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23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

24.09. - 27.09.2024, Potsdam

Erfahrungen von Personenzentrierung in der psychosozialen und medizinischen Versorgung von unbeabsichtigt Schwangeren in Deutschland: Eine Längsschnittstudie mit Betroffenen

Meeting Abstract

  • Jördis Zill - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
  • Pola Hahlweg - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
  • Isabelle Scholl - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
  • Martin Härter - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
  • Anja Lindig - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland

23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 25.-27.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24dkvf474

doi: 10.3205/24dkvf474, urn:nbn:de:0183-24dkvf4748

Veröffentlicht: 10. September 2024

© 2024 Zill et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Personenzentrierung (PZ) in der Versorgung von unbeabsichtigt Schwangeren bedeutet, die Präferenzen, Bedarfe und Werte der Schwangeren in den Fokus zu stellen. Unbeabsichtigt Schwangere mit Wunsch nach einem Schwangerschaftsabbruch (SAB) sind konfrontiert mit gesetzlichen Regelungen, Stigmatisierungen und begrenztem Zugang zu Ärzt:innen, die Abbrüche durchführen. In Deutschland ist die Umsetzung von PZ in der Versorgung von unbeabsichtigt Schwangeren bisher kaum erforscht.

Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Ziel dieser Studie war es, PZ in der psychosozialen und medizinischen Versorgung aus Perspektive von Betroffenen einer unbeabsichtigten Schwangerschaft zu evaluieren. Zusätzlich wurden psychische Belastungen, Erfahrungen mit Stigmatisierung und die Zufriedenheit mit der Versorgung untersucht.

Methode: Betroffene, ab 18 Jahre, die zum Einschluss (t0) unbeabsichtigt schwanger waren oder innerhalb der letzten 8 Wochen einen Schwangerschaftsabbruch hatten, nahmen zu drei Messzeitpunkten (t1 nach 8 Wochen, t2 nach 12 Monaten) an einer Online-Befragung teil. PZ wurde mit dem Fragebogen zur erlebten Patientenorientierung (EPAT) erhoben. Zufriedenheit in der Versorgung wurde über eine adaptierte Version des Fragebogens zur Patientenzufriedenheit (ZUF-8) erhoben, psychische Belastungen anhand des NCCCN-Distress Thermometers. Entscheidungszufriedenheit wurde über die Decision Regret Scale erfasst und Stigmatisierungserfahrungen mit der Individual Level Abortion Stigma Scale sowie weiteren Items. Dazu wurden Daten zur Soziodemografie und zur Absicht der Schwangerschaft erhoben. Alle Fragebögen und Items wurden deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: Es nahmen n=240 (t0), n=177 (t1), n=155 (t2) Betroffene an der Befragung teil. Die meisten Aspekte von PZ wurden mittel bis hoch eingeschätzt, sowohl in der psychosozialen als auch in der medizinischen Versorgung wurde „Unterstützung des psychisches Wohlbefinden“ als auch der „Einbezug von Freund:innen und Familie“ als eher niedrig gewertet. Der psychische Distress der Betroffenen war sehr hoch zu t0, mittel zu t1 und gering zu t2. Die Zufriedenheit mit der Versorgung als auch mit der eigenen Entscheidung zur Austragung oder Abbruch der Schwangerschaft waren hoch. Die erwartete Stigmatisierung wurde höher gewertet als die tatsächlichen Stigmatisierungserfahrungen in der Versorgung.

Diskussion: Die meisten Aspekte von PZ werden in der Versorgung von unbeabsichtigt Schwangereren berücksichtigt, nicht alle sind ausreichend umgesetzt. So ist zum Beispiel die psychische Unterstützung bei gleichzeitig hohem psychischem Distress der Betroffenen um die Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch eher gering. Die Erwartung Betroffener in der Versorgung stigmatisiert zu werden ist hoch und könnte die wahrgenommene PZ beeinflussen.

Implikation für die Versorgung: Für eine personenzentrierte Versorgung unbeabsichtigt Schwangerer ist es wichtig, auch den Bedarf an psychischer Unterstützung bei einem SAB oder einer ausgetragenen unbeabsichtigten Schwangerschaft zu berücksichtigen und entsprechende Angebote für Betroffene zu vermitteln. Bei Wunsch der Betroffenen sollten auch Angehörige oder Freund:innen in die Versorgung einbezogen werden. Eine Normalisierung des SABs als Teil der allgemeinen Gesundheitsversorgung könnte Sorgen vor Stigmatisierung und psychische Belastungen verringern.

Förderung: Einzelförderung (BMG, DRV, BMBF, DFG, etc); Projektname: Betroffenenzentrierung von Versorgungs- und Unterstützungsangeboten für Frauen mit ungewollter Schwangerschaft (CarePreg); Fördernummer: 2520FSB113