gms | German Medical Science

53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

15. bis 18.09.2008, Stuttgart

InPriMo - Individualisierte Prävention mit mobilen Endgeräten der Zukunft

Meeting Abstract

Suche in Medline nach

  • Stefanie Biala - Vodafone Group R&D Germany, München, Deutschland
  • Florian Rothfuß - Fraunhofer-Technologie-Entwicklungsgruppe, Stuttgart, Deutschland
  • Christian Raether - ISA Informationssysteme GmbH, Stuttgart, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds). Stuttgart, 15.-19.09.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. DocMI9-3

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2008/08gmds147.shtml

Veröffentlicht: 10. September 2008

© 2008 Biala et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Ziele des Projekts

Das Thema Gesundheitsprävention hat durch verschiedene politische und ökonomische Faktoren in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Politische Weichenstellungen und ökonomische Zwänge haben die Menschen zu mehr Eigenverantwortung für ihre Gesundheit sensibilisiert.

Das unter der Führung der Vodafone Group R&D Germany in Kooperation mit Partnern aus Forschung und Industrie betriebene Forschungsprojekt „InPriMo – Individualisierte Prävention mit mobilen Endgeräten der Zukunft“ (www.inprimo.org) erarbeitet anhand konkreter Anwendungsfälle massenmarkttaugliche Lösungsansätze für die Primär- und Sekundärprävention sowie die individualisierte integrierte Versorgung. Die Quintessenz des Forschungsprojekts ist ein innovatives Präventionsmodell, das alle Zusammenhänge (Medizin, Technologie, Organisation, Ökonomie) der integrierten Gesundheitsversorgung abdeckt. Im Projekt wird die erste massenrelevante, offene und integrative „mobile Health“ Plattform für die individualisierte Prävention entwickelt, die eine Vorreiterfunktion in der „mPrevention“ übernehmen soll.

Ergebnisse

Plattform

Die Plattform stellt den Kern des InPriMo-Modells dar. Sie ist modular aufgebaut und bietet alle Schnittstellen für die Umsetzung telemedizinischer Dienste mit dem Schwerpunkt Prävention. Um für zukünftige Geschäftsmodelle Drittanbieter (Hardware, Software, Services) flexibel integrieren zu können, ist die InPriMo-Plattform vollständig auf Schnittstellen mit offenen Standards programmiert. Diese ermöglichen es, neue Wertschöpfungsketten im Präventionssektor zu generieren, indem verschiedene Anbieter ihre individuellen Produkte und Dienste (Sensoren, mobile Endgeräte, elektronische Gesundheitsakten etc.) zu einem integrierten Präventionsprodukt bündeln können. Die Plattform besitzt eine Service-orientierte Architektur (SOA) und kann über standardisierte Web Service Schnittstellen um neue Funktionen und Dienste erweitert werden. Der Prototyp der InPriMo-Plattform wird überwiegend auf Basis von Open Source Komponenten erstellt.

Sensorik

Im Projekt wurden bisher folgende Sensor-Prototypen entwickelt:

  • Ein Uhr-ähnlicher Unterarmsensor für die mobile Pulsoximetrie, der die Parameter Sauerstoffsättigung und Pulsfrequenz erfasst.
  • Ein miniaturisiertes Sensorset, das neben einem Dreikanal-EKG die Atmungsaktivität an Thorax und Abdomen sowie den Atmungsfluss an der Nase erfasst. Zusätzlich hat das System einen Lagesensor integriert, der die absolute Orientierung einer Person im dreidimensionalen Raum wiedergibt.
  • Mobile Messung der Körperkerntemperatur im Ohr: Zurzeit wird ein komplettes Sensorsystem entwickelt, das vollständig drahtlos arbeitet. Die Sendeeinheit wird vollständig hinter der Ohrmuschel untergebracht. Somit werden die bisher notwendigen Kabel vom Ohr zu einer Auswerteeinheit am Gürtel wegfallen.
  • Eine Sensorbox mit Lage- und Beschleunigungssensoren zur Messung von Schrittlänge und -frequenz beim Laufen. Die Sensorbox kann zusätzlich Pulswerte, Körperkern- und Hautoberflächentemperatur verarbeiten.

Um die problemlose Integration der Sensoren von Fremdanbietern zu ermöglichen, verwendet InPriMo bei der Datenübertragung vom Sensor zum mobilen Endgerät das IMEX- bzw. MSD-Format („Micro Systems Data Exchange Format“). Es definiert ein modular aufgebautes Datenformat, welches für das Übertragen und Speichern von Sensordaten, Gerätekommandos oder verschiedener anderer Mikrosystem-abhängiger Informationen geeignet ist und sich auch auf kleinen Systemen mit geringen Ressourcen implementieren lässt.

Mobiles Endgerät

Ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung der Software für das mobile Endgerät ist die Optimierung der Energieeffizienz. Basierend auf Erfahrungswerten aus den Anwendertests konnte die CPU-Auslastung für die Datenübertragung zwischen Sensorik und mobilem Endgerät über die Bluetooth-Schnittstelle durch Modifikationen im Source Code (z. B. Änderungen bei Block-Copy-Operationen und Loop-Unrolling Minimierung von Funktionsaufrufen, Umstellung bei Parameter-Übergaben) maßgeblich gesenkt und eine Verlängerung der Laufzeit um etwa 2,5 Stunden erzielt werden. Auch an der Schnittstelle zwischen Smartphone und Server konnten durch den Wechsel des Protokolls von SOAP (Simple Object Access Protocol) auf REST (Representational State Transfer) Energiesparpotenziale genutzt werden. Da SOAP ein auf Interoperabilität optimiertes, sehr mächtiges Protokoll ist, erzeugt es im Vergleich zur Übertragung von REST-Datenpaketen in etwa die doppelte Menge an Brutto-Daten, was bei Smartphones für die GPRS-Übertragung einen doppelten Energieverbrauch bedeutet.

Anwendungstests

Beim Rennsteiglauf 2007 wurden fünf Läufer mit Sensoren ausgestattet, wobei zwei den Ultramarathon, einer einen Halbmarathon und zwei eine Wanderstrecke von zehn Kilometern liefen. Das getestete InPriMo-System bestand aus drei Teilen: Mobiles Endgerät, Sensorbox mit 3D-Beschleunigungsmessung, Körperkern- und Hautoberflächentemperaturmessung, Antenne für den Empfang der Herzfrequenz (Polarsystem) sowie GPS-Empfänger. Das System funktionierte gut, zeigte aber kleinere Schwächen bei der direkten Handhabung. Positiv war, dass die Sensoren und das mobile Endgerät die Läufer nicht störten und sie ungehindert laufen konnten. Ein verbessertes System wurde beim Münchner Stadtlauf 2007 von sieben Läufern über eine Halbmarathon-Distanz getestet, wobei in Echtzeit die aktuelle Position der Läufer mit ihren Daten wie Puls, Laufgeschwindigkeit, Schrittfrequenz über das Internet abgerufen und grafisch dargestellt wurde. Zeitgleich legte eine Läuferin in Wiesbaden die gleiche Wegstrecke zurück und ihre Daten konnten mit denen der anderen Läufer verglichen werden.

Derzeit laufen Vorbereitungen für einen in Mai 2008 beginnenden Trial mit dem Ziel der anwenderfreundlichen Erkennung klinisch gefährlicher Situationen bei asthmakranken Kindern und Jugendlichen. Die eingesetzte Telematik ermöglicht eine automatische Übermittlung der gemessenen Peak-Flow-Werte an die InPriMo-Plattform. Zudem erhalten die Patienten über eine spezielle Software auf dem mobilen Endgerät Rückmeldungen zu ihrem Gesundheitszustand und Hinweise zur Dosierung ihrer Medikation. Auf diese Weise soll die Motivation für regelmäßige Messungen und die Einhaltung der vorgegebenen Medikationsanweisungen gesteigert werden. Die oft lästige manuelle Führung eines Asthma-Tagebuchs entfällt, da die Daten aus dem Peak-Flow-Meter drahtlos zum mobilen Endgerät übertragen und daraufhin via GSM/UMTS Funknetz zur InPriMo-Plattform gesendet werden. Dort erfolgt dann die Auswertung, Weiterverarbeitung und Speicherung der Daten. Der behandelnde Arzt bzw. das medizinische Betreuungspersonal hat die Möglichkeit, den Verlauf der Vitalparameter einzusehen und entsprechend zu reagieren. Die frühzeitige Event- und Risikoerkennung ist auf diese Weise gegenüber der manuellen Pflege eines Asthma-Tagebuches deutlich verbessert.

Ausblick

Der hohe Stellenwert von IKT im Gesundheitswesen wurde nicht zuletzt auf den Nationalen IT-Gipfeln der Bundesregierung in den Jahren 2006 und 2007 deutlich, speziell in der Arbeitsgruppe 7 „IKT und Gesundheit“. Die Erkenntnisse von InPriMo fließen durch die Mitarbeit des Konsortialführers Vodafone R&D Germany in dieser AG7 in zukunftsweisende infrastrukturelle Maßnahmenplanungen ein. Dies geschieht in Form von Empfehlungen für den eHealth-Masterplan (eHM) der Bundesregierung. Der eHM soll einen langfristigen Ordnungsrahmen für die Prozesse und Kooperationen zwischen Industrie und allen Beteiligten des Gesundheitssystems auf nationaler und internationaler Ebene bilden.

InPriMo wird mit seinen Ergebnissen und Entwicklungen die Realisierung von mHealth-Diensten beschleunigen und neue Kooperationsmodelle im Gesundheitswesen ermöglichen. Das InPriMo-Konzept soll bis Ende des Projektes als Benchmark für mHealth Plattformen dienen.

Anmerkung

Das diesem Bericht zugrunde liegende Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie unter dem Förderkennzeichen 01 MG 536 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren.