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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Projekt SEMpsych („Systemisches Eingliederungsmanagement bei Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen“): „Blaufeuer“ für Erwerbstätige mit psychischer Belastung: Zugangs-, Prozess- und Ergebnisevaluation

Meeting Abstract

  • Michael Schuler - Hochschule für Gesundheit, Bochum; Universität Würzburg, Institut für Klinische Epidemiologie, Würzburg
  • Heiner Vogel - Universitätsklinikum Würzburg, Arbeitsbereich Medizinische Psychologie und Psychotherapie, Würzburg
  • Lorenz Leven - Universität Würzburg, Institut für Klinische Epidemiologie, Würzburg
  • Christian Gerlich - Universitätsklinikum Würzburg, Arbeitsbereich Medizinische Psychologie und Psychotherapie, Würzburg
  • Janina Myrczik - Medical School Berlin
  • Beate Lieb - Medical School Berlin
  • Katharina Mühlich - Medical School Berlin
  • Ina Pamperin - Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin
  • Nadine Vorsatz - Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin
  • Uwe Krähnke - Medical School Berlin

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf486

doi: 10.3205/23dkvf486, urn:nbn:de:0183-23dkvf4866

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Schuler et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Erwerbstätige mit psychischer Belastung bei gleichzeitiger Arbeitsplatzproblematik haben ein erhebliches Chronifizierungs- und Frühberentungsrisiko (OECD, 2012), finden jedoch oft keine passende Behandlung. Im Projekt SEMpsych wurde eine Fallmanagement-basierte Intervention („Blaufeuer“) entwickelt und in drei Modellregionen implementiert. Kernaufgaben sind individuelle Begleitung, Beratung und Koordination der Hilfeleistungen.

Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese:

1.
Zugangsevaluation: Wird die Zielgruppe der Maßnahme erreicht?
2.
Prozessevaluation: Werden die Problemlagen der Klient:innen adäquat bearbeitet?
3.
Ergebnisevaluation: Zeigen sich Verbesserungen im Prä-Post-Vergleich bis 6 Monate nach Beratungsbeginn?

Methode:

  • Ad 1: Deskriptive statistische Analysen von N=482 Teilnehmenden.
  • Ad 2: Qualitative Prozessevaluation mittels 21 Einzelinterviews mit Klient:innen der Blaufeuerberatung sowie 9 Gruppendiskussionen mit relevanten Stakeholdern. Untersucht wurden subjektive Erlebensweisen der Klient:innen sowie Abläufe und Kernphänomene der Beratungspraxis.
  • Ad 3: Berechnung von Mittelwertsdifferenzen und Standardized Effect Sizes (SES) zwischen Interventionsbeginn und nach 6 Monaten.

Ergebnisse:

  • Ad 1: Von N=482 Teilnehmenden (66,4% weiblich, M = 45,5, SD = 10,2 Jahre) waren 50,3% aktuell arbeitsunfähig. Sie zeigten hohe psychische Beeinträchtigung (PHQ-9: M = 14,6, SD= 5,4) und geringe subjektive Arbeitsfähigkeit (WAS: M=3,2, SD=2,6). Die meisten berichten von Überforderung auf der Arbeit (70,9%) und Konflikten/Unzufriedenheit mit Vorgesetzten (64,9%).
  • Ad 2: Von Teilnehmenden wird die Blaufeuer-Beratung als ein niedrigschwelliges „Passepartout“-Angebot genutzt, das als Stärkung des Selbstwirksamkeitserlebens, als Wertschätzung sowie als kontinuierliche Unterstützung bei der Lebensführung erfahren wird.
  • Ad 3: Die subjektive Arbeitsfähigkeit verbesserte sich im Mittel bis nach 6 Monaten um 1,6 Punkte (SES=0,64), die Psychische Belastung verringerte sich im Mittel um 4,4 Punkte (SES=0,74).

Diskussion: Die psychischen und arbeitsbezogenen Belastungen der Blaufeuer-Teilnehmenden entsprechen denen von RehabilitandInnen psychosomatischer Rehabilitation. Somit wird die anvisierte Zielgruppe erreicht. Die Prä-Post-Effekte lassen vermuten, dass durch die Blaufeuerintervention die psychische Belastung reduziert und die subjektive Arbeitsfähigkeit erhöht werden kann. In der Blaufeuerberatung werden Elemente der Psychotherapie, der Sozialarbeit sowie des (Lebenslagen-)Coaching adaptiert und ein salutogenes inneres Resonanzerleben bei den Teilnehmenden evoziert. Diese Ergebnisse entsprechen evidenzbasierten Erkenntnissen aus der Psychotherapieforschung, dass die Beziehung ein Wirkfaktor ist.

Implikation für die Versorgung: Blaufeuer erreicht eine behandlungsbedürftige Zielgruppe und könnte zur relevanten gesundheits- wie arbeitsbezogenen Verbesserung führen.

Förderung: Sonstige Förderung; 661S0093X1