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First do no harm! – (Selbst-)Reflektive Vorbereitung zur Förderung interkultureller Kompetenz vor studienbezogenen Auslandsaufenthalten für Medizinstudierende im Blended Learning
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Veröffentlicht: | 15. September 2021 |
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Text
Fragestellung: Bis zu 70% der Medizinstudierenden führen studienbezogene Auslandsaufenthalte durch, bis zu 60% als internships [1] mit direkter praktischer Erfahrung, viele davon in sogenannten low and middle income countries (LMIC). Die Studierenden sind unterschiedlich gut auf die damit einhergehenden Herausforderungen vorbereitet, wie der Umgang mit weniger Ressourcen, andere Rollenverteilungen und Verantwortungsbereiche von Studierenden, Pflegekräften, Ärzt*innen und ggf. unbekannten Berufsgruppen wie Clinical Officers. Viele Studierende sind sich Ihrer privilegierten Position nicht bewusst und genießen mancherorts mehr Rechte und Freiheiten als im heimischen Kontext, was zu erheblichem (u.a. ethischen) Fehlverhalten führen kann.
Methoden: Von der Lehrklinik der med. Fakultät Würzburg und dem Team des Wahlbereichs „Global Health and Care“ [2] wurde unter Mitarbeit von Studierenden ein Modul entwickelt und pilotiert, das in einem Blended Learning-Format (2+2 UE) Studierende auf einen Auslandsaufenthalt, mit besonderem Fokus auf LMIC, vorbereitet. Das Vorbereitungsmaterial bestand aus einem anonymisierten Bericht über ein PJ-Tertial in einem afrikanischen Land sowie dem Online-Modul „Kultur - was ist das?“ der Universität Würzburg. Evaluiert wurde mündlich und schriftlich mittels Evasys.
Ergebnisse: Zur Förderung von (inter-)kulturellen Kompetenzen standen Konzepte wie Identität, Kultur und kulturelle Zuschreibungen, Multikollektivität sowie interkulturelles Handeln im Zentrum. Die Studierenden hinterfragten kritisch die vermeintliche Motivation des PJ-Bericht-Autors und Gründe für dessen Enttäuschung sowie (negative) Einstellung. Zudem wurden die Studierenden (z.T. in Kleingruppen) sensibilisiert, ihre eigene Motivation zu hinterfragen um eigenen Enttäuschungen vorzubeugen. Ebenso stand der First-Do-No-Harm-Ansatz in Bezug auf die privilegierte Situation, als Medizinstudierende*r aus einem ressourcenstarken und angesehenen Setting zu kommen, im Zentrum.
Die Studierenden meldeten in den Freitextfeldern der Evaluation eine Veränderung Ihrer Haltungen zurück: z.B. „Ich habe die Kulturbegriffe bislang nicht so differenziert gesehen. Auch meine eigene Rolle reflektiere ich inzwischen viel kritischer.“ und „Ich sehe Auslandsaufenthalte deutlich kritischer und bin mir bewusst, wie wichtig eine adäquate Vorbereitung ist.“
Diskussion: Der interaktive (Online-) Präsenzteil mit viel Raum für Diskussion offenbarte unterschiedliche Motivationslagen für Auslandsaufenthalte. Die Anregung zu einer eingehenden Reflektion der eigenen Erwartungen und Rollen mit Pflichten und Verantwortlichkeiten vor und während des Auslandsaufenthalts wurde als sehr wichtig eingeschätzt.
Take Home Messages:
- 1.
- Bei studienbezogenen Auslandsaufenthalten vor allem in LMIC kommt einer vorherigen Vorbereitung eine essentielle Bedeutung zu.
- 2.
- Eine verpflichtende interkulturelle Vorbereitung sollte zur Anerkennung von studienbezogenen Auslandsaufenthalten eingeführt werden.
Literatur
- 1.
- Gartmeier M, Reimer M, Huber J, Epstein N, Fischer MR, Berberat PO. International mobility of students in the medical disciplines from a comparative perspective. GMS J Med Educ. 2020;37(3):Doc34. DOI: 10.3205/zma001327
- 2.
- Schwienhorst-Stich EM, Geffert K, Isberner N, Stich A, Parisi S, Zirkel J. Global Health and Care - ein neuer Wahltrack in Würzburg zur Erweiterung des Lehrangebotes im Bereich Globale Gesundheit. In: Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA). Zürich, 09.-12.09.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. DocP-003. DOI: 10.3205/20gma011