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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Effekte und Herausforderungen der Zentralisierung von stationären Gesundheitsleistungen – eine Interviewstudie mit Vertretern der medizinischen Fachgesellschaften

Meeting Abstract

  • Stefanie Pfisterer-Heise - Institut für Versorgungs- und Gesundheitssystemforschung (IVGF), Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Rüdersdorf bei Berlin, Deutschland; Zentrum für Versorgungsforschung Brandenburg (ZVF-BB), Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Rüdersdorf bei Berlin, Deutschland
  • Julia Scharfe - Institut für Versorgungs- und Gesundheitssystemforschung (IVGF), Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Rüdersdorf bei Berlin, Deutschland; Zentrum für Versorgungsforschung Brandenburg (ZVF-BB), Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Rüdersdorf bei Berlin, Deutschland
  • Alexander Pachanov - Institut für Versorgungs- und Gesundheitssystemforschung (IVGF), Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Rüdersdorf bei Berlin, Deutschland; Zentrum für Versorgungsforschung Brandenburg (ZVF-BB), Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Rüdersdorf bei Berlin, Deutschland
  • Dawid Pieper - Institut für Versorgungs- und Gesundheitssystemforschung (IVGF), Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Rüdersdorf bei Berlin, Deutschland; Zentrum für Versorgungsforschung Brandenburg (ZVF-BB), Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Rüdersdorf bei Berlin, Deutschland

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf497

doi: 10.3205/23dkvf497, urn:nbn:de:0183-23dkvf4973

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Pfisterer-Heise et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Weltweit werden in vielen Ländern stationäre Gesundheitsleistungen zentralisiert. Zu den Gründen zählen einerseits der positive Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Behandlungsqualität sowie andererseits der steigende Kostendruck auf die Gesundheitssysteme bei gleichzeitigem Personalmangel. Die Effekte von Zentralisierung sind weitreichend: So verbessert sich bei vielen komplexen Eingriffen das Behandlungsergebnis, gleichzeitig verlängert sich aber zum Beispiel der Fahrweg für Patient:innen.

Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Die Studie beantwortet die Fragen, welche Effekte und Herausforderungen Vertreter der medizinischen Fachgesellschaften in Folge einer weiteren Zentralisierung von stationären Gesundheitsleistungen in Deutschland erwarten.

Methoden: Zwischen September und Dezember 2022 wurden 12 semi-strukturierte Interviews zu den positiven und negativen Effekten von Zentralisierung mit 13 Vertretern der deutschen medizinischen Fachgesellschaften (u.a. Urologie, Nephrologie, Geburtshilfe) digital oder telefonisch durchgeführt und mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet.

Ergebnisse: Als positive Effekte erwarteten die Interviewpartner unter anderem eine bessere Behandlungsqualität zum Beispiel bedingt durch eine interdisziplinäre Versorgung und das frühzeitigere Erkennen von Komplikationen. Weiterhin wurden eine Kompetenzbündelung und Kosteneinsparungen beschrieben. Als mögliche negative Effekte mit Bezug zum ärztlichen Beruf wurden genannt: eine geringere Attraktivität durch eine höhere Spezialisierung, erschwerte Ausbildungsbedingungen sowie eine Verdichtung des Arbeitsmarktes; für Patient:innen ein schlechterer Zugang zur Behandlung in den Zentren durch unter anderem längere Wartezeiten, eine unzureichende Diagnostik aufgrund fehlender Kompetenz der Einweisenden sowie durch mentale Hürden bei Patient:innen aufgrund z.B. einer längeren Fahrzeit. Alle Interviewten nannten Herausforderungen im Zusammenhang mit einer weiteren Zentralisierung wie zum Beispiel die Einrichtung von Portalkliniken, den Aufbau von Versorgungsnetzwerken sowie die Veränderung der Erwartungshaltung in der Bevölkerung bezüglich der Nähe der versorgenden Kliniken.

Diskussion: Die Interviews zeigen, dass Zentralisierung nicht nur zahlreiche Effekte haben kann, sondern insbesondere auch von weiteren Veränderungen im Gesundheitssystem begleitet werden muss. Die Ergebnisse basieren auf Interviews mit Vertretern vielfältiger Fächer, jedoch ohne die Notfall- und Intensivmedizin. Die Interviewpartner arbeiteten an Uniklinika und/oder zertifizierten Zentren, wodurch weitere Effekte mit Bezug zu kleineren Krankenhäusern ungenannt geblieben sein können.

Implikation für die Versorgung: Bei einer weiteren Zentralisierung von stationären Gesundheitsleistungen müssen insbesondere die erwarteten negativen Effekte sowie die zahlreichen Herausforderungen mitgedacht werden. Andernfalls können die verbesserten positiven Behandlungsergebnisse in den Zentren zum Beispiel durch einen verschlechterten Zugang der Patient:innen zur Behandlung konterkariert werden.

Förderung: Einzelförderung (BMG, DRV, BMBF, DFG, etc); 01KG2107