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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Versorgungsforschung mit pflanzlichen Arzneimitteln – die pharmako-epidemiologische Datenbank PhytoVIS

Meeting Abstract

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  • Karen Nieber - Universität Leipzig, Institut für Pharmazie, Leipzig, Deutschland; Kooperation Phytopharmaka, Bonn, Deutschland
  • Olaf Kelber - Steigerwald Arzneimittelwerk GmbH, Research & Development, Bayer Consumer Health, Darmstadt, Deutschland; Kooperation Phytopharmaka, Bonn, Deutschland

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf042

doi: 10.3205/23dkvf042, urn:nbn:de:0183-23dkvf0421

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Nieber et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Erkenntnisse zu Anwendungserfahrungen sowie zu Nutzen und Risiken von pflanzlichen Arzneimitteln (PAMs) in der Selbstmedikation können mit einer adäquaten Versorgungsforschung gewonnen werden. Gerade zu Risikogruppen wie alten Menschen, Kinder und Patienten mit Begleiterkrankungen gibt es nur wenige Anwendungsdaten. Um diese Lücke zu schließen wurde die Datenbank PhytoVIS entwickelt.

Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Die Datenbank PhytoVIS hat das Ziel, Daten zu PAMs in produktübergreifender, indikationsbezogener Weise von Patienten in Apotheken und Arztpraxen, insbesondere in den Risikogruppen zu generieren. Sie soll die Erfahrung der Patienten unter der (Selbst-)Behandlung mit PAMs dokumentieren.

Methode: Das Projekt wurde von der Kooperation Phytopharmaka zusammen mit dem IMSIE am Universitätsklinikum Köln entwickelt. Die Daten wurden mittels retrospektiver, anonymer Umfrage in standardisierter Form in Apotheken und Arztpraxen erfasst und explorativ ausgewertet.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 24.056 Patienten befragt, 16.443 waren weiblich, 7.613 männlich. Davon nutzen 75,0% Frauen und 77,5% Männer PAMs wegen akuter Beschwerden, 15,6% Frauen und 14,1% Männer wegen chronischer Beschwerden und 7,1% Frauen und 6,1% Männer wegen präventiver Maßnahmen. Geriatrische Patienten wurden in zwei Gruppen (66–75 Jahre, >75 Jahre) ausgewertet. Die Inzidenz chronischer Erkrankungen und Beschwerden war in beiden Gruppen im Vergleich zur gesamten Studienpopulation deutlich höher, z.B. Gedächtnisstörungen und Arthralgien. Die pädiatrischen Population umfasste 2063 Datensätze, davon 254 unter 2 Jahren, 473 von 2–5 Jahren, 551 von 6–11 Jahren und 785 von 12–17 Jahren. Indikationen waren hautsächlich Erkältung und Fieber, Verdauungsbeschwerden, Hauterkrankungen sowie Schlafstörungen und Angstzuständen. 1.350 Datensätzen dokumentieren die Verwendung von PAMs zur Schmerzbehandlung in allen Altersgruppen. Externe Darreichungsformen dominierten mit 30–50%, insbesondere bei Kindern und älteren Patienten. Die Wirkung bei Nackenschmerzen, Prellungen, Rückenschmerzen und Kopfschmerzen war sehr gut, gut bei Migräne und Gelenkschmerzen. Über 90% aller Patienten berichten über eine gute bis sehr gute Wirkung ohne gravierende Nebenwirkungen.

Diskussion: Die Daten beleuchten einen noch vernachlässigten Bereich der Versorgungsforschung, indem sie Informationen über die Anwendung PAMs liefern. Die Ergebnisse bestätigen die gute Wirkung und Sicherheit und zeigen den therapeutischen Nutzen von PAMs im Rahmen einer Verschreibung und Selbstmedikation.

Implikation für die Versorgung: Die vorliegende PhytoVIS Studie markiert ein wesentliches Umdenken im Hinblick auf klinische Studien zu PAMs. Während die meisten Studien unter praxisfernen Bedingungen in speziellen Einrichtungen durchgeführt wurden und ein großer Teil der Patienten des klinischen Alltags ausgeschlossen war, ist heute der Wert der „Real life“-Studie unter alltagsrelevanten Bedingungen erkannt und gewinnt immer mehr an Bedeutung für die medizinische Versorgung im Praxisalltag.

Förderung: Sonstige Förderung; Kooperation Phytopharmaka


Literatur

1.
Wegener T, Nieber K, Kraft K, Siegmund S, Kelber O, Jobst D, Steinhoff B. Versorgungsforschung mit pflanzlichen Arzneimitteln?–?Die pharmako-epidemiologische Datenbank PhytoVIS. Pharmind. 2021;83:416-23.
2.
Nieber K, Raskopf E, Möller J, Kelber O, Fürst R, Shah-Hosseini K, Singh J, Kraft K, Mösgens R. Pharmaco-epidemiological research on herbal medicinal products in the paediatric population: data from the PhytoVIS study. Eur J Pediatr. 2020 Mar;179(3):507-512. DOI: 10.1007/s00431-019-03532-3 Externer Link