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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen während der Corona Pandemie

Meeting Abstract

  • Birga Maier - Robert-Koch-Institut, Berlin, Deutschland
  • Jens Baumert - Robert-Koch-Institut, Berlin, Deutschland
  • Annelene Wengler - Robert-Koch-Institut, Berlin, Deutschland
  • Fabian Tetzlaff - Robert-Koch-Institut, Berlin, Deutschland
  • Christa Scheidt-Nave - Robert-Koch-Institut, Berlin, Deutschland

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf478

doi: 10.3205/23dkvf478, urn:nbn:de:0183-23dkvf4785

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Maier et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Verschiedene Studien zeigen für Deutschland seit der Pandemie eine Übersterblichkeit, die über die Sterblichkeit an Corona hinaus geht. Dabei werden neben direkten auch indirekte Folgen der Pandemie, wie Versorgungseinschränkungen oder späteres Aufsuchen des Versorgungssystems durch Erkrankte, als mögliche Ursachen für den Anstieg an Sterbefallzahlen diskutiert. Die Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HK-Erkr.), speziell an Herzinfarkt, bietet sich als Krankheitsentität an, um diese These näher zu untersuchen.

Fragestellung: Hat sich die Sterblichkeit an HK-Erkr. (I00-99) und speziell am Herzinfarkt (I21-22) während der Pandemie erhöht?

Methode: 2015-2021 wurden die Sterbefallzahlen und -raten für I00-I99 und I21-I22 analysiert. Neben einer deskriptiven Darstellung wurden die beobachteten Sterberaten mit den erwarteten Sterberaten 2020-21 verglichen. Die Vorhersage der Sterberate 2020-21 wurde über eine Poisson-Regression für 2015-19 unter Annahme eines log-linearen Trends in der Sterblichkeitsentwicklung berechnet. Für die Altersstandardisierung wurde die Standardbevölkerung Deutschland 2011 (DEU11) genutzt. Zusätzlich werden in einer deskriptiven Analyse die Diagnosedaten aus der Krankenhausstatistik für 2015-2021 zu I00-99 und I21-22 dargestellt.

Ergebnisse: Siehe Tabelle 1 [Tab. 1]. Im Vergleich zum Referenzzeitraum 2015-19 lag die altersstandardisiere Sterblichkeit in 2020-21 für HK-Erkr. insgesamt um 4,2% und für Herzinfarkt um 6% über der zu erwartenden Sterblichkeit (Tabelle 1 [Tab. 1]). Zeitgleich ist eine Abnahme der altersstandardisierten Rate an stationär Behandelten zu beobachten. Für beide Erkrankungsgruppen lag diese in 2020-21 im Mittel um 12% für Herzinfarkt und 15% für HK-Erkr. unter der Rate von 2015-2019. Der Anteil der in den Kliniken mit I00-99 und I21-22 Verstorbenen an allen anderen stationär Verstorbenen variierte zwischen 2015-2021 hingegen kaum.

Diskussion: Wir wissen nicht, ob die dargestellte Übersterblichkeit bei HK-Erkr. in Kodierungsproblemen in der Todesursachenstatistik, in direkten Folgen der Pandemie oder in z.B. indirekten Einschränkungen im Versorgungssystem begründet liegt. Der Rückgang der Anzahl an stationär Versorgten mit I00-99 und I21-22 seit der Pandemie könnte ein Puzzleteil sein in der Frage der über Covid-19 hinausgehenden Übersterblichkeit, ohne dass wir einen Zusammenhang mit der Auswertung zur Sterblichkeit für I00-99 und I21-22 herstellen können.

Implikationen: Bisher liegen Daten zur todesursachenspezifischen Sterblichkeit einzelner Erkrankungen erst für 2021 vor. Es ist zu vermuten, dass sich indirekte Folgen der Pandemie, z.B. Überlastungssituation in Kliniken, deutlicher im Jahr 2022 zeigen werden. Deshalb sollten längerfristig vertiefende Analysen zur Sterblichkeit an ausgewählten Erkrankungen ausgebaut werden.