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23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

24.09. - 27.09.2024, Potsdam

Analyse der Behandlungskosten von Patienten mit einem fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) mit Teilnahme an einem onkologischen Präzisionsmedizinprogramm im Vergleich zur Routineversorgung

Meeting Abstract

  • Kilson Moon - Institut für Community Medicine, Greifswald, Deutschland
  • Anika Kästner - Institut für Community Medicine, Greifswald, Deutschland
  • Anna Kron - Nationales Netzwerk Genomische Medizin (nNGM), Köln, Deutschland
  • Gerhard Schillinger - AOK-Bundesverband GbR, Berlin, Deutschland
  • Wolfgang Hoffmann - Institut für Community Medicine, Greifswald, Deutschland
  • Jürgen Wolf - Nationales Netzwerk Genomische Medizin (nNGM), Köln, Deutschland
  • Neeltje van den Berg - Institut für Community Medicine, Greifswald, Deutschland

23. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 25.-27.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc24dkvf101

doi: 10.3205/24dkvf101, urn:nbn:de:0183-24dkvf1011

Veröffentlicht: 10. September 2024

© 2024 Moon et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die personalisierte Versorgung von Krebspatienten hat das Potenzial, das Überleben und die Lebensqualität zu verbessern. Das Nationale Netzwerk Genomische Medizin Lungenkrebs (nNGM) bietet eine breite molekularpathologische Diagnostik des Tumorgewebes und darauf aufbauende standardisierte Therapieinformationen für Patienten mit einem fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC).

Zielsetzung: Ziel dieser Studie ist es, die Behandlungskosten bei Patienten mit einem fortgeschrittenen NSCLC mit Teilnahme an einem onkologischen Präzisionsmedizinprogramm (nNGM) zu analysieren und mit den Kosten einer Behandlung ohne Teilnahme am nNGM zu vergleichen.

Methode: Die Analyse umfasste AOK-Versicherte mit der Erstdiagnose eines fortgeschrittenen NSCLC und systemischer onkologischer Therapie zwischen dem 1. April 2019 und dem 30. Juni 2020, wobei die Kosten bis zum 31. Dezember 2020 verfolgt wurden. Die ambulanten und stationären Therapiekosten der ersten sechs Therapiemonate wurden zwischen Patienten mit Teilnahme am nNGM (Interventionsgruppe, nNGM-IG) und Patienten mit Routinebehandlung ohne Teilnahme am nNGM (Kontrollgruppe, nNGM-KG) verglichen. Die Datengrundlage der nNGM-IG bestand aus zusammengeführten pseudonymisierten nNGM- und AOK-Daten, wohingegen die nNGM-KG ausschließlich auf AOK-Daten basierte. Die ambulanten onkologischen Therapiekosten wurden mittels ATC-Code L01 (Antineoplastische Mittel) berechnet und die stationären Kosten aus Krankenhausabrechnungsdaten ermittelt.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 509 Patienten in der nNGM-IG und 7.213 Patienten in der nNGM-KG in die Analyse eingeschlossen. Das Überleben nach 6 Monaten war in der nNGM-IG (66,8%) höher als in der nNGM-KG (60,8%; p=0,012). Die Gesamtkosten der ersten sechs Therapiemonate waren in der nNGM-IG höher als in der nNGM-KG (MW = 37.095 €; 95% CI: 34.918-39.271 € vs. MW = 33.523 €; 95% CI: 32.997-34.048 €; p<0,01). Die ambulanten Arzneimittelkosten in der nNGM-IG (MW = 17.417 €; 95% CI: 15.417-19.074 €) waren höher als in der nNGM-KG (MW = 13.360 €; 95% CI: 12.927-13.793 €; p<0,001). In der nNGM-IG waren die Anteile für TKI-Therapie und Immuntherapie höher (10,4% bzw. 62,5%) als in der nNGM-KG (6,3% bzw. 54,7%; jeweils p<0,001). Die stationären Behandlungskosten waren in beiden Gruppen vergleichbar: Der Mittelwert lag in der nNGM-IG bei 19.678 € (95% CI: 17.555-21.801 €) und in der nNGM-KG bei 20.163 € (95% CI: 19.686-20.640 €).

Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Die Ergebnisse dieser Analyse zeigen, dass die Versorgung im nNGM zu einem signifikant längeren Überleben bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC führt. Im Vergleich zur Routinebehandlung ist die Versorgung im nNGM zugleich mit höheren Behandlungskosten verbunden, die von der zielgerichteten und immun-onkologischen Arzneimitteltherapie dominiert werden. Ohne Nachweis von Treibermutationen wäre gemäß Studienlage die Immuntherapie (bei PDL1-positiven Tumoren) bzw. kombinierte Immun-Chemotherapie die wirksamste Standardtherapie. Auch diese war neben der höheren Zahl der mit TKI-behandelten Patienten in der nNGM-IG häufiger. Der Anteil in der nNGM-KG stieg aber im Beobachtungszeitraum an, so dass der Kostennachteil der nNGM-IG dann verschwinden würde. Weitere Studien sind erforderlich, um langfristige Auswirkungen personalisierter Therapieansätze auf die Behandlungskosten zu untersuchen.