C3%A4ge_und_EBN/Halle-PfleGe-08-39.pdf Externer Link
4.
BMBF/VDE Innovationspartnerschaft AAL, Hrsg. AAL in der alternden Gesellschaft - Anforderungen, Akzeptanz und Perspektiven. Analyse und Planungshilfe. Ausgabe 2/2010. Berlin: VDE-Verlag; 2010.
5.
BMBF/VDE Innovationspartnerschaft AAL, Hrsg. Von eingebetteten zu soziotechnischen Systemen - Potenzial und Forschungsbedarf auf dem Gebiet der IT ... auf dem Gebiet der IT im AAL-Umfeld. Ausgabe 8/2012. Berlin: VDE-Verlag; 2012.