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Psychosomatische Anamnese als Lerninhalt im Medizinstudium
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Veröffentlicht: | 14. September 2022 |
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Fragestellung/Zielsetzung: Im Unterschied zu vielen anderen Fachdisziplinen erfüllt die Arzt-Patienten-Interaktion bei der Anamneseerhebung in der psychosomatischen Medizin die Funktion eines wichtigen diagnostischen Hilfsmittels [1]: Nonverbale und verbale Signale der erkrankten Person, szenische Ereignisse (z.B. Vorfeldphänomene) [2] sowie Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomene liefern bedeutsame Hinweise zur Entstehung und Aufrechterhaltung der Erkrankung.
Die Medizinstudierenden im Modellstudiengang der Charité erlernen in den ersten vier Semestern, eine Gesamtanamnese zu erheben. Aufbauend darauf trainieren sie im fünften Semester in einem Kommunikationstraining die Anamneseerhebung bei psychosomatisch erkrankten Personen. Das Training umfasst zwei Unterrichtstermine à 2h 15min und hat einen hohen Übungsanteil (u.a. zwei Simulationspersonengespräche). Pandemiebedingt wurde die Veranstaltung von Sommersemester 2020 bis Wintersemester 2021/22 nicht wie bis dahin in physischer Präsenz durchgeführt sondern digital.
Ziel dieses E-Posters ist es, den Aufbau und die Inhalte des Kommunikationstrainings zu präsentieren und Befunde zum Lernerfolg darzustellen.
Methoden: Nach Abschluss des Kommunikationstrainings wird es von den Studierenden und den Lehrenden online evaluiert. Mit jeweils einem standardisierten Item (fünfstufige Likert-Skala) wird die Selbst- und Fremdeinschätzung des Lernerfolgs erfasst.
Ergebnisse: Die Studierenden stimmten mit 76% voll oder teilweise der Aussage zu: „Ich habe durch das Training gelernt, psychosomatische Anamnesen durchzuführen.“ 16% gaben Unentschiedenheit an und 8% stimmten nicht oder gar nicht zu. Die Lehrenden stimmten der Aussage „Die Studierenden haben durch das Training gelernt, psychosomatische Anamnesen durchzuführen“ mit 74% voll oder teilweise zu, 24% gaben an, unentschieden zu sein und 2% stimmten nicht oder gar nicht zu. Die Rücklaufquote betrug im Durchschnitt aller Semester für die Studierenden 20,6% (n=745) und für die Lehrenden 37,6% (n=176).
Sowohl die Lehrenden also auch die Studierenden schätzen den Lernerfolg in den Semestern, die online durchgeführt wurden, unverändert wie auch in den Semestern zuvor, im Median mit 2 ein.
Diskussion: Die Mehrzahl der Studierenden und Lehrenden gab an, das Lernziel der Veranstaltung sei erreicht worden. Hinweise für fehlende Zustimmung liefern Freitextkommentare in den Evaluationsbögen: Mehrere Lehrende gaben an, dass sie im Rahmen ihrer Tätigkeit zu wenig Zeit gehabt hätten, um sich auf den Unterricht ausreichend vorzubereiten; Studierende wiederum berichteten, einige Lehrende seien unzureichend auf den Unterricht vorbereitet gewesen.
Take Home Message: Die Besonderheiten der psychosomatischen Anamneseerhebung konnten bei Studierenden, die mit der Erhebung von Gesamtanamnese vertraut sind, in einem Kommunikationstraining mit hohem Übungsanteil, das eine Dauer von 4,5 Stunden hat, erfolgreich trainiert werden.
Literatur
- 1.
- Eichenberg C, Senf W. Einführung Klinische Psychosomatik. Stuttgart: UTB GmbH; 2019.
- 2.
- Nissen B. Zur Komplexität der Szene. In: Simonelli T, Zepf S, editors. Verstehen und Begreifen in der Psychoanalyse. Erkundungen zu Alfred Lorenzer, Psychoanalyse. Gießen: Psychosozial-Verlag; 2015. p.175-194.