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Prävention zwischen Evidenz und Eminenz
15. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

13.03. - 15.03.2014, Halle (Saale)

„Kann“-Empfehlungen in onkologischen S3-Leitlinien. Wie oft und warum werden offene Empfehlungen gewählt?

Meeting Abstract

Prävention zwischen Evidenz und Eminenz. 15. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Halle, 13.-15.03.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. Doc14ebmC1e

doi: 10.3205/14ebm011, urn:nbn:de:0183-14ebm0113

Veröffentlicht: 10. März 2014

© 2014 Follmann et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund/Fragestellung: Das Regelwerk Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) ermöglicht eine 3 -stufige Graduierung der Stärke von Empfehlungen: starke Empfehlung („soll“), (abgeschwächte) Empfehlung („sollte“), offene Empfehlung („kann“). Im Vergleich dazu sieht das international zunehmend verwendete GRADE System nur die beiden ersten Stufen vor. Vor diesem Hintergrund wurden Häufigkeit und Gründe für die Verwendung der dritten Empfehlungsstärke in aktuellen onkologischen S3-Leitlinien exploriert.

Material/Methoden: Es wurden alle Leitlinien des Leitlinienprogramms Onkologie (OL) analysiert, die in den letzten 3 Jahren publiziert wurden. Die Gesamtzahl aller Empfehlungen und aller offenen Empfehlungen (OE)wurden je Leitlinie extrahiert. Die Hintergrundtexte der Leitlinien zu offenen Empfehlungen wurden inhaltlich analysiert in Hinblick auf Angaben zur Nutzen-Schadenabwägung zur Begründung des Empfehlungsgrades. Dies erlaubte eine Gruppierung in folgende Kategorien:

1.
unzureichende bzw. unsichere Information zu Nutzen / Schaden
2.
vorhandene, sichere, Information aber nicht richtungsweisende Nutzen/Schaden Bilanz

Ergebnisse: 10 Leitlinien beinhalteten insgesamt 1252 Empfehlungen. Davon waren insgesamt 178 (14%) offene („kann“-) Empfehlungen (Range: 8%–22%). Die Empfehlungen wurden 111 mal (62%, Range: 30%–100%) der Kategorie 1 und 67 mal (38%, Range: 0%–70%) der Kategorie 2 zugeordnet. Kann-Empfehlungen basierend auf großer Unsicherheit sind somit in unserer Stichprobe etwas häufiger als Kann-Empfehlungen, die auf einer als balanziert eingeschätzten Nutzen-Schaden-Bilanz beruhen.

Schlussfolgerungen: Die Analyse der Leitlinien zeigt, dass die offenen Empfehlungen im Vergleich zu den richtungsweisenden eine untergeordnete Rolle spielen Insofern wäre zu diskutieren, ob dieser dritte Empfehlungsgrad essentiell ist oder verzichtbar, z.B. durch Transformation in reine Aussagen („ist unklar“) oder (abgeschwächte) Empfehlungen („sollte“). Allerdings wurde die Verwendung des Empfehlungsgrades „kann“ meist begründet. Zudem wurde hier nur eine kleine Leitlinienstichprobe untersucht. Nach dem Regelwerk der AWMF wären auch andere Gründe für die Graduierung möglich, wie unterschiedliche Werteurteile/Präferenzen oder rechtliche/ökonomische Erwägungen. Hierzu wurden jedoch keine expliziten Angaben identifiziert. Untersuchungen größerer Leitlinienstichproben und Befragungen von Mitgliedern von Leitliniengruppen zu ihren Beweggründen könnten tieferen Einblick gewähren.