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Erfahrungen zum Einsatz von GKV-Routinedaten bei der Evaluation von neuen Versorgungsformen für Menschen mit psychischen Erkrankungen
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Veröffentlicht: | 10. September 2024 |
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Setting der Forschungs- und/oder Praxis-Initiative: Die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen ist komplex, u.a. aufgrund der Fragmentierung und des starren Systems der strikten Trennung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung. Alternative Behandlungsformen wie stationsäquivalente Behandlung oder Assertive Community Treatment werden zunehmend eingesetzt, wenn auch bisher nur für wenige Menschen. Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung psychisch erkrankter Menschen auf Basis von Modellprojekten gemäß § 64b SGB V zielt darauf ab, die Versorgung zu optimieren und sektorübergreifende Leistungen zu fördern. Modellprojekte nach § 64b SGB V unterliegen einer unabhängigen wissenschaftlichen Evaluation (§ 65 SGB V). Die Evaluationsstudie EVA64 untersucht seit 2015 basierend auf dieser gesetzlichen Grundlage 18 Modellvorhaben unter Verwendung von GKV-Routinedaten aus über 70 gesetzlichen Krankenkassen. Zusätzlich untersuchte die vom Innovationsfonds finanzierte PsychCare-Studie von 2017 bis 2021 prospektiv und kontrolliert eine zufällig gezogene Teilmenge dieser Modellprojekte. Das Design umfasste unter anderem eine fragebogengestützte Primärdatenerhebung sowie eine Datenintegration durch Datenlinkage von Fragebogen- und GKV-Routinedaten.
Ziel/bzw. Ziele der Initiative: Es werden der Einsatz von GKV-Routinedaten in der EVA64-Studie bzgl. ihrer Vor- und Nachteile reflektiert, Erfahrungen aus der PsychCare-Studie ergänzt und Empfehlungen für den Einsatz von GKV-Routinedaten im Bereich der psychiatrischen Versorgungsforschung abgeleitet.
Herausforderungen und/oder Erfolgsfaktoren: GKV-Routinedaten eignen sich sehr gut für das Monitoring von Veränderungen in der Inanspruchnahme im Zeitverlauf sowie für die quantitative Bewertung neuer Versorgungsformen und zur längsschnittlichen Analyse von sektorübergreifenden Versorgungspfaden. Zur umfassenden Beurteilung der Ergebnisqualität sind Studien mit Primärdaten unverzichtbar, welche die Perspektive von Patientinnen und Patienten, Leistungserbringenden und Angehörigen berücksichtigen. Über die fall- und patientenbezogene Verknüpfung von Daten (Datenlinkage) können die Stärken von GKV-Routinedaten und anderen Datenquellen, wie Fragebögen, kombiniert und somit Synergien genutzt werden. Die Zustimmung (informed consent) zur Datenverknüpfung war auch bei Personen mit psychischen Erkrankungen mit ca. 90% hoch.
Schlussfolgerung: Eine begleitende Evaluation neuer Versorgungsmodelle ist unerlässlich, um deren Effektivität, Nutzen und Kosten zu bewerten. GKV-Routinedaten bieten eine effiziente und umfassende Möglichkeit zur kontinuierlichen Evaluation, während Primärdaten für die Erfassung von patient-reported outcome bzw. patient-reported experience measures (PROMs und PREMs) unerlässlich sind. GKV-Routinedaten sollten als wichtiger Bestandteil einer begleitenden Evaluation und eines Monitorings verwendet werden, da sie einen unselektierten Zugang zu relevanten Informationen bieten, insbesondere für schwer erreichbare Personengruppen. Für eine validere Evaluation im Bereich der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen sollten GKV-Routinedaten um zusätzliche Informationen aus Primärdaten, wie Symptomschwere und diagnostische Scores, ergänzt werden. Mögliche Verzerrungen, je nach Fragestellung und Datenquelle, müssen beschrieben und, wenn möglich, vermieden werden.
Förderung: Sonstige Förderung; Projektname: Von über 70 gesetzlichen Krankenkassen