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23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

24.09. - 27.09.2024, Potsdam

Werden Schwangere in Deutschland überversorgt?

Meeting Abstract

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  • Rainhild Schäfers - Institut für Hebammenwissenschaft, Universität Münster, Deutschland
  • Dagmar Hertle - Barmer Institut für Gesundheitssystemforschung, Wuppertal, Deutschland
  • Danny Wende - Barmer Institut für Gesundheitssystemforschung, Wuppertal, Deutschland

23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 25.-27.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24dkvf472

doi: 10.3205/24dkvf472, urn:nbn:de:0183-24dkvf4723

Veröffentlicht: 10. September 2024

© 2024 Schäfers et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Schwangerenvorsorge ist als präventive Leistung von Ärzt*innen und Hebammen Bestandteil des Leistungskatalogs der Krankenkassen. Ihre Inhalte sind über die Mutterschafts-Richtlinien (MuRiLi) des gemeinsamen Bundesausschusses verbindlich geregelt. Erfahrungen wie auch eine Querschnittsstudie aus dem Jahr 2015 [1] zeigen jedoch, dass insbesondere die Durchführung von kardiotokographischen Untersuchungen (CTG) als auch Ultraschalluntersuchungen in einem deutlich höheren Maße als in den MuRiLi verankert, durchgeführt werden.

Zielsetzung: Erhebung des Ausmaßes von CTG und Ultraschalluntersuchungen im Rahmen der Schwangerenvorsorge.

Methode: In einer Querschnittsstudie wurden Barmer Versicherten, die zwischen Juli und Dezember 2022 ein Kind geboren haben, befragt. Parallel wurden die Routinedaten (Abrechnungsdaten) aus dem gleichen Zeitraum ausgewertet. Die Analyse erfolgte in Subgruppen (Schwangere mit und Schwangere ohne besonderen Überwachungsbedarf) unter Anwendung der Verfahren der deskriptiven Statistik.

Ergebnisse: 1.667 Frauen nahmen an der Befragung teil. Aus den Routinedaten wurden die Daten von 21.507 Frauen berücksichtigt. Um die Befragungsdaten mit den Routinedaten vergleichen zu können, wurden die Routinedaten in Bezug auf die Zusammensetzung der Stichprobe der Befragungsstudie gewichtet. Unter Anwendung einer erweiterten Definition aus den MuRiLi für eine Schwangerschaft ohne besonderen Überwachungsbedarf wurden in den Befragungsdaten 262 Frauen (15,7%) identifiziert, die eine unauffällige Schwangerschaft und damit keine Indikation für die Durchführung eines CTG‘s oder mehr als 3 Ultraschalluntersuchungen aufwiesen. In den Routinedaten betrug dieser Anteil gewichtet 13,7% (n=2.955). In diesen Subgruppen wurden durchschnittlich 4,8 (Befragungsstudie) bzw. 5 (Routinedatenanalyse) CTG Untersuchungen durchgeführt. 90,2% der Frauen gaben an, davon ausgegangen zu sein, dass dies zur Routine der Schwangerenvorsorge dazu gehöre. Durchschnittlich 3,2 (Befragungsstudie) bzw. 2,7 (Routinedatenanalyse) Ultraschalluntersuchungen wurden zusätzlich zu den 3 in den MuRiLi festgelegten Ultraschalluntersuchungen identifiziert. Hier betrug der Anteil Frauen, die von einer Routinehandlung im Rahmen der Schwangerenvorsorge ausgegangen sind, 33,4%.

Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Die Ergebnisse zeigen eine Überversorgung unauffälliger Schwangerschaften, die aufgrund möglicherweise auslösender Interventionskaskaden vermieden werden sollte. Dies auch vor dem Hintergrund eines Nachhaltigkeitsgedankens. Eine ausreichende Aufklärung über Präventionsmaßnahmen fördert die Entwicklung der mütterlichen Gesundheitskompetenz als Kernelement der Gesundheitsförderung und kann sich so positiv auf die nachhaltige Gesundheit von Mutter und Kind auswirken. Sie ist deshalb anzustreben.


Literatur

1.
Schäfers R, Kolip P. Zusatzangebote in der Schwangerschaft: Sichere Rundumversorgung oder Geschäft mit der Unsicherheit? In: Böcken J, Braun B, Meierjürgen R, Hrsg. Gesundheitsmonitor 2015. Gütersloh: Bertelsmann-Stiftung; 2015. S. 119–50.