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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Soziodemografische Einflussfaktoren auf die Diagnosestellung bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen: Digitales Demenzregister Bayern

Meeting Abstract

  • Michael Zeiler - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für medizinische Informatik, Erlangen, Deutschland
  • Jana Rühl - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Interdisziplinäres Zentrum für Health Technology Assessment (HTA) und Public Health, Erlangen, Deutschland
  • Nikolas Dietzel - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Interdisziplinäres Zentrum für Health Technology Assessment (HTA) und Public Health, Erlangen, Deutschland
  • Peter L. Kolominsky-Rabas - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Interdisziplinäres Zentrum für Health Technology Assessment (HTA) und Public Health, Erlangen, Deutschland
  • Elmar Gräßel - Zentrum für Medizinische Versorgungsforschung, Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik, Uniklinikum Erlangen, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • Hans-Ulrich Prokosch - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für medizinische Informatik, Erlangen, Deutschland

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf442

doi: 10.3205/23dkvf442, urn:nbn:de:0183-23dkvf4423

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Zeiler et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Demenzdiagnosen werden häufig erst bei fortgeschrittener Symptomatik gestellt. Diese bilden jedoch die Grundlage für die Planung und Koordinierung der Behandlungs- und Versorgungsleistungen der Betroffenen sowie die Unterstützungsleistungen für deren pflegende An- und Zugehörige.

Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Das Ziel dieser Analyse ist es daher potenzielle soziodemografische Einflussfaktoren auf die Diagnosestellung einer kognitiven Gedächtnisbeeinträchtigung zu identifizieren. Dabei wird die Hypothese getroffen, dass Menschen, die weniger fortgeschrittene Gedächtnisbeeinträchtigungen haben, sozial isolierter leben oder einen erschwerten räumlichen Zugang zu diagnostizierenden Einrichtungen haben häufig keine formale Demenzdiagnose erhalten.

Methode: Datengrundlage ist die multizentrische, prospektive Registerstudie ‚Digitales Demenzregister Bayern - digiDEM Bayern‘. In der Arbeit werden statistische Auswertungen von soziodemografischen Daten und diagnosespezifische Daten von Menschen mit Demenz und Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen (MCI) durchgeführt. Der Wohnort wird nach der Raumabgrenzung Raumtypen 2010 des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) einer der drei Kategorien: „überwiegend städtisch“, „teilweise städtisch“ und „ländlich“ zugeordnet.

Ergebnisse: In der Stichprobe von 707 Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen haben 325 Personen (45,97%) eine ärztlich bestätigte Diagnose für Demenz oder MCI, 382 Personen (54,03%) sind trotz auffälligem Screeningergebnis nicht diagnostiziert. Von diesen können sich lediglich 79 (20,68%) an den Zeitpunkt ihrer ersten Symptome erinnern, wohingegen es bei den diagnostizierten Personen 223 (68,61%) sind. Zudem ist festzustellen, dass diese häufiger mit einem Partner zusammenleben (58,15%) und häufiger eine Hauptpflegeperson haben (70,07%). Keinen Einfluss auf die Diagnosestellung haben hingegen Alter, Geschlecht und das Screeningergebnis. Den Anstoß für die Abklärung einer Erstdiagnose geben am häufigsten die eigenen Kinder (27,69%), die Partner (24,31%) und die Hausärzte (14,77%).

Diskussion: Die aufgestellte Hypothese hat sich teilweise bestätigt. Menschen die sozial isolierter leben, erhalten trotz ähnlicher Gedächtnisbeeinträchtigung häufiger keine Diagnose. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass betroffene Personen nur in wenigen Fällen selbst den Anstoß für eine abklärende Diagnostik geben. Nicht bestätigen konnte sich die Annahme, dass der Schweregrad der Einschränkungen einen direkten Einfluss auf die Diagnosestellung hat. Noch in weiteren Auswertungen ist zu untersuchen, in wie weit der Wohnort und der damit verbundene Zugang zu diagnostizierenden Einrichtungen eine konkrete Rolle bezüglicher der Diagnosestellung spielt.

Implikation für die Versorgung: Die Diagnose ist die Grundlage für die Behandlungs- und Unterstützungsleistung. Deshalb erscheint es wichtig, dass neben den betroffenen Personen auch deren Umfeld dafür sensibilisiert wird. Zusätzlich sollte auch ein besserer Zugang zu diagnostizierenden Einrichtungen ermöglicht werden.

Förderung: Einzelförderung (BMG, DRV, BMBF, DFG, etc); G42d-G8300-2017/1606-83