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23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

24.09. - 27.09.2024, Potsdam

So wenig wie möglich, so viel wie nötig: Charakterisierung des optimalen Unterstützungsbedarfs beim Eigentraining nach erworbener Hirnschädigung

Meeting Abstract

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  • Magdalena Schmidtke - P.A.N. ZENTRUM für Post-Akute Neurorehabilitation, Berlin, Deutschland
  • Julia Knape - P.A.N. ZENTRUM für Post-Akute Neurorehabilitation, Berlin, Deutschland
  • Christian Dohle - P.A.N. ZENTRUM für Post-Akute Neurorehabilitation, Berlin, Deutschland; Fürst Donnersmarck-Stiftung Bereich Forschung, Berlin, Deutschland; Centrum für Schlaganfallforschung Berlin, Deutschland
  • Annette Sterr - Fürst Donnersmarck-Stiftung Bereich Forschung, Berlin, Deutschland

23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 25.-27.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24dkvf379

doi: 10.3205/24dkvf379, urn:nbn:de:0183-24dkvf3795

Veröffentlicht: 10. September 2024

© 2024 Schmidtke et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Eigentraining, unterstützt durch computerbasierte Technologien, kann theoretisch die Umsetzung hochfrequenter Trainings in der neurologischen Rehabilitation und Nachsorge ermöglichen. Bisherige Ergebnisse legen nahe, dass neben der Heranführung an das Programm auch personenbezogene Faktoren und niederschwellige Supervision wichtig für erfolgreiches Eigentraining sein können. Um Erfolgsfaktoren genauer zu identifizieren, wurde eine systematische Verhaltensbeobachtung durchgeführt.

Zielsetzung: Ziel der Studie war es, Unterstützungsbedarfe für eine effektive Nutzung systematisch zu erfassen und individuell angepasste Überwindungsstrategien abzuleiten.

Methode: In dieser Studie wurde die Umsetzung von Eigentraining mit MindMotion®GO, einem interaktiven videospielbasierten Computerprogramm zur Verbesserung der Motorik, in einer Einrichtung der Langzeit-Neurorehabilitation untersucht. In einem Protokoll wurden vorab erlernte Prozesse wie Ein- und Ausloggen, Bewegungsausführung und Trainingsvorbereitung sowie alle weiteren Auffälligkeiten festgehalten. Die Ereignisse wurden mit MAXQDA aufgearbeitet, codiert und Kategorien mit Subkategorien zugeordnet.

Ergebnisse: 23 Klient*innen (m=16, w=7) mit mittelgradiger bis schwerer Hemiparese nach einer erworbenen Hirnschädigung nahmen über einen Beobachtungszeitraum von 19 Wochen an jeweils 2 festen Wochentagen an der Studie teil. Insgesamt erfolgten 86 Beobachtungen, mit durchschnittlich 4 Beobachtungen (Range: 1 – 9) pro Person.

Die Protokollanalyse ergab die drei Hauptkategorien Herausforderungen, Überwindungsstrategien und Eigeninitiative. Mit 89 Nennungen waren Herausforderungen am häufigsten. Diese waren eher kognitiven als motorischen Einschränkungen geschuldet (79 vs. 10 Nennungen) und konnten auf Schwächen in Handlungsplanung, Merkfähigkeit und Sprachkompetenz zurückgeführt werden. Die 71 Nennungen der Überwindungsstrategien fielen unter mündliche Hinweise (49) und aktive Hilfestellung (10), sowie selbstständige Überwindung (12). Die 56 Nennungen der Kategorie Eigenmotivation reflektierten selbst-initiierte Handlungen (38) der Klient*innen und Erfolgsmotivation (18).

Anwendungsschwierigkeiten ergaben sich vornehmlich aus kognitiven Einschränkungen. Meist genügte ein mündlicher Hinweis, um das Problem zu lösen, selten war aktive Hilfestellung notwendig; einige Herausforderungen wurden auch selbstständig gelöst. Eigeninitiierte Handlungen umfassten Änderungswünsche wie z.B. zusätzliche Aufgaben und das Erfragen von Trainingsergebnissen bzw. Qualitätsmerkmalen der Übungen. Hohe Erfolgsmotivation äußerte sich vorwiegend in selbstkorrigierendem Verhalten und Trainingsdurchführung in der Freizeit.

Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Die Daten der vorliegenden Studie legen nahe, dass computergestütztes Eigentraining die Klient*innen zu selbstförderndem Verhalten anspornen und zu Hilfe zur Selbsthilfe inspirieren kann. Sie verdeutlichen aber auch die Notwendigkeit, den Befähigungsprozess von computergestütztem Eigentraining individuell zu verstehen. Nur so können optimale Unterstützungslevels identifiziert und Unterstützungsangebote entsprechend abgestimmt werden. Ein gutes Verständnis der „Mensch-Technik“ Interaktionen im neurorehabilitativen Kontext bietet die Chance, größtmögliche Effekte bei möglichst geringem Aufwand zu erzielen.