gms | German Medical Science

Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

16.-17.09.2021, Zürich, Schweiz (virtuell)

Professionelle Identität und Interprofessionelle Kooperation im perioperativen Kontext: Eine ethnografische Studie

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Gertraud Elisabeth Stelzer - LMU Klinikum, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • Georg Marckmann - LMU Klinikum, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • Jill Elizabeth Thistlethwaite - University of Technology, Australien
  • Matthias Siebeck - LMU Klinikum, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland

Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA). Zürich, Schweiz, 16.-17.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocP074

doi: 10.3205/21gma269, urn:nbn:de:0183-21gma2697

Veröffentlicht: 15. September 2021

© 2021 Stelzer et al.
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Gliederung

Text

Interprofessionelle Kooperation ist ein zentraler Faktor für Patientensicherheit und Mitarbeiterzufriedenheit. Gelingende Kooperation ist dabei nicht nur eine Frage der Kompetenzen, sondern der Art und Weise, wie individuelle Ideen über Kooperation und gelebte kooperative Praxis in das jeweilige berufliche Selbstverständnis eingehen [1].

Der Operationssaal (OP) ist ein Ort, an dem verschiedene Professionen und Berufe eng mit- und nebeneinander arbeiten. Eine enge Zusammenarbeit ist notwendige aber nicht hinreichende Evidenz für Interprofessionalität, welche neben kooperativem Handeln auch interprofessionelle Identität umfasst [2].

Ziel dieser Studie ist es zu verstehen, in welcher Weise interprofessionelles Handeln in die berufliche Identität integriert wird, welche kontextspezifischen Faktoren dabei eine Rolle spielen und welche Wechselwirkungen zwischen Kontext und Identitätskonstruktion bestehen [3].

Der ethnografische Ansatz zielt darauf ab, interprofessionelle Praxis in realen komplexen Situationen zu erforschen und die individuelle Perspektive der Teilnehmer durch informelle und formelle Gespräche in der entsprechenden sozialen Umgebung zu erfahren. Sowohl der Zugang zum Feld wie die Beobachtung selbst erstrecken sich über einen längeren Zeitraum. Der Zugang zu einem Operationszentrum ist mit vielen Hindernissen und Widerständen verbunden, nicht nur unter der COVID-19-Pandemie. Bislang konnten 12 Gespräche und 30 Beobachtungsstunden durchgeführt werden.

Der Fokus liegt auf den neuen Assistenzberufen im OP, OTA und ATA (Operationstechnische und Anästhesietechnische Assistent*innen). Sie gehören zu einer neuen Berufsgruppe im OP, deren Start nicht leicht war. Nach 31 bzw. 17 Jahren ist die staatliche Anerkennung und gesetzliche Regelung der Ausbildung zum 01.01.2022 in Sicht. Wenn wir verstehen, in welcher Weise Vertreter*innen dieser neuen Berufsgruppen im OP sich Kooperation zu eigen machen, können Lehr- und Lernsituationen abgeleitet werden, die über den Erwerb abstrakter Kooperationskompetenzen hinaus die Integration in die jeweilige berufliche Identität ermöglichen. Implikationen für eine interprofessionelle Ausbildung können so in die derzeit neu entstehenden Curricula aufgenommen werden.

Als Grounded Theory Projekt gehen Erhebung und Analyse Hand in Hand. Erste Ergebnisse werden auf der Tagung vorgestellt. Folgende Kategorien zeichnen sich dabei ab: Im Spannungsfeld zwischen ärztlicher und pflegerischer Seite stehen Wissensdominanz und der Wunsch nach Beteiligung einander gegenüber. Soziokulturelle Unterschiede zwischen Chirurgie und Anästhesie werden auf die jeweiligen Assistenzberufe übertragen und gehen in deren Identität ein.

Diese ersten Ergebnisse untermauern die Relevanz ethnografischer Studien.


Literatur

1.
Jarvis-Selinger S, Pratt DD, Regehr G. Competency Is Not Enough: Integrating Identity Formation Into the Medical Education Discourse. Acad Med. 2012;87(9):1185-1190. DOI: 10.1097/ACM.0b013e3182604968 Externer Link
2.
Thistlethwaite JE, Kumar K, Roberts C. Becoming interprofessional: professional identity formation in the health professions. In: Cruess R L, Cruess SR, editors. Teaching Medical Professionalism Supporting the Development of a Professional Identity. Cambridge: Cambridge University Press; 2016. p.140-154.
3.
Bates J, Ellaway RH. Mapping the dark matter of context: a conceptual scoping review. Med Educ. 2016;50(8):807-816. DOI: 10.1111/medu.13034 Externer Link