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23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

24.09. - 27.09.2024, Potsdam

Unzureichende fachärztliche Überweisung und Überwachung bei chronischer Nierenerkrankung in Deutschland: Eine bundesweite, retrospektive Kohortenstudie

Meeting Abstract

  • Edgar Steiger - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin, Deutschland
  • Friedrich von Samson-Himmelstjerna - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, Deutschland
  • Benedikt Kolbrink - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, Deutschland
  • Thomas Czihal - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin, Deutschland
  • Kevin Schulte - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, Deutschland

23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 25.-27.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24dkvf384

doi: 10.3205/24dkvf384, urn:nbn:de:0183-24dkvf3848

Veröffentlicht: 10. September 2024

© 2024 Steiger et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Das chronische Nierenversagen (chronic kidney disease, CKD) ist einer der bedeutendsten Treiber der globalen Krankheitslast und ein zunehmendes öffentliches Problem innerhalb der Gesundheitsversorgung. Eine angemessene Überweisung von Hochrisikopatient*innen an nephrologische Fachärzt*innen ist mit einer verbesserten Behandlung von CKD verbunden. Ob dies in Deutschland, einem Land mit sehr hohen Gesundheitsausgaben, erreicht wird, ist unbekannt.

Zielsetzung: Unsere Studie zielt darauf ab, den Anteil der Überweisungen von Personen mit fortgeschrittener CKD in nephrologische fachärztliche Behandlung in Deutschland zu untersuchen und die damit verbundenen Faktoren zu identifizieren.

Methode: Wir analysierten retrospektiv die ambulanten Abrechnungsdaten von 73.982.808 Deutschen, die 2022 durch die gesetzliche Krankenversicherung versichert waren. Neben deskriptiver Auswertung hinsichtlich von CKD-Fortschritt, demografischer Variablen, Behandlungsstatus und durchgeführter Leistungen wurde auch eine gemischte logistische Regression mit dem Outcome „nephrologisch-fachärztliche Behandlung“ durchgeführt.

Ergebnisse: Wir identifizierten 2.516.864 Personen mit vorbestehender CKD, von denen 207.254 CKD Stadium 4 hatten. Lediglich 134.305 (64,8%) Personen mit diagnostizierter CKD Stadium 4 erhielten im Jahr 2022 eine nephrologische Fachversorgung. Das Unterlassen der Überweisung war mit unzureichenden Überwachungsraten der Nierenfunktion und Proteinurie verbunden. Im Regressionsmodell war die fachärztliche Überweisung für Frauen weniger wahrscheinlich, ebenso für höheres Alter und für Bewohnende von Pflegeheimen. Diese Ergebnisse blieben trotz multipler Anpassung für individuelle Morbidität, Bevölkerungsdichte, Deprivation und regionaler nephrologisch-fachärztlicher Dichte stabil.

Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Unsere Ergebnisse deuten auf ernsthafte Mängel des deutschen Gesundheitssystems hin, die eine angemessene Überweisung von Personen mit fortgeschrittener CKD in angemessene (leitliniengerechte) nephrologische Versorgung unwahrscheinlich machen, wodurch insbesondere Frauen, ältere Menschen und Bewohnende von Pflegeheimen benachteiligt werden. Eine Änderung der öffentlichen Gesundheitspolitik ist erforderlich, um eine bessere Prävention von Nierenversagen sowie eine Reduzierung der mit CKD verbundenen Krankheitslast zu erreichen.