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Einrichtungsbezogene Behandlungspräferenzen beim kolorektalen Karzinom in Abwesenheit von eindeutigen Leitlinienempfehlungen: Eine Befragung zertifizierter Darmkrebszentren in Deutschland
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Veröffentlicht: | 10. September 2024 |
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Hintergrund: Darmkrebs ist mit etwa 60.000 jährlichen Neuerkrankungen die bei Männern dritt- und bei Frauen zweithäufigste Krebserkrankung in Deutschland. Die relative 5-Jahres-Überlebensrate beträgt über alle Stadien etwa 65%. Entscheidend für die Prognose ist neben dem Stadium der Erstdiagnose vor allem die Qualität der Behandlung, die in zertifizierten Zentren überprüft und sichergestellt werden kann. In Fällen, in denen die Leitlinie als Grundlage der Zertifizierung keine klare Empfehlung gibt, ist die einrichtungsbezogene Behandlungspräferenz maßgeblich für die Therapieentscheidung.
Zielsetzung: Welche einrichtungsbezogenen Behandlungspräferenzen in der Therapie des kolorektalen Karzinoms haben von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zertifizierte Darmkrebszentren bei Therapieentscheidungen, für die keine klaren, evidenzbasierten Leitlinienempfehlungen existieren?
Methode: Im Rahmen des Projekts onkoFDZ wurde zwischen November 2023 und Januar 2024 eine anonyme Online-Befragung DKG-zertifizierter Darmkrebszentren durchgeführt. Die Befragung enthielt 7 Fallvignetten mit Therapieoptionen zur adjuvanten Chemotherapie bei älteren Patient*innen bzw. Patient*innen mit bestimmten Risiko- oder Therapiekonstellationen, für die in 5 Fällen keine klaren, evidenzbasierten Leitlinienempfehlungen existieren (2 Fälle als Kontrollen) sowie 9 Fallvignetten zur lokalisationsabhängigen Wahl des Operationszugangs. Die Zentren wurden aufgefordert, die Vignetten im Tumorboard zu besprechen oder die Befragung ersatzweise an eine geeignete Einzelperson zu delegieren. Die Rücklaufquote betrug 39% (N = 123, n = 49 Tumorboards, n = 74 Einzelpersonen). Analysiert wurden nur vollständig beantwortete Fragebögen (Viszeralonkologie: N = 107, Viszeralchirurgie: N = 111). Neben der deskriptiven Analyse wurden UpSet Plots zur Darstellung der Antwortkombinationen erstellt.
Ergebnisse: Es zeigten sich bei einigen Fallvignetten heterogene Behandlungspräferenzen, während bei anderen weitgehende Übereinstimmung herrschte. Die Variation kann die Vignette einer 68 Jahre alten Person mit Kolonkarzinom UICC Stadium II pT4a N0 (0/25) L0 V0 Pn0 G2 R0, MSS und ECOG 0 illustrieren, bei der sich 28% der viszeralonkologischen Tumorboards für eine Fluoropyrimidin-Monotherapie, 39% für eine Oxaliplatin-basierte Kombinationstherapie und 33% gegen die Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie aussprachen. Eine höhere Übereinstimmung zeigt die Vignette einer 81-jährigen Person mit Kolonkarzinom im UICC Stadium III pT3 N1 (2/25) L0 V0 Pn0 R0 und ECOG 0 bei der 80% eine Fluoropyrimidin-Monotherapie, 12% eine Oxaliplatin-basierte Kombinationstherapie und 7% keinerlei adjuvante Chemotherapie präferieren.
Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Die Variation bei einzelnen Therapieentscheidungen unterstreicht die Relevanz der Behandlungspräferenz bei unklarer Evidenzlage. Während die Therapiewahl bei einige Fallvignetten nur geringe Heterogenität aufwies, war sie bei anderen Risikokonstellationen höher, sodass vermutet werden kann, dass in diesen Fällen Unterschiede zwischen den behandelnden Einrichtungen über die Therapieberatung und somit die Prognose entscheiden.
Förderung: Einzelförderung (BMG, DRV, BMBF, DFG, etc); Projektname: Krebsforschungsdatenzentrum - KI-gestützte Evidenzgenerierung aus versorgungsnahen Daten Klinischer Krebsregister, GKV-Routinedaten, Klinikdaten und deren Linkage (onkoFDZ); Fördernummer: ZMI5-2522DAT14A-O