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Erfahrungen und Bedürfnisse hinsichtlich der sektorenübergreifenden Versorgung und Versorgungskoordination von Krebspatienten: Ergebnisse einer Patientenbefragung
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Veröffentlicht: | 10. September 2024 |
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Hintergrund: Die Versorgung von Krebspatienten erfordert einen multiprofessionellen, sektorenübergreifenden Ansatz sowie die enge Zusammenarbeit der beteiligten Akteure. Um die Versorgung in Zukunft patientenorientiert gestalten zu können, sind Informationen über die Erfahrungen und Bedürfnisse von Patienten hinsichtlich des Zugangs zum Gesundheitssystem und der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit erforderlich. Bisher ist in Deutschland jedoch wenig zu diesen Aspekten bekannt.
Zielsetzung: Ziel dieser Studie ist es, die Patientenperspektive hinsichtlich des Zugangs zur Versorgung, der Versorgungspfade und -koordination sowie des Informationsbedarfs zu untersuchen.
Methode: Die Beobachtungsstudie basiert auf einer anonymen Online-Umfrage bei Krebspatienten. Der Fragebogen wurde interdisziplinär anhand explorativer, semistrukturierter Patienteninterviews entwickelt und pilotiert. Umfragethemen sind Patienten- und Krankheitsmerkmale, Versorgungszugänge, Unterstützungsmaßnahmen, Informationsbedarfe und das Care Coordination Instrument (CCI). Die Verbreitung erfolgte von Februar bis Mai 2024 über Social-Media, Kliniken, Praxen, Apotheken, die Bayerische Krebsgesellschaft, die AOK Bayern und Selbsthilfegruppen in Bayern. Die Ergebnisse werden deskriptiv ausgewertet und t-Tests bei unabhängigen Stichproben durchgeführt.
Ergebnisse: An der Studie haben 1.225 Patienten teilgenommen: mittleres Alter 57,5 Jahre, 79,2% Frauen, 40,4% mit Brustkrebs und 23,3% mit seltenen Krebserkrankungen (sK) (5% Multiple Myelome, 3% Sarkome, 4% Lymphome). Zwischen dem Auftreten erster Symptome und dem ersten Arztbesuch vergingen im Median 42 Tage (d) (28,0% ≥ 100 d; sK 60 d, p=0,009), vom ersten Arztbesuch bis zur Diagnose 15 d (23,4% ≥ 60 d; sK 28 d, p=0,004) und von der Diagnose bis zur Behandlung 21 d (31,5% ≥ 30 d). 38,2% zögerten einen Arzt aufzusuchen, hauptsächlich da die Symptome sich nur langsam verschlechterten. Bis zum Behandlungsbeginn wurden im Mittel 2,3 niedergelassene Ärzte und 1,2 Krankenhäuser aufgesucht. 31,2% holten eine Zweitmeinung ein, meist vor Behandlungsbeginn, um sich über Behandlungsalternativen zu informieren. 79,5% nahmen Unterstützungsmaßnahmen wahr, davon 40,1% Psycho-Onkologie und 34,4% Physiotherapie. 57,7% wünschen sich mehr Informationen, hauptsächlich zur Behandlung, Nebenwirkungen und Nachsorge. Das CCI beträgt im Mittel 48,5 von 87, in der Dimensionen Kommunikation/Navigation 30,6 von 48 und in der Dimension interprofessionellen Navigation 25,5 von 51 (höhere Werte entsprechen einer besseren Koordination).
Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Die Ergebnisse weisen auf einen Optimierungsbedarf der intersektoralen, interprofessionellen Versorgungskoordination hin. Optimierungsmöglichkeiten, die in weiterführenden Projekten erprobt und evaluiert werden sollten, sind z.B. digitale Anwendungen für Ärzte und Patienten zur niederschwelligen Kontaktaufnahme und zum zeitnahen behandlungsbezogenen Informationsaustausch, Schulungen zum Decision Coaching sowie die Etablierung von Lotsen. Die Informationsbedarfe der Patienten sollten in weiterführenden Analysen detaillierter, ggf. stratifiziert nach Subgruppen, elaboriert werden, um Plattformen zur Bereitstellung patientengerechter, wissenschaftlich fundierter und aktueller Informationen entwickeln und testen zu können.
Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; Fördernummer: 01NVF20012