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21. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin e. V.

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

13. - 15.02.2020, Basel, Schweiz

Prognoseberatung bei Menschen mit Multipler Sklerose mithilfe eines Online-Programms

Meeting Abstract

  • Ricardo Kosch - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, MS-Tagesklinik, Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose, Hamburg, Deutschland
  • Insa Schiffmann - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, MS-Tagesklinik, Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose, Hamburg, Deutschland
  • Martin Daumer - Sylvia Lawry Centre for Multiple Sclerosis Research & Human Motion Institute, Deutschland
  • Christian Lederer - Sylvia Lawry Centre for Multiple Sclerosis Research & Human Motion Institute, Deutschland
  • Antonio Scalfari - Imperial College London, Division of Neuroinflammation and Neurodegeneration, Department of Medicine, London, Großbritannien
  • Ian Galea - University of Southampton, Clinical & Experimental Sciences, Clinical Neurosciences, Faculty of Medicine, Southampton, Großbritannien
  • Jutta Scheiderbauer - MS-Stiftung Trier, Trierer Aktionsgruppe Multiple Sklerose, Trier, Deutschland
  • Anne Rahn - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, MS-Tagesklinik, Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose, Hamburg, Deutschland
  • Christoph Heesen - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, MS-Tagesklinik, Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose, Hamburg, Deutschland

Nützliche patientenrelevante Forschung. 21. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Basel, Schweiz, 13.-15.02.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20ebmPP1-02

doi: 10.3205/20ebm041, urn:nbn:de:0183-20ebm0415

Veröffentlicht: 12. Februar 2020

© 2020 Kosch et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund/Fragestellung: Prognostische Informationen sind unentbehrlich für alle Menschen mit chronischen Erkrankungen, die Entscheidungen über eine Dauertherapie treffen müssen. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass sich Menschen mit Multipler Sklerose (MS) typischerweise nicht über das mögliche Fortschreiten ihrer Erkrankung informiert fühlen, und dass die meisten von ihnen gern mehr Informationen zu diesem Thema erhalten würden. Aufgrund des sehr variablen Verlaufs der MS ist es jedoch eine große Herausforderung, Aussagen zur Prognose eines Patienten zu treffen. Das Online-Programm "Evidence-Based Decision Support Tool in Multiple Sclerosis" (EBDiMS) verwendet Daten von 717 Patienten aus der London/Ontario-Kohorte, um individualisierte Schätzungen zur Langzeitprognose zu berechnen. In dieser Studie wurde untersucht, ob solche Informationen von Patienten als akzeptabel und hilfreich empfunden werden.

Methoden: N=90 Menschen mit MS wurde eine personalisierte Prognose-Abschätzung zu ihrem langfristigen Krankheitsverlauf (Jahre bis zu einer Gehstrecke von 100 Metern, bis zum Eintreten einer Pflegebedürftigkeit sowie bis zur Konversion in eine sekundär-chronische MS) mitgeteilt. Die Teilnehmer schätzten ihre eigene Prognose jeweils vor und nach der Nutzung des Tools. Akzeptanz des Programms, Interesse und Relevanz der Informationen wurden auf 6-stufigen Likert-Skalen (Wertebereich 0-5) bewertet.

Ergebnisse: 90 Menschen mit MS (50% weiblich) nahmen an der Studie teil. Das Durchschnittsalter betrug 43,8 Jahre, die mittlere Krankheitsdauer 9 Jahre. Mehr als 64% der Teilnehmer gaben an, noch nie prognostische Informationen erhalten zu haben, obwohl 60% sich dies gewünscht hätten. Die geschätzte Zeit bis zu einer Gehstrecke von 100 Metern betrug vor der Nutzung des Tools 20,5 Jahre ohne und 24,9 Jahre mit Einnahme einer Immuntherapie; die geschätzte Zeit bis zur Pflegebedürftigkeit betrug 29,5 Jahre ohne und 34,8 Jahre mit Immuntherapie. Die Schätzungen veränderten sich nach Erhalt der prognostischen Informationen nicht wesentlich.

Die Verwendung von EBDiMS wurde als sehr verständlich (4.3/5), sehr interessant (4.4/5) und relevant für die Arzt-Patienten-Kommunikation (3.6/5), die Bewältigung der Krankheit (3.4/5) und Therapieentscheidungen (3.6/5) eingestuft. Obwohl die Informationen 43% der Teilnehmer zumindest etwas beunruhigten, würden 95% EBDiMS weiterempfehlen.

Schlussfolgerung: EBDiMS lieferte Menschen mit MS relevante, leicht verständliche langfristige prognostische Informationen, ohne relevante Ängste zu verursachen.