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Störungen in multidisziplinären Tumorkonferenzen – eine Video-Interaktions-Analyse
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Veröffentlicht: | 10. September 2024 |
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Hintergrund: Fester Bestandteil der onkologischen Versorgung in Krebszentren ist die Fallbesprechung in einer multidisziplinären Tumorkonferenz (MTK), in der über Therapieempfehlungen diskutiert und entschieden wird. Typische Störungen, die auch in MTK beobachtet werden können, sind Telefonanrufe und das Betreten oder das Verlassen des Raumes durch Personen. Bei Versorgenden können Störungen, die zum medizinischen Arbeitsalltag gehören, zu Ablenkung führen und mit einer erhöhten Arbeitsbelastung verbunden sein. Die sequenziellen (Inter)aktionen, die mit einer Störung in Fallbesprechungen in MTK verbunden sind, wurden bisher noch nicht detailliert beschrieben.
Zielsetzung: Ziel dieser Analyse ist es daher, zu untersuchen, welche (Inter)aktionen rund um Störungen durch Telefonanrufe und Personen, die den Raum betreten oder verlassen, innerhalb von Fallbesprechungen in MTK zu beobachten sind.
Methode: In zwei nordrhein-westfälischen Brust- und gynäkologischen Krebszentren wurden Fallbesprechungen in MTK beobachtet und auf Video aufgezeichnet. Die Videodaten wurden qualitativ mit einer Video-Interaktions-Analyse ausgewertet. Hierfür wurden in den Videos die Ausschnitte für die Feinanalyse ausgewählt, indem die Stellen, in denen Telefonklingeln oder das Betreten/Verlassen des Raumes erkennbar waren, markiert wurden. Die Sequenzen, also die Störungen und (Inter)aktionen, die im Vorfeld oder im Nachhinein in Verbindung mit der Störung beobachtet wurden, wurden kodiert und verglichen, um typische Muster zu erkennen.
Ergebnisse: Die n=135 Fallbesprechungen in 39 MTK dauerten durchschnittlich 01:53 Minuten (insgesamt 04:13:37 Stunden) und fanden in der Sitzordnung Theaterstil statt. Im Durchschnitt waren zwölf Versorgende anwesend und drei nahmen an der Diskussion teil. Die Versorgenden betraten oder verließen den Raum, ohne dass bei anderen Teilnehmenden eine Reaktion beobachtbar war. Es wurden aber auch nonverbale und verbale Begrüßungen ausgetauscht. Darüber hinaus fanden nach dem Betreten und vor dem Verlassen des Raumes parallel zu den Fallbesprechungen Gespräche statt. Telefonanrufe wurden von den Angerufenen abgewiesen, es wurde während der laufenden Besprechung im Raum telefoniert, oder der Raum wurde (telefonierend) verlassen. Bei allen Störungen konnte beobachtet werden, dass andere Teilnehmende einzelne Blicke in Richtung der Personen warfen, die durch den Raum gingen oder bei denen das Telefon läutete. Die Fallbesprechungen wurden in jedem Fall fortgesetzt.
Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Mithilfe der Video-Interaktions-Analyse konnten der Ablauf und die (Inter)aktionen rund um die Störungen in den MTK analysiert werden. Auch wenn die Auswertung der Videoaufzeichnungen aufgrund der Fülle von Daten sehr zeitaufwändig ist, bietet die Analyse dennoch einige Vorteile: Das Videomaterial kann mit weiteren Forschenden geteilt werden. Zudem ermöglichen die Videoaufzeichnungen eine wiederholte Betrachtung der (Inter)aktionen, was durch Beobachtung allein nicht möglich wäre. Darüber hinaus kann durch die Analyse der Sequenzen ein tieferes Verständnis für auftretende Phänomene in der Gesundheitsversorgung (wie die Störungen) entwickelt werden. Aus den Ergebnissen lassen sich möglicherweise Empfehlungen zur Verbesserung der Arbeitsorganisation in MTK ableiten, die zu weniger Störungen und somit zu einer besseren Qualität der Versorgung führen.
Förderung: Einzelförderung (BMG, DRV, BMBF, DFG, etc); Projektname: Patientinnenteilnahme an multidisziplinären Tumorkonferenzen – eine explorative Studie (PINTU); Fördernummer: 70112286