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Prävention zwischen Evidenz und Eminenz
15. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

13.03. - 15.03.2014, Halle (Saale)

Wie werden Krebsfrüherkennungsuntersuchungen (KFU) in onkologischen Leitlinien adressiert?

Meeting Abstract

  • corresponding author presenting/speaker Corinna Schaefer - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, Berlin, Deutschland
  • author Sabine Schwarz - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, Berlin, Deutschland
  • author Svenja Siegert - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, Berlin, Deutschland
  • author Christine Hahnenkamp - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, Berlin, Deutschland
  • author Julia Köpp - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, Berlin, Deutschland
  • author Markus Follmann - Deutsche Krebsgesellschaft, Berlin, Deutschland
  • author Ina B. Kopp - AWMF-Institut für Medizinisches Wissensmanagement, Marburg, Deutschland

Prävention zwischen Evidenz und Eminenz. 15. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Halle, 13.-15.03.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. Doc14ebmC1f

doi: 10.3205/14ebm012, urn:nbn:de:0183-14ebm0125

Veröffentlicht: 10. März 2014

© 2014 Schaefer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Entscheidung für oder gegen die Inanspruchnahme von KFU beruht wegen des Risikos einer Überdiagnose stark auf persönlichen Werturteilen. Leitlinien (LL) hingegen beschreiben das angemessene klinische Vorgehen für Ärzte, daher sie sind per se handlungsleitend konzipiert. Sie sollen und können damit nicht die individuelle, informierte Entscheidung ersetzen. Allerdings werden sie zunehmend juristisch relevant: Das OLG Hamm hat einen Frauenarzt zu Schadenersatz verurteilt, weil er nicht zur Mammographie geraten hatte. Die Urteilsbegründung stützt sich u.a. auf Inhalte der entsprechenden S3-LL. Der folgende Beitrag untersucht, wie hochwertige onkologische LL KFU adressieren und ob sie Aufklärung/informierte Entscheidung angemessen abbilden.

Methode: Strukturierte Auswertung der Empfehlungen aller aktuell verfügbaren Leitlinien des Leitlinienprogramms Onkologie (Stand: 1.11. 2013).

Ergebnisse: Von zehn onkologischen S3-LL adressieren 8 KFU für die gesunde Bevölkerung. 3 LL sprechen eindeutige Empfehlungen für KFU aus, davon adressieren 2 die Nutzen-Schaden-Bilanz explizit. 6 sprechen eindeutige Empfehlungen gegen KFU aus, davon adressieren 5 die Nutzen-Schaden-Bilanz explizit. 1 LL adressiert KFU, spricht aber keine Empfehlung dafür oder dagegen aus. 6 LL adressieren KFU in Risikogruppen. Empfehlungen zum korrekten Vorgehen geben 4 LL. Aufklärung von Patienten wird in 3 LL adressiert, davon in einer LL mit Positivempfehlungen, in einer ohne Empfehlung und in einer mit negativen Empfehlungen.

Diskussion: Beim Umgang mit KFU zeigen S3-LL große Heterogenität. Empfehlungen zur angemessenen Aufklärung sind selten, weisen aber ggf. einen Weg aus dem Dilemma „handlungsleitende Empfehlung vs. individuelle Entscheidung“. Von Leitliniengruppen darf erwartet werden, Empfehlungen auf Basis der bestverfügbaren Evidenz und einer strukturierten Konsensfindung u.a. unter Berücksichtigung bevölkerungsrelevanter Aspekte und eigener Werturteile zu treffen. Dabei muss die Informationsgrundlage sowohl für die Rationale der Empfehlung wie für eine individuell abweichende Entscheidung bereitgestellt werden. In der LL sollte den Anwendern klar vermittelt werden, dass eine adäquate Anwendung von LL nicht strikte Befolgung, sondern auch die ggf. präferenzbedingte, begründete Nichtbefolgung von Empfehlungen impliziert. Direktive Empfehlungen gegen KFU scheinen gerechtfertigt, wenn die Nutzen-Schaden-Bilanz negativ ist, da hier keine sinnvolle Entscheidungsalternative gegeben ist.