Artikel
Wie werden Krebsfrüherkennungsuntersuchungen (KFU) in onkologischen Leitlinien adressiert?
Suche in Medline nach
Autoren
Veröffentlicht: | 10. März 2014 |
---|
Gliederung
Text
Hintergrund: Die Entscheidung für oder gegen die Inanspruchnahme von KFU beruht wegen des Risikos einer Überdiagnose stark auf persönlichen Werturteilen. Leitlinien (LL) hingegen beschreiben das angemessene klinische Vorgehen für Ärzte, daher sie sind per se handlungsleitend konzipiert. Sie sollen und können damit nicht die individuelle, informierte Entscheidung ersetzen. Allerdings werden sie zunehmend juristisch relevant: Das OLG Hamm hat einen Frauenarzt zu Schadenersatz verurteilt, weil er nicht zur Mammographie geraten hatte. Die Urteilsbegründung stützt sich u.a. auf Inhalte der entsprechenden S3-LL. Der folgende Beitrag untersucht, wie hochwertige onkologische LL KFU adressieren und ob sie Aufklärung/informierte Entscheidung angemessen abbilden.
Methode: Strukturierte Auswertung der Empfehlungen aller aktuell verfügbaren Leitlinien des Leitlinienprogramms Onkologie (Stand: 1.11. 2013).
Ergebnisse: Von zehn onkologischen S3-LL adressieren 8 KFU für die gesunde Bevölkerung. 3 LL sprechen eindeutige Empfehlungen für KFU aus, davon adressieren 2 die Nutzen-Schaden-Bilanz explizit. 6 sprechen eindeutige Empfehlungen gegen KFU aus, davon adressieren 5 die Nutzen-Schaden-Bilanz explizit. 1 LL adressiert KFU, spricht aber keine Empfehlung dafür oder dagegen aus. 6 LL adressieren KFU in Risikogruppen. Empfehlungen zum korrekten Vorgehen geben 4 LL. Aufklärung von Patienten wird in 3 LL adressiert, davon in einer LL mit Positivempfehlungen, in einer ohne Empfehlung und in einer mit negativen Empfehlungen.
Diskussion: Beim Umgang mit KFU zeigen S3-LL große Heterogenität. Empfehlungen zur angemessenen Aufklärung sind selten, weisen aber ggf. einen Weg aus dem Dilemma „handlungsleitende Empfehlung vs. individuelle Entscheidung“. Von Leitliniengruppen darf erwartet werden, Empfehlungen auf Basis der bestverfügbaren Evidenz und einer strukturierten Konsensfindung u.a. unter Berücksichtigung bevölkerungsrelevanter Aspekte und eigener Werturteile zu treffen. Dabei muss die Informationsgrundlage sowohl für die Rationale der Empfehlung wie für eine individuell abweichende Entscheidung bereitgestellt werden. In der LL sollte den Anwendern klar vermittelt werden, dass eine adäquate Anwendung von LL nicht strikte Befolgung, sondern auch die ggf. präferenzbedingte, begründete Nichtbefolgung von Empfehlungen impliziert. Direktive Empfehlungen gegen KFU scheinen gerechtfertigt, wenn die Nutzen-Schaden-Bilanz negativ ist, da hier keine sinnvolle Entscheidungsalternative gegeben ist.