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Leitlinienentwicklung in der Psychiatrie: Wie gut gelingt die Einbindung von Betroffenen- und Angehörigenvertreter:innen?
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Veröffentlicht: | 10. September 2024 |
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Hintergrund: Die Entwicklung von Leitlinien folgt heute einem elaborierten Regelwerk. Neben der Evidenzbasierung spielen die Repräsentativität des Entwicklerteams und der Einbezug von Betroffenen- und Angehörigenvertreter:innen eine zentrale Rolle.
Zielsetzung: Für die Weiterentwicklung der Leitlinienarbeit ist eine Bestandsaufnahme der aktuellen Leitlinienarbeit aus Sicht der Beteiligten unumgänglich. Die Studie untersucht, wie gut die Beteiligung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und Angehörigen an der Entwicklung von psychiatrischen Leitlinien gegenwärtig gelingt.
Methode: Im Vorfeld der quantitativen Befragung wurden N=15 Interviews mit Leitlinienentwickler*innen durchgeführt und zentrale Themen für die Entwicklung des Fragebogens extrahiert. Angestrebt wurde eine Vollerhebung aller an der Entwicklung Beteiligten im psychiatrischen Feld. Dafür wurden zwischen Januar und Mai 2022 208 von 561 kontaktierten Leitlinienentwickler*innen von S3-Leitlinien im psychiatrischen Feld befragt (Rücklaufquote: 37,1%). Die Daten wurden deskriptiv ausgewertet.
Ergebnisse: Die Einbindung der Betroffenen gelingt häufiger gut als die der Angehörigen (61,3% vs. 54,6%, p < ,001). 67,5% stimmten zu, dass deren Einbindung zentral für eine erfolgreiche Entwicklung von Leitlinien ist. 50,5% sahen häufige Diskrepanzen zwischen Evidenz und Betroffenen- und Angehörigenperspektive, deren Überwindung zu 48.6% nicht gelänge. Benannt wurden zudem eine mangelnde Wertschätzung der Erfahrungsexpertise (32,7% vs. 36,1%), eine ungenügende Repräsentanz (36,5%) und unzureichende Gleichberechtigung in der Konsensfindung (46,2%). 44,7 % sahen Barrieren der Mitwirkung nicht wirksam abgebaut.
Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Es bestehen große Herausforderungen bei der Partizipation in der Leitlinienentwicklung. Gleichzeitig gibt es ein Bewusstsein, dass diese für die Qualität einer Leitlinie zentral ist. Es gilt, dieses Bewusstsein weiter auszubauen und den Herausforderungen wirksam zu begegnen. Neben der Entwicklung eines verbindlichen Prozedere für eine Partizipation in der Leitlinienentwicklung müssen die Bedingungen für Betroffenen- und Angehörigenvertreter*innen an der Leitlinienentwicklung zu partizipieren, erweitert und verbessert werden. Vorgestellt wird die Implementierung eines partizipativen Konzeptes im Rahmen der Neuauflage der S3-Leitlinie „Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen“.
Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; Projektname: Guide2Guide – „Living Guidelines“ in der Psychiatrie: Chancen und Herausforderungen der Implementierung eines dynamischen Aktualisierungskonzeptes; Fördernummer: Förderkennzeichen 01VSF20023