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53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

15. bis 18.09.2008, Stuttgart

Erstellung eines Monitoring-Systems zur Erkennung von frühzeitigen zerebralen Sekundärschäden

Meeting Abstract

  • Ali Keywan Sohrabi - ThoraTech GmbH Wettenberg, Deutschland
  • Mathias Oertel - Uniklinikum Gießen-Marburg, Gießen , Deutschland
  • W. Scharbrodt - Uniklinikum Gießen-Marburg, Marburg, Deutschland
  • Volker Groß - Uniklinikum Gießen-Marburg, Marburg, Deutschland
  • C. Reinke - Uniklinikum Gießen-Marburg, Marburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds). Stuttgart, 15.-19.09.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. DocP-40

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2008/08gmds226.shtml

Veröffentlicht: 10. September 2008

© 2008 Sohrabi et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Die Erkrankung „Schädel-Hirn-Trauma“ nimmt in den Industriestaaten, nach Herzerkrankungen, Neoplasie, Schlaganfall und chronischer Atemwegserkrankun-gen, Platz 5 in der Rangliste der Todesursachen ein [1]. Pathophysiologisch ist beim Schädel-Hirn-Trauma die Differenzierung in zerebralen Primär- und Sekundärscha-den von klinischer Bedeutung [2]. Der im Augenblick des Traumas entstandene Primärschaden kann durch die Entlastung der intrakraniellen Blutung, z.B. des epi- oder subduralen Hämatoms oder der Kontusion, reduziert werden. Im weiteren Verlauf ist es das Ziel der neurochirurgischen Intensivmedizin, Sekundärschäden zu vermeiden, da diese größeren Schaden anrichten können als das initiale Ereignis. Der zerebrale Sekundärschaden kann intra- und extrazerebrale Ursachen haben. Als intrakranielle Ursache kann der erhöhte intrazerebrale Druck gelten. Extrazerebrale Ursachen wären eine Hypotonie, definiert als systolischer Blutdruck von weniger als 90 mmHg, und Hypoxie, die mit einer Sättigung des arteriellen Blutes mit Sauerstoff von weniger als 90 % [3] einhergehen würde.

Eine Überwachungsmöglichkeit für die Volumenänderung des Gehirns wäre sehr wünschenswert. Diese sollte Volumenänderungen des Gehirns erfassen und im Idealfall eine vorzeitige Risikoabschätzung im Hinblick auf die Entwicklung eines erhöhten ICPs ermöglichen. Dies hat eine große diagnostische Bedeutung, da das Verfahren eine Überschreitung des kritischen Punktes, ähnlich dem der Volumen-Druck-Kurve (s. Abbildung 1 [Abb. 1]), erkennen kann und dadurch ein rechtzeitiges Eingreifen der Ärzte ermöglicht, um eine zerebrale Ischämie zu verhindern.

Die intrakranielle Compliance (ICC) ist die Kennlinie, welche sich über den Quo-tienten eines definierten Volumens (ΔV) im intrakraniellen Raum durch die intra-kranielle Druckänderung (ΔICP) definiert.

Formel 1 (1)

Eine definierte Volumenzugabe einer isotonen Lösung in den intrakraniellen Raum, kann beim Gesunden gut kompensiert werden. Das hat zur Folge, dass der intrakranielle Druck nur gering oder gar nicht ansteigt. Unter pathologischen Voraussetzungen jedoch, wie beispielsweise beim posttraumatischen Hirnödem, sind die Kompensationsmöglich-keiten bereits erschöpft. Hier führt jede weitere Zugabe des gleichen Volumens, zu einer schnellen Dekompensation des Gehirns. Die intrakranielle Compliance ist somit ein Maß für die Dehnbarkeit des Gehirns und drückt den Zustand aus, welchen das Gehirn nach einer Volumenzu- bzw. –abnahme, annehmen kann.

Material und Methoden

Zur Datenerfassung wurde ein Patientenmonitoringsystem der Firma Siemens (Sie-mens SC 7000) verwendet. Zur Erfassung der intrakraniellen Drücke kam das ICP-Monitoring-System der Firma Johnson & Johnson (Codman ICP Monitorings-system) zum Einsatz. Beide Systeme sind an einen Laptop mit integrierter PCMCIA A/D-Wandlerkarte (DAQ-700 von National Instruments) angeschlossen. Die Erfas-sung, Auswertung und Darstellung der Messwerte übernimmt eine selbst entwickelte Software. Diese wurde unter LabVIEW in der Version 6.1 programmiert.

Die eingehenden Signale werden mittels eines Besselfilters zweiter Ordnung von Rauschfrequenzanteilen befreit und den Messrechner weiter geleitet.

Die allgemeine Formel für die Compliance lautet:

Formel 2 (2)

Jede nicht kompensierte kraniale Volumenänderung hat eine kraniale Druckände-rung zur Folge und umgekehrt.

Die Volumenänderung (ΔV) kann als proportional zur Blutdruckänderung (ΔBP) angenommen werden.

Wird mit dieser Annahme in die obige Gleichung für die Variable ΔV die Variable ΔP eingesetzt, so entsteht ein einheitenloser Druckgradient (Dg), welcher sich pro-portional zur Compliance verhält.

Formel 3 (3)

Für die Variable ΔP kann man den intrakraniellen Druckunterschied (ΔICP) einset-zen, wobei sich dieser Wert aus der Differenz vom systolischen und diastolischen Wert errechnet. Für die Variable Δp kann man den arteriellen Blutdruckunterschied (ΔABP) einsetzen. Auch hierbei wird der Wert aus der Differenz vom systolischen und diastolischen Wert errechnet.

Daraus ergibt sich der Druckgradient Dg, als ein Äquivalent zur Compliance:

Formel 4 (4)

Ergebnisse

Es wurden Messungen bei 5 komatösen SHT Patienten der Neurochirurgischen Intensivstation des Universitätsklinikums Gießen-Marburg durchgeführt. Alle Pati-enten wurden während ihres postoperativen Aufenthalts einem kontinuierlichen Monitoring unterzogen. Die Messungen wurden jeweils am Aufnahmetag (Tag 0) des Patienten auf der Intensivstation und nach der Behandlung (Tag 2) durchgeführt.

Als Beispiel sind in Abbildung 2 [Abb. 2] die an einem SHT-Patienten aufgezeichneten Ergebnisse dargestellt. Hierbei sind die Differenzen in der Steigung der jeweiligen Messreihen (Tag 0 und Tag 2) klar ersichtlich. Die Steigung (RA) kann als Maß der Risikoabschätzung verwendet werden. Hierzu sind weitere Untersuchungen notwendig, um geeignete Schwellenwerte für die Alarmierung zu definieren.

Diskussion

Auf der Basis von LabView konnte ein einfaches Verfahren zur online-Überwachung erstellt und getestet werden.

Unsere Ergebnisse belegen, dass der einheitenlose Druckgradient Dg sehr gut geeignet ist, den Anstieg und das Abfallen des Volumens darzustellen. Über den veränderten Anstieg AR kann eine Risikoabschätzung erfolgen.


Literatur

1.
Kochaneck KD, Smith BL, Anderson RN. Deaths: preliminary data for 1999. NNSS (Bational Vital Statistics Report) 49. 2001, pp. 1-46.
2.
Miller JD, et al. Secondary insults to the injured brain. J R Coll Surg Edinb 27. 1982, pp. 292-8.
3.
Oertel M, et al. Efficacy of hyperventilation, blood pressure elevation, and metabolic suppression therapy in controlling intracranial pressure after head injury. 2002.
4.
Rosner MJ, Daughton S. Cerebral perfusion pressure management in head injury. Journal of Trauma 30. 1990, Vols. Discussion 940-1.