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„Also da kann man nicht so viel falsch machen. Glaube ich jedenfalls, hoffe ich.“ Arzneimittelkompetenz von Patient*innen mit oraler Tumortherapie. Informationsbedürfnisse und Wissenslücken – eine qualitative Analyse
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Veröffentlicht: | 10. September 2024 |
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Hintergrund: Seit den frühen 2000er Jahren ist ein stetiger Einsatz oraler Tumortherapien (OTT) zu verzeichnen. Durch die Verlagerung der Therapie in die Häuslichkeit der Patient*innen, erfahren die Betroffenen mehr Flexibilität und Lebensqualität im Alltag. Jedoch bedarf es aufgrund der reduzierten Kontakte zum Gesundheitspersonal auch eine erhöhte Eigenverantwortung und gutes Selbstmanagement im Umgang mit den Medikamenten. Ein fundiertes Verständnis und umfassendes Wissen zur OTT ist dabei entscheidend für eine sichere und effektive Behandlung. Das bisher wenig betrachtete Konzept der Arzneimittelkompetenz beschreibt die Fähigkeit von Patient*innen mit arzneimittelbezogenen Informationen umzugehen. Erste Studien geben einen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen einer geringen Arzneimittelkompetenz und einer geringen Adhärenz. Bei der OTT kann dies erheblichen Einfluss auf den Behandlungserfolg haben.
Zielsetzung: Der Beitrag soll bestehende Informationsbedürfnisse sowie mögliche Wissenslücken von Patient*innen unter OTT zu ihrer erhaltenen Therapie aufdecken.
Methode: Im Rahmen der Fragebogenentwicklung zur Messung der Arzneimittelkompetenz bei Patient*innen mit einer OTT im interdisziplinären Projekt „AMIKO“ sollen 15–30 leitfadengestützte Interviews mit Betroffenen und ihren Angehörigen geführt werden. Die gezielte Rekrutierung der Interviewteilnehmenden erfolgt mit Unterstützung einer Study Nurse in einem onkologischen Versorgungszentrum. Samplingkriterien sind: Alter, Geschlecht, Diagnose, Krankheitsstadium, Therapieart und -dauer. Die telefonisch durchgeführten, audioaufgezeichneten Interviews werden transkribiert und mittels strukturierter, qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckarzt und Rädiker und mit Hilfe der Computersoftware MAXQDA analysiert.
Ergebnisse: Es wurden bisher 17 Interviews geführt und ausgewertet (12 weiblich, Durchschnittsalter: 72,8 Jahre. Alterspanne: 28–84). Die durchschnittliche Interviewlänge beträgt 39,8 min (Min: 18 min, Max: 63 min). Das Kategoriensystem wurde deduktiv auf Grundlage des theoretischen Hintergrundes der Gesundheits- und Arzneimittelkompetenz erarbeitet und induktiv aus dem Material heraus erweitertet. Die Betroffenen fühlen sich unter anderem nicht ausreichend über den richtigen Umgang mit möglichen Nebenwirkungen informiert. Auch zu möglichen Wechselwirkungen oder der genauen Wirkweise der Medikamente wünschen sich die Interviewteilnehmenden mehr Informationen. Wissenslücken zeigen sich vor allem hinsichtlich des Verständnisses für die Besonderheit von OTT, dies beinhaltet unter anderem auch den sicheren Umgang mit dem Medikament sowie Kenntnisse zu bestehenden Wechselwirkungen.
Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Die dargestellten Informationsbedürfnisse und Wissenslücken der Betroffenen zeigen deutlich Hinweise auf notwendige Optimierung der Beratung und Information zu Beginn und während der OTT. Mit Blick auf den relationalen Charakter von Gesundheits- und Arzneimittelkompetenz ist hervorzuheben, dass der Umgang mit gesundheitsbezogenen oder arzneimittelbezogenen Informationen auch von der Gestaltung der Informationen abhängt. Die Ergebnisse können einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung von Aufklärungs- und Informationskonzepten liefern.
Förderung: Sonstige Förderung; Projektname: Entwicklung und Validierung eines Fragebogens zur Messung der Arzneimittelkompetenz (Medication Literacy) bei Patientinnen und Patienten mit oraler Tumortherapie (AMIKO); Fördernummer: 70114882