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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Erleben der interprofessionellen Zusammenarbeit bei Rückenschmerzpatient*innen im ambulanten Setting. Eine qualitative Interviewstudie mit Physiotherapeut*innen und Hausärzt*innen

Meeting Abstract

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  • Elisabeth Schmidt - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Medizinische Fakultät, Dorothea Erxleben Lernzentrum, Halle (Saale)
  • Antje Miksch - Evangelische Hochschule Darmstadt, Darmstadt
  • Patrick Jahn - Universitätsklinikum Halle (Saale), Department für Innere Medizin, Halle (Saale)

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf144

doi: 10.3205/23dkvf144, urn:nbn:de:0183-23dkvf1445

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Schmidt et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Im ambulanten Bereich gehören Wirbelsäulenerkrankungen zu den häufigsten Diagnosen mit steigender Prävalenz. Ein wesentlicher Baustein der komplexen Behandlung ist dabei Bewegungstherapie bzw. Physiotherapie. Diese Leistung erbringen Physiotherapeut*innen auf Verordnung von (Haus)Ärzt*innen. Es ist bekannt, dass die Stärkung einer Interprofessionellen Zusammenarbeit (IPC) eine Möglichkeit ist, die Patient*innenversorgung zu verbessern. Entsprechende Befunde liegen vor allem aus dem stationären Bereich vor. Im Hinblick auf das Gelingen einer IPC in der ambulanten Versorgung besteht noch Forschungsbedarf.

Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Daraus leitet sich die Fragestellung ab, wie verordnende Hausärzt*innen und weisungsgebundene Physiotherapeut*innen die IPC im ambulanten Setting bei Rückenschmerzpatient*innen erleben. Ziel ist es, den aktuellen Stand der IPC zu erheben und daraus ggf. Optimierungspotential abzuleiten.

Methode: Es wurde eine qualitative Studie mit leitfadengestützte Telefoninterviews durchgeführt. Eingeschlossen waren in ambulanten Praxen arbeitende Physiotherapeut*innen und Hausärzt*innen. Die Transkripte der Interviews wurden inhaltsanalytisch nach Kuckartz mittels MAXQDA ausgewertet, Codes deduktiv und induktiv gebildet.

Ergebnisse: Es wurden 11 Physiotherapeut*innen und 11 Hausärzt*innen (n=22) befragt. Die Ergebnisse sind dabei heterogen. Wie IPC erlebt wird, hängt hauptsächlich von den persönlichen Erfahrungen mit IPC generell und dem jeweiligen Gegenüber ab. Als erlebte Gefühle im Zusammenhang mit IPC werden u.a. Freude und Bestätigung formuliert, aber auch Wut, Angst, Frust und Resignation. Vor allem Physiotherapeut*innen beschreiben hemmendes Erleben, beispielsweise durch Hierarchie und mangelnde Wertschätzung. Beide Seiten beschreiben Zeitdruck als hemmend und positiv erlebte Wertschätzung und Zusammenarbeit inklusive Informationsaustausch als motivierend für weitere Kontakte und für die optimale Umsetzung. Besonders hemmendes Erleben (z.B. Hierarchie) kann Einfluss auf die Therapie haben, da evtl. therapierelevante Informationen nicht zur Verfügung stehen oder eingeholt werden (können).

Diskussion: Die Behandlung, meist von physiotherapeutischer Seite, wird bei fehlenden Informationen nach dem Nichtschadensprinzip durchgeführt und ist somit u.U. nicht optimal. Die Ergebnisse zeigen, dass IPC ein relevantes Thema für die gute Patient*innenversorgung auch im ambulanten Bereich ist. Es gibt Unterschiede und Gemeinsamkeiten, wie Physiotherapeut*innen und Hausärzt*innen die IPC erleben. Eine Besonderheit des deutschen Gesundheitssystems im Vergleich zu anderen Ländern ist die stark erlebte Hierarchie von Seiten der Physiotherapeut*innen. Aufbauende Forschung zum Thema ist sinnvoll.

Implikation für die Versorgung: Besserer Informationsaustausch zwischen Physiotherapeut*innen und Hausärzt*innen und der Abbau von bestehenden Hierarchien oder gemeinsame Ausbildungsanteile im Rahmen interprofessioneller Trainings sind eine Möglichkeit, die IPC zu verbessern und die Therapie von Rückenschmerzpatient*innen optimal und ressourcenorientiert zu gestalten.