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Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

16.-17.09.2021, Zürich, Schweiz (virtuell)

Geschlechtsbezogene Diskriminierung und Chancengleichheit: Erfahrungen von Studierenden und Ärztinnen und Ärzten in der Universitätsmedizin

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Konstantin Jendretzky - Medizinische Hochschule Hannover, Studiendekanat Medizin – Bereich Curriculumentwicklung, Hannover, Deutschland
  • Lukas Boll - Leibniz Universität Hannover, Institut für Soziologie – Arbeitsbereich Methoden der empirischen Sozialforschung, Hannover, Deutschland
  • Sandra Steffens - Medizinische Hochschule Hannover, Studiendekanat Medizin – Bereich Curriculumentwicklung, Hannover, Deutschland
  • Volker Paulmann - Medizinische Hochschule Hannover, Studiendekanat Medizin – Evaluationsbüro, Hannover, Deutschland

Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA). Zürich, Schweiz, 16.-17.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocV11-02

doi: 10.3205/21gma041, urn:nbn:de:0183-21gma0419

Veröffentlicht: 15. September 2021

© 2021 Jendretzky et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung/Zielsetzung: Für zukünftige Mediziner*innen sind gute Arbeitsbedingungen ein zentraler Faktor bei der Gestaltung ihrer beruflichen Zukunft [1]. Bereits im Studium fallen diesbezüglich wichtige Richtungsentscheidungen. Daten über geschlechtsbezogene Diskriminierung an deutschen Universitätskliniken sind rar [2], Zusammenhänge mit den wahrgenommenen Karrierechancen und der Arbeitszufriedenheit wenig erforscht. Die Frage, wie Studierende ihr Medizinstudium und Ärzt*innen ihr berufliches Umfeld wahrnehmen und welche Diskriminierungen sie aufgrund ihres Geschlechts erfahren, hat Einfluss auf die Qualität der medizinischen Versorgung insgesamt.

Methoden: In zwei Online-Erhebungen befragte eine studentische Initiative alle Ärzt*innen sowie die Studierenden der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) zu ihren Erfahrungen mit geschlechtsbezogener Diskriminierung. Während allgemeine Einschätzungen zur Chancengleichheit vor dem jeweiligen Hintergrund konkretisiert wurden (Studium vs. Berufstätigkeit), waren die Fragen zur beobachteten und selbst erfahrenen sexuellen Diskriminierung identisch.

Ergebnisse: Der Rücklauf lag bei Studierenden und Ärzt*innen bei rund 15%. Von 336 Studierenden erlebten 29,2% selbst eine Form von sexualisierter Diskriminierung oder Gewalt, hierbei waren signifikant mehr Frauen betroffen (36,3% Frauen vs. 12,1% Männer; p<.00001). Der Anteil der Studierenden, die keine Form von sexueller Belästigung erlebt hatten, sinkt von 54% im ersten Studienjahr auf 28% im letzten Jahr. 44 Studentinnen gaben an, ein ursprünglich anvisiertes Fach aufgrund ihres Geschlechts verworfen zu haben. Von 199 befragten Ärzt*innen waren 32% mindestens einmal selbst betroffen. Dies entspricht rund 41% der Ärztinnen und 21% der Ärzte (p<.00001). Noch häufiger gaben alle Befragten an, sexuelle Diskriminierungen beobachtet zu haben. Studentinnen schätzten die Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen an der MHH im Schnitt schlechter als für Männer ein, während Studenten diese Ungleichheit signifikant geringer ausgeprägt wahrnahmen. Bei der Befragung der Ärzt*innen gaben signifikant mehr Frauen an, dass sie aufgrund ihres Geschlechts schlechter behandelt wurden (p<.0001).

Diskussion: Die Befragung zeigt, dass sexualisierte Diskriminierung im medizinischen Umfeld präsent ist und sich negativ auf die Beurteilung der Arbeitsbedingungen und die Wahrnehmung der Chancengleichheit auswirkt. Die studentische Initiative hat unter anderem als Folge der Datenerhebung eine Plattform zur Sichtbarmachung von verbaler Diskriminierung initiiert, sowie Workshops entworfen und Informationsveranstaltungen organisiert.

Take Home Messages: Sexualisierte Diskriminierung in der medizinischen Ausbildung hat einen nachweisbaren Einfluss auf Entscheidungen hinsichtlich der Berufsauswahl sowie auf die Zufriedenheit. Es ist von entscheidender Bedeutung, sie wahrzunehmen und ihr entgegenzuwirken, um einen Einfluss auf die Qualität der medizinischen Versorgung zu nehmen.


Literatur

1.
Paulmann V. Determinanten der Berufszufriedenheit von jungen Medizinerinnen und Medizinern. Ergebnisse der Absolventenbefragung der Medizinischen Hochschule Hannover 2010 bis 2014. Beitr Hochschulforsch. 2016;38(4):82-107.
2.
Jenner S, Djermester P, Prügl J, Kurmeyer C, Oertelt-Prigione S. Prevalence of Sexual Harassment in Academic Medicine. JAMA Intern Med. 2019;179(1):108-111. DOI: 10.1001/jamainternmed.2018.4859 Externer Link