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23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

24.09. - 27.09.2024, Potsdam

Ansprache im Wartezimmer: Herr oder Frau Mustermann bitte?

Meeting Abstract

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  • Anna Langenbruch - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Hamburg, Deutschland
  • Matthias Augustin - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Hamburg, Deutschland
  • Caroline Gewiß - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Hamburg, Deutschland

23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 25.-27.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24dkvf211

doi: 10.3205/24dkvf211, urn:nbn:de:0183-24dkvf2111

Veröffentlicht: 10. September 2024

© 2024 Langenbruch et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Menschen, die von einer chronisch entzündlichen Hauterkrankung betroffen sind, machen häufig Diskriminierungserfahrungen (Sommer, 2020; Gemain, 2021). Menschen aus dem LSBTIQ+ Spektrum erleben ebenfalls Diskriminierung – auch in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung, was zur Vermeidung von ärztlichen Praxen führen kann (Pöge, 2020; Sileo, 2022). Auch in der dermatologischen Versorgung finden sich Benachteiligungen von LSBTIQ+ Personen (Yeung, 2019). Eine Form von Diskriminierung von trans* Personen ist das Misgendern (d.h. falsch verwendete Anreden / Pronomen), das sehr belastend sein kann (McLemore, 2018). Aber auch cis-geschlechtliche Menschen sind bei einer traditionellen Anrede mit „Herr“ oder „Frau“ mit einem Unterscheidungsmerkmal konfrontiert, das sie sich nicht selbst ausgesucht haben. Mit welcher Anrede Menschen, die wegen ihrer Hauterkrankung eine Klinikambulanz aufsuchen, aufgerufen werden möchten, wurde bislang nicht untersucht.

Zielsetzung: Ziel von QueerDerm ist es, Faktoren zu identifizieren, die sich nachteilig auf die Versorgung von LSBTIQ+ Personen mit Hauterkrankungen auswirken und zu einer Verbesserung beizutragen. Ein Aspekt ist die gewünschte Ansprache aller Patient*innen bei Aufrufen im Wartezimmer zu erfragen und zu berücksichtigen. Ziel dieser Studie war es herauszufinden, welche Anredeform Patient*innen beim Aufruf im Wartezimmer bevorzugen und insbesondere wie häufig eine Abweichung von der gängigen Praxis mit „Herr+Nachname“ oder „Frau+Nachname“ angesprochen zu werden gewünscht wird.

Methode: 1231 erwachsene Patient*innen, die wegen einer Hauterkrankung unsere dermatologische Hochschulambulanz aufsuchten, wurden in einem Fragebogen gefragt, wie sie aufgerufen werden möchten. Sie konnten zwischen „Herr+Nachname“, „Frau+Nachname“, „Vor- und Nachname“, „nur Nachname“ und „Sonstiges (+Freitext)“ auswählen. Die Einschätzung der Geschlechtszugehörigkeit der Patient*innen nahmen die Ambulanzmitarbeitenden vor. Menschen, die erneut denselben Fragebogen ausgefüllt hatten, wurden nur einmal in die Auswertung aufgenommen.

Ergebnisse: Das mittlere Alter lag bei 48 Jahren (Range: 18–87 Jahre). 41,7% waren nach Fremdeinschätzung weiblich. Eine andere Einordnung wie „divers“ wurde nicht verwendet. 88,9% der Befragten hatten eine Psoriasis, 5,6% eine Atopische Dermatitis und 5,5% eine Hidradenitis suppurativa. 28,0% gaben an anders aufgerufen werden zu wollen als mit „Herr+Nachname“ oder „Frau+Nachname“. Darunter wurde am häufigsten „nur Nachname“ gewünscht (16,2% der Befragten). Männlich gelesene Personen wünschten sich häufiger eine nicht-traditionelle Ansprache als weiblich gelesene (31.7% vs. 23.0%, χ²(1)=9.27, p<.01). Unter den als weiblich eingeordneten Personen wollten zwei mit „Herr+Nachname“ angesprochen werden und unter den als männlich eingeordneten Personen fünf mit „Frau+Nachname“.

Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Der Wunsch auf eine nicht traditionelle Weise im Wartebereich einer klinischen Ambulanz aufgerufen zu werden ist kein seltenes Phänomen, sondern betrifft mehr als jede*n Vierte*n, darunter wahrscheinlich auch cis-geschlechtliche Personen. Die Anrede einer Person – vor allem während des öffentlichen Aufrufens in einem Wartezimmer - sollte entsprechend nicht von außen entschieden, sondern erfragt und berücksichtigt werden.