gms | German Medical Science

Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

16.-17.09.2021, Zürich, Schweiz (virtuell)

Studentisches Erleben von Professionalität in einem zahnheilkundlichen OP-Praktikum sowie zugehörige Verarbeitungsstrategien im Kontext eigener Professionalitätsentwicklung

Meeting Abstract

Suche in Medline nach

  • presenting/speaker Wolfgang Öchsner - Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Ulm, Deutschland; Medizinische Fakultät der Universität Ulm, Bereich Studium und Lehre, Ulm, Deutschland
  • presenting/speaker Tim Sebastian - Medizinische Fakultät der Universität Ulm, Studiengang Zahnmedizin, Ulm, Deutschland
  • Amelie Prade - Medizinische Fakultät der Universität Ulm, Studiengang Humanmedizin, Ulm, Deutschland
  • Oliver Keis - Medizinische Fakultät der Universität Ulm, Bereich Studium und Lehre, Ulm, Deutschland

Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA). Zürich, Schweiz, 16.-17.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocV35-04

doi: 10.3205/21gma136, urn:nbn:de:0183-21gma1369

Veröffentlicht: 15. September 2021

© 2021 Öchsner et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund und Zielsetzung: Frühere Studien belegen, dass Medizinstudierende eine definierbare Vorstellung von ärztlicher Professionalität haben. Im Rahmen von Praktika kann diese Vorstellung mit der Realität kollidieren und als „Sprung ins kalte Wasser“ oder „Realitäts-Schock“ empfunden werden [1], [2], [3]. Die Studie untersucht, wie Studierende der Zahnmedizin ohne OP-Vorerfahrung ein zahnheilkundliches OP-Praktikum im Hinblick auf ihre Vorstellung von Professionalität erlebt und verarbeitet haben, und inwieweit positive wie negative Erfahrungen und Rollenmodelle prägend waren.

Methoden: Von Juni bis August 2020 wurden mit 22 Zahnmedizin-Studierenden der Medizinischen Fakultät Ulm, für die das 1-wöchige zahnheilkundliche OP-Praktikum die erste Begegnung mit dem OP-Alltag darstellte, telefonische Leitfaden-Interviews durchgeführt. Die Interviews wurden aufgezeichnet, transkribiert und mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet.

Ergebnisse: Die vorbestehende, insbesondere von den Kategorien Arzt-Patienten-Interaktion und Fachkompetenz geprägte Vorstellung der Zahnmedizinstudierenden von Professionalität erwies sich als weitgehend stabil und wurde durch das Praktikum nicht grundsätzlich verändert. Das Bild des „Realitätsschocks“ bzw. des „Sprungs ins kalte Wasser“ wurde aber mehrheitlich als zutreffend beschrieben: Auch wenn positive Erlebnisse (insbesondere eigenes praktisches Handeln) und positive ärztliche Vorbilder als herausragend wichtige Elemente für die berufliche Entwicklung wahrgenommen und wertgeschätzt wurden, war in den Interviews dennoch die Kollision von eigenen Wertvorstellungen und Realität in der Praktikumswoche deutlich präsent. Die Reaktionen darauf waren geprägt von Verunsicherung, Ohnmacht, Passivität und Rückzug. Auf die Attraktivität der operativen Disziplinen als Karriereziel wirkte sich das aus Sicht der Interviewpersonen ungünstig aus. Auf die Frage nach dem wahrscheinlichen Verhalten beim nochmaligen Erleben vergleichbarer Situationen wünschten sich viele Studierende ein selbstbewussteres Auftreten, häufig antizipierten sie aber erneute Zurückhaltung, meist aus hierarchischen Gründen. Eine bessere curriculare Verankerung des Themas „Professionalität“ wurde, im Verbund mit gezielteren Praktikumsvorbereitungen, für sinnvoll gehalten.

Diskussion und Take Home Messages: Die geschilderten Reaktionen der Studierenden auf Kollisionen von Wertvorstellungen und Realität erscheinen nicht konstruktiv im Sinne der Professionalitätsentwicklung. Ein sinnvoller, akzeptanzversprechender Ansatz könnte sein, das Thema Professionalität curricular mit konkreten Praktikumsvorbereitungen zu kombinieren. Die Wertschätzung praktischer Erfahrungen und positiver Rollenmodelle seitens der Studierenden ist hoch. Der Impact negativer Erlebnisse auch auf die Attraktivität des Fachs wird möglicherweise noch immer unterschätzt; hier ist neben der Curriculumsentwicklung sicher auch das Thema „Faculty Development“ von zentraler Bedeutung.


Literatur

1.
Karnieli-Miller O, Vu TR, Holtman MC, Clyman SG, Inui TS. Medical Students’ Professionalism Narratives: A Window on the Informal and Hidden Curriculum. Acad Med. 2010;85(1):124-133. DOI: 10.1097/ACM.0b013e3181c42896 Externer Link
2.
Curry SE, Cortland CI, Graham MJ. Role-modelling in the operating room: medical student observations of exemplary behavior. Med Educ. 2011;45(9):946-957. DOI: 10.1111/j.1365-2923.2011.04014.x Externer Link
3.
Mak-van der Vossen M, Teherani A, van Mook WN, Croiset G, Kusurkar RA. Investigating US medical students’ motivation to respond to lapses in professionalism. Med Educ. 2018;52(8):838-850. DOI: 10.1111/medu.13617 Externer Link