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Empathiefähigkeit Medizinstudierender zu Studienbeginn und in der fortgeschrittenen klinischen Phase des Studiums
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Veröffentlicht: | 15. September 2021 |
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Fragestellung/Zielsetzung: Der Nationale Lernzielkatalog Medizin (NKLM) formuliert Empathie als ärztliche Kompetenz und Lernziel. Um Schlussfolgerungen für die Konzeption entsprechender Interventionen generieren zu können, wurde untersucht, ob sich Medizinstudierende im 1. und 9. Semester hinsichtlich ihrer Empathiefähigkeit unterscheiden. Dieser Studie liegt ein multidimensionales Konzept ärztlicher Empathie zugrunde, nach dem sowohl affektive und kognitive Komponenten als auch die Fähigkeit, die empathisch ausgelösten Emotionen regulieren zu können, das aktuelle empathische Verhalten beeinflussen [1].
Methoden: Design: Querschnitt-Studie, schriftliche Befragung
Messinstrument: Saarbrücker Persönlichkeitsfragebogen (SPF) [2] Version 5.8, mit den Dimensionen:
- perspective taking (PT): kognitive Fähigkeit, die psychologische Perspektive eines Gegenüber einnehmen zu können,
- empathic concern (EC): Wahrnehmen und Teilen der Emotionen eines Gegenüber, verbunden mit dem Erleben von Mitgefühl,
- fantasy (FS): Wahrnehmen und Teilen fiktiver Emotionen in Büchern, Filmen etc. – als ein Maß für die Stärke der Emotionalität,
- personal distress (PD): Erleben selbstfokussierter negativer Gefühle in Empathie fordernden Situationen – als ein Maß für die Fähigkeit zu Selbst-Andere-Differenzierung und Emotionsregulation [3].
Stichprobe: 413 Studierende, Humanmedizin Universität Rostock (192 im 1. Semester / 221 im 9. Semester)
Statistik: Two Stage Clustering
Ergebnisse: Drei Cluster mit inhaltlich sinnvoll voneinander abgrenzbaren Empathie-Profilen wurden identifiziert:
- 1.
- reflektierte, unbelastete Empathie – mit den höchsten Werten in EC, PT, FS und niedrigen Werten in PD,
- 2.
- unreflektierte, mitleidende Empathie - mit leicht erhöhten Werten in EC, eher geringer Ausprägung in PT und FS und höchsten Werten in PD und
- 3.
- Distanzierung/Vermeidung – mit unterdurchschnittlichen Werten in allen Dimensionen.
Diskussion: Während im 1. Semester die Mehrheit dem Profil einer reflektierten, unbelasteten Empathie entsprach, zeigten Studierende im 9. Semester eine überwiegende Neigung zu unreflektierter, mitleidender Empathie. Die Tendenz zu Distanzierung und Vermeidung war im 9. Semester etwas niedriger als im 1. Semester – mit über 20% der Studierenden allerdings bedenklich hoch. Insgesamt neigten zwei Drittel der Studierenden im 9. Semester zu dysfunktionaler Empathie oder Distanzierung, nur ein Drittel schien über die Fähigkeit und Bereitschaft zu verfügen, sich empathisch auf Patienten einlassen, dabei die eigenen Emotionen angemessen regulieren und sich so vor emotionaler Überlastung schützen zu können (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).
Take Home Messages: Die Studie bestätigt die Relevanz Empathie stärkender Interventionen im Verlauf des Medizinstudiums. Sie weist auf den Bedarf an Lehrformaten hin, die für die Reflexion der Emotionen, die mit den beruflichen Herausforderungen verbunden sind, Raum und Unterstützung bieten.
Literatur
- 1.
- Gleichgerrcht E, Decety J. Empathy in clinical practice: how individual dispositions, gender, and experience moderate empathic concern, burnout, and emotional distress in physicians. PloS One. 2013;8 (4):e61526. DOI: 10.1371/journal.pone.0061526
- 2.
- Paulus C. Der Saarbrücker Persönlichkeitsfragebogen SPF (IRI) zur Messung von Empathie. Psychometrische Evaluation der deutschen Version des Interpersonal Reactivity Index. Saarbrücken: Universität des Saarlandes, FR Erziehungswissenschaft; 2009. Zugänglich unter/available from: http://hdl.handle.net/20.500.11780/3343
- 3.
- Eisenberg N, Eggum N. Empathic responding: Sympathy and personal distress. In: Decety J, Ickes W, editors. The social neuroscience of empathy. Cambridge, MA: MIT Press; 2009. p.71-83. DOI: 10.7551/mitpress/9780262012973.003.0007