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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Zwischen Pflegequalität und sozialem Leben: Die Bedeutung individueller Auswahlkriterien für ein Pflegeheim

Meeting Abstract

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  • Claudia Boscher - Hochschule Ravensburg-Weingarten, Institut für Gerontologische Versorgungs- und Pflegeforschung, Weingarten, Deutschland
  • Maik H.-J. Winter - Hochschule Ravensburg-Weingarten, Institut für Gerontologische Versorgungs- und Pflegeforschung, Weingarten, Deutschland

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf326

doi: 10.3205/23dkvf326, urn:nbn:de:0183-23dkvf3266

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Boscher et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Die meisten Menschen wünschen bei Pflegeabhängigkeit im Alter eine häusliche Versorgung [1, 2]. Hier leistet informell erbrachte Unterstützung derzeit den größten Beitrag [3]. Gleichwohl verzeichnet die stationäre Langezeitpflege seit Jahren ein starkes Wachstum und kann die Nachfrage dennoch nicht decken [4, 5]. Aus unternehmerischer Perspektive scheint das Angebot also passend.

Allerdings erfolgt der Umzug in ein Pflegeheim häufig aus einer prekären ambulanten Versorgungssituation heraus und muss schnell realisiert werden. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit der Thematik könnte dbzgl. bestehende Ängste reduzieren. Gleichzeitig bestehen im Vorfeld eines Umzugs in ein Pflegeheim häufig Informationsdefizite sowie eine geringe gedankliche Beschäftigung damit [6].

Fragestellung und Zielsetzung: Dieser Beitrag geht der Frage nach, wie stark ältere Menschen, die selbst noch nicht pflegebedürftig sind, Auswahlkriterien für ein Pflegeheim gewichten und welchen Einfluss dabei der subjektive Informationsgrad bzgl. einer pflegerischen Versorgung im Alter hat.

Methode: Datenbasis ist eine repräsentative, schriftlich-postalische Querschnittsbefragung von 2.500 Personen im Alter zwischen 65 und 75 Jahren in der Region Bodensee-Oberschwaben (Rücklauf 25,0%; n=625).

Die Befragten konnten bei acht vorgegebenen Auswahlkriterien für ein Pflegeheim die Stärke der Bedeutung zuweisen. Mittels einer explorativen Faktorenanalyse wurden die zwei Dimensionen „institutionale Faktoren“ und „soziale Faktoren“ gebildet. Ergänzt werden die Ergebnisse mit Daten aus einer qualitativen Anschlussstudie (N=22).

Ergebnisse: Es zeigt sich eine sehr hohe Bedeutung der institutionalen Faktoren, wie bspw. „Sauberkeit und Hygiene“, „hohe Pflegequalität“ und „hohes Sicherheitsgefühl“. Soziale Faktoren (Bspw. „Mitgestalten, Freiheit und Unabhängigkeit“, „Soziale Kontakte und Gemeinschaft“) sind weniger relevant. Frauen messen allen Kriterien eine signifikant stärkere Bedeutung zu als Männer. Ferner messen Personen mit einem hohen Informationsgrad zu Pflege, institutionalen Faktoren eine signifikant größere Bedeutung bei. Die Interviews bestätigen dies und zeigen zudem ein stark negativ geprägtes Bild langzeitstationärer Pflege bei den Befragten.

Diskussion: Die Ergebnisse könnten zum einen für die Einschätzung sprechen, dass eine starke Pflegeabhängigkeit Fähigkeiten zur Teilnahme am sozialen Leben grundsätzlich deutlich reduziert oder sogar unmöglich macht. Zum anderen könnte die Verwirklichung des sozialen Lebens im Heim eher eigenverantwortlichem Handeln zugeschrieben werden, während institutionale Faktoren als individuell wenig beeinflussbare, Rahmenbedingungen gelten, die daher bei der Pflegeheimwahl vorrangig zu berücksichtigen sind.

Implikationen für die Versorgung: Alten- und Pflegeheime sollten mit Blick auf zukünftig Pflegebedürftige ihrem Qualitätsmanagement eine hohe Aufmerksamkeit widmen sowie es kontinuierlich weiterentwickeln. Zudem sollten die Möglichkeiten eines sozialen Lebens im Heim deutlicher kommuniziert werden inkl. ihrer Öffnung für Menschen, die (noch) nicht dort leben.

Quellen: Bei den Autoren erhältlich.

Förderung: Sonstige Förderung; FEIH_ZAFH_295924